BVerwG, Urteil vom 21.10.1987 - 5 C 39.85
Kostenersatzpflicht des Erben für Sozialhilfe-Leistungen an den Erblasser nur bei Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung.
Fundstellen: BVerwGE 78, 165 , DRsp V(545)106e, DÖV 1988, 733 , NJW 1988, 2551
Normenkette:
BSHG § 81 Abs.1, § 92 Abs.1, § 92 a, § 92 c
»... Die aus § 92 Abs. 1 Halbsatz 1 i. V. mit § 92 c BSHG in der hier anzuwendenden Fassung vom 13. 2. 1976 hergeleiteten Verpflichtungen des Erben des Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind (und die das Zweifache des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG übersteigen), besteht nur, wenn die Hilfegewährung rechtmäßig war .. .
Zur Anwendung der Vorschriften des den Kostenersatz regelnden Abschnitts 6 des BSHG hat das BVerwG in ständ. Rechtspr. die Ansicht vertreten, diese Vorschriften befaßten sich allein mit dem Fall, daß Sozialhilfe zu Recht gewährt worden sei. Sei Sozialhilfe (materiell) rechtswidrig gewährt worden, seien die Regeln über die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte anzuwenden, das sind seit dem Inkrafttreten des SGB Ä Verwaltungsverfahren Ä v. 18. 8. 1980 (BGBl. I S. 1469) am 1. 1. 1981 dessen Art. 1 §§ 45 und 50. Dabei hat das BVerwG auch dazu Stellung genommen, wie die Ansprüche auf Ersatz von Kosten der Sozialhilfe, auf Ersatz von Aufwendungen (s. dazu § 11 Abs. 2 Satz 2 und § 29 Satz 2 BSHG) und auf Erstattung von rechtswidrig erbrachten Leistungen gegeneinander abzugrenzen sind (s. zu allem BVerwGE 29, 22; 52, 16; 67, 163; 70, 196). Wenngleich es zutrifft, daß in dieser Rechtspr. nicht konkret über den Anspruch eines Trägers der Sozialhilfe auf Kostenersatz nach § 92 c BSHG zu entscheiden war, so haben dennoch der VGH und vor ihm schon das OVG Münster (s. Urt. v. 5. 12. 1985 [NDV 1986, 295]) aus ihr zutreffend gefolgert, der Träger der Sozialhilfe könne einen Erben dann nicht nach § 92 c BSHG auf Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch nehmen, wenn dem Erblasser die Sozialhilfe (materiell) rechtswidrig gewährt worden war. ...
Sowohl die Kostenersatzpflicht nach § 92 a BSHG als auch diejenige nach § 92 c BSHG sind als Ausnahmen von dem Grundsatz, daß rechtmäßig gewährte Sozialhilfe nicht zu ersetzen ist, konzipiert. ... Soweit in § 45 SGB X vor allem die Rücknehmbarkeit eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit eingeschränkt ist, ist die hierin liegende Rechtswohltat zugunsten des Empfängers der rechtswidrig erbrachten Sozialleistung, die sich naturgemäß zugunsten eines Erben auswirkt, in jeder Hinsicht als gesetzlich gewollt zu achten und zu beachten. Diese Regelung der Leistungserstattung, die sich für das Sozialleistungsrecht und damit für das Recht der Sozialhilfe als einem der besonderen Teile des SGB seit dem Inkrafttreten des SGB Ä 10. Buch Ä in dessen § 45 i. V. m. § 50 findet .., ist eine abschließende. Derjenige, der für vergangene Zeitabschnitte zwar gutgläubig, aber im Widerspruch zum materiellen Recht aufgrund eines Bewilligungsbescheides formell rechtmäßig eine Leistung erhalten hat und dessen Vertrauen in die Rechtmäßigkeit dieser Leistungsbewilligung unter Abwägung mit dem öffentl. Interesse schutzwürdig ist, soll Ä so der Wille des Gesetzgebers Ä diese Leistung behalten. Daraus folgt zwangsläufig, daß auch sein Erbe nichts zu erstatten hat; denn dessen Verpflichtung geht nicht weiter als die des Erblassers. Es ist daher ausgeschlossen, diese Rechtswohltat durch die Anwendung einer Norm (hier: des § 92 Abs. 1 Halbsatz 1 i. V. m. § 92 c BSHG) zu unterlaufen, mit der zur Erreichung eines besonderen Zwecks eine Sonderregelung getroffen worden ist, die die begrenzte Inanspruchnahme von durch Erbgang übergegangenem Vermögen, das in der Person des Hilfeempfängers, des Erblassers, zu schonen war, eröffnet. ...«