BVerwG, Urteil vom 13.09.1984 - 5 C 30.81
a. Förderung eines zweiten allgemeinbildenden Ausbildungsabschnitts nach Abschluß eines (ersten) allgemeinbildenden Ausbildungsabschnitts gem. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, sofern der spätere Abschnitt eine höhere schulische Qualifikation vermittelt.
Fundstellen: BVerwGE 70, 115 , DRsp V(545)86a, FamRZ 1985, 316
Normenkette:
BAföG § 7 Abs.2 S.1 Nr.3
Die Kl. war als staatlich anerkannte Krankenschwester ausgebildet. Nach Erwerb der Fachhochschulreife auf einer Fachoberschule besuchte sie ein Kolleg, um die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Für diesen Kollegbesuch begehrt sie Ausbildungsförderung.
»... Es ist ein wesentliches Ziel des BAföG, dem Auszubildenden einen berufsqualifizierenden Abschluß zu ermöglichen. Das gilt zunächst für den in § 7 Abs. 1 BAföG geregelten Grundanspruch der Afö. Diese Regelung trägt .. dem Umstand Rechnung, daß sich eine Ausbildung bis zum berufsqualifizierenden Abschluß regelmäßig in mehreren Abschnitten vollzieht. ...
Die Hinführung zum berufsqualifizierenden Abschluß als dem wesentlichen Ziel der Afö wird für die Forderungsmöglichkeiten nach § 7 Abs. 2 BAföG, die an den berufsqualifizierenden Abschluß der Ausbildung nach § 7 Abs. 1 BAföG anschließen (BVerwGE 54, 191 [hier: V (545) 39 b-d]; BVerwGE 68, 84 [hier: V (545) 76 c-d]), nicht aufgegeben. Deutlich erkennbar ist das für die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BAföG (Fassung 1976) geregelten Fälle. ...
Dieser Grundsatz liegt ebenso der hier maßgebenden Bestimmung des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG zugrunde .. . Diese Vorschrift bezieht sich allerdings Ä insoweit vergleichbar mit § 7 Abs. 1 BAföG Ä auf Ausbildungsstätten, die verschiedenen Ausbildungsabschnitten zuzuordnen sind. Bei den Ausbildungsstätten, die § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ausdrücklich aufführt, kann nur eine allgemeinbildende, aber keine berufsbildende Ausbildung erworben werden. Mit dem Abschluß ihres Besuches ist die Förderungsmöglichkeit jedoch nicht erschöpft. Förderungsleistungen werden ebenso für den Besuch berufsbildender Ausbildungsstätten gewährt, wenn der Auszubildende dafür die schulischen Voraussetzungen auf den allgemeinbildenden Ausbildungsstätten erworben hat, die in Nr. 3 abschließend aufgezählt sind. Ziel dieser berufsbildenden Ausbildung kann nur der berufsqualifizierende Abschluß sein. Das Gesetz behandelt damit beide Ausbildungsabschnitte als Teile einer einheitlichen (weiteren) Ausbildung. ...
Der Besuch des Kollegs gehört noch zur ersten weiteren Ausbildung der Kl. . Dem steht nicht entgegen, daß die Kl., nachdem sie ihre Ausbildung als Krankenschwester abgeschlossen und damit den Grundanspruch nach § 7 Abs. 1 BAföG ausgeschöpft hatte, die Klasse 12 einer Fachoberschule besucht und dort die Fachhochschulreife erworben hat. Sowohl die Fachoberschule als auch das Kolleg gehören zu den in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG aufgezählten Ausbildungsstätten, die .. allgemeinbildende Ausbildung vermitteln. Wie bereits oben ausgeführt, ist mit dem Abschluß einer allgemeinbildenden Ausbildung das Forderungsziel des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG .. jedoch noch nicht erreicht. Der .. Förderungsanspruch ist erst dann ausgeschöpft, wenn die berufsbildende Ausbildung abgeschlossen ist, zu der der Besuch der allgemeinbildenden Ausbildungsstätten, die in Nr. 2 genannt sind, die schulischen Voraussetzungen geschaffen hat. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG einem Auszubildenden Förderungsmittel auch dann zu gewähren, wenn er zeitlich hintereinander mehrere der dort genannten Ausbildungsstätten allgemeinbildender Art besucht und planmäßig abschließt.
Dabei ist allerdings zu fordern, daß der Abschluß der später besuchten Ausbildungsstätte .. eine höhere schulische Qualifikation vermittelt. Es widerspricht offensichtlich dem Sinn einer zweckgerichteten Afö, dem Auszubildenden Leistungen für eine Ausbildung auch dann zu gewähren, wenn er die mit deren Abschluß verbundene Qualifikation schon erreicht hat. Nicht folgern läßt sich dagegen aus dem Gesetz, die allgemeinbildenden Ausbildungsabschnitte müßten in dem Sinne aufeinander aufbauen, daß die zunächst unternommene Ausbildung die schulischen Voraussetzungen für die spätere Ausbildung geschaffen hat. Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG geregelte zweite Alternative »oder dort die schulischen Voraussetzungen für die weitere Ausbildung erworben hat« konnte zwar vom Wortlaut her nicht nur auf den berufsbildenden, sondern auch auf.den allgemeinbildenden Ausbildungsabschnitt bezogen werden. Dies entspricht jedoch nicht dem Sinn des Gesetzes. ...
Es besteht kein sachgerechter Anlaß, die Auszubildenden hinsichtlich der Förderung einer allgemeinbildenden Ausbildung nach § 7 Abs. 1 BAföG einerseits und nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG andererseits verschieden zu behandeln .. . Die zuletzt genannte Vorschrift will vor allem für [diejenigen] Auszubildenden eine privilegierte Förderungsmöglichkeit schaffen, die nach bereits erlangtem berufsqualifizierenden Abschluß eine der in Nr. 3 aufgezählten, vorwiegend zum zweiten Bildungsweg gehörenden Ausbildungsstätten besuchen, um eine höhere schulische und berufliche Qualifikation zu erwerben. Die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG geregelte zweite Alternative ist nach alledem nicht auf den allgemeinbildenden, sondern nur auf den berufsbildenden Ausbildungsabschnitt zu beziehen. ...«