Vorrang der Inanspruchnahme eines erstattungspflichtigen Sozialhilfeträgers durch einen kostenerstattungsberechtigten Jugendhilfeträgers
als der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Interessenwahrungsgrundsatz
Gründe
I
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten
Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.
Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im
Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege
ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand
das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.
Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum
vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli
2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für
ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.
Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung
in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles
von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004
gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den
Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem
das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger
Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem
Zweck der Eingliederungshilfe diene.
Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers
entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden
Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht
stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig
und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles
und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen
zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.
Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem
dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage
mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006
bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 EUR zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den
Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert,
den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten
Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 EUR zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum
nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19.
März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis
zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten
Kosten in Höhe von 17 455,68 EUR beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz.
Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit
nach §
14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur
Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig
unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe
gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung
gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der
Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig.
Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei
dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf §
14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei
er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit
zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich
gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und
um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des
Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts,
dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen
Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung,
der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die
Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst
nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können,
die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden
sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe
das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden,
die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf
von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46
EUR zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 <BGBl. I S. 1163>) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 EUR hinaus vermittelt.
Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 EUR zu erstatten, indes entgegenstehe, dass
dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann
der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 EUR beanspruchen (3.).
1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der
Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.
Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009
der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = [...] Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit
des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.
Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 EUR, steht
mit Bundesrecht im Einklang (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche
Interessenwahrungsgrundsatz (b).
a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht.
Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte
Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch
gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen
für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht
werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 -BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1 <S. 4 f.> und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.
Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten
und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung
ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der
Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.
b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen
Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.
aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die
Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.
Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus §
242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr
als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf
wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11.
Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1 <S. 6>; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - [...] Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender
Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus §
242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere
zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil
vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9 <S. 12 f.>).
Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu
und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl.
Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger
bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten
ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige
Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber
dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und
zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger
anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges
zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos
erscheint.
Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten
werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten
Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen.
In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen
Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen
Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen
kann.
Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht
dies einem Erstattungsanspruch entgegen.
bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe
gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen
gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen
gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März
2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden
Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe
ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September
1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 <S. 3 f.> und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).
Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe
mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2.
März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen
auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz
nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger
und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.
Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein
Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.
cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen ((1)). Dem Beklagten
war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit
der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt ((2)).
(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch
steht nicht §
14 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) -
SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) entgegen ((a)). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt ((b)). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden
Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ((c)).
(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch §
14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den
betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.
Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt,
stellt der Rehabilitationsträger gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1 Halbs. 1
SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die
Leistung zuständig ist.
Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß §
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt
der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX unverzüglich fest.
Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren
zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen
wären. Denn die Regelungen des §
14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich
unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers
regelnde Sondervorschrift des §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 <Rn. 9 ff.> und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit
des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 <S. 541>).
(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger
nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen ((aa)) und die Verpflichtung
eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht
((bb)) (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 -BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 <S. 3> und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).
(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger
(((1))) als auch der Beigeladene (((2))) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.
((1)) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in
Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher
bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§
137 Abs.
2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.
((2)) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. §
55 Abs.
1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.
Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere
der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§
26,
33,
41 und
55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß §
55 Abs.
1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und
nach den Kapiteln 4 bis 6 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe
sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren §
54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird.
Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine
Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).
Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche
und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen.
In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung
außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang
therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit
als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung
der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich
in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege
hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen,
die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der
Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen,
dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe
war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden
Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und
sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.
(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen
Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.
Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen
familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit
liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch
genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 -BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1 <S. 2>; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30 <S. 34>). Das ist hier der Fall.
Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem
streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs
gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen
und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht
freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).
Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen
wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme
einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).
Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders
als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen
Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig
dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen
Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt.
§ 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit
mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilfe-rechtliche
Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme
mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter
Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.
(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch
zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit
der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens
nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des
Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht
nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als
vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.
Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen,
wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur
Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung
Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung
der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand
der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.
(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es
ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf
Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht
entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren
Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen
im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls
nicht offenkundig.
3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554), in Höhe von 2 967,46 EUR in Anspruch.
Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach §
69 Abs.
4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach §
69 Abs.
5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit
nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.
Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen"
im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene
Mädchen, nicht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §
154 Abs.
2 und §
162 Abs.
3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Es entspricht nicht der Billigkeit, seine Kosten
nach §
162 Abs.
3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da er einen Antrag nicht gestellt und deshalb nach §
154 Abs.
3 VwGO nicht am Kostenrisiko teilgenommen hat.