Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II im Zeitraum vom
01.03.2008 bis zum 30.09.2008.
Auf einen Fortzahlungsantrag des Klägers (Kl.) vom 19.02.2008 für die Zeit ab dem 01.03.2008 versagte die Beklagte (Bekl.)
mit Bescheid vom 18.03.2008 die Gewährung von Arbeitslosengeld II vollständig mit der Begründung, dass die geforderten Kontoauszüge
nicht vorgelegt worden seien. Dagegen legte der Kl. am 25.03.2008 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 11.11.2008 bewilligte die Bekl. dem Kl. Leistungen für die Zeit ab 01.10.2008, nachdem er Kontoauszüge der
H.bank vorgelegt hatte.
Den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 18.03.2008 wies die Bekl. mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2009 zurück.
Am 23.02.2009 hat der Kl beim Sozialgericht München (SG) "Untätigkeits- und Feststellungsklage ... betreffend den bisher nicht erfüllten Leistungsfortbewilligungsantrag vom 16.02.2008
betreffend den Leistungszeitraum vom 01.03.2008 bis zum 30.09.2008" erhoben.
Mit Bescheid vom 12.01.2010 hat die Bekl. dem Kl. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form von
Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 31.08.2008 in folgender Höhe bewilligt:
- März und April: je 378, 63 EUR
- Mai: 347, 08 EUR
- Juni: 230,27 EUR
- Juli: 340,92 EUR
- August: 332,39 EUR
Mit einem weiteren Bescheid vom 12.01.2010 hat die Bekl. für den Monat September 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in
Höhe von 359,24 EUR bewilligt. In beiden Bescheiden wurde festgesetzt, dass die Leistungen direkt an den Vermieter der Wohnung
ausbezahlt werden sollten.
Den Vorschlag der Beklagten, die Klage für erledigt zu erklären, hat der Kl. mit der Begründung abgelehnt, dass er keinerlei
Abrechnungs- und Zahlungsnachweise über die Zahlung an seinen Vermieter erhalten habe. Außerdem sei er mit der Auszahlung
der Leistungen an seinen Vermieter nicht einverstanden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.07.2010 (Az. S 4 AS 392/09), dem Kl. zugestellt am 03.09.2010, abgewiesen. Der Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) fehle seit dem Erlass der Bescheide vom 12.01.2010 das Rechtsschutzbedürfnis, die Klage sei deshalb unzulässig geworden.
Gegen das Urteil hat der Kl. am Montag, dem 04.10.2010, Berufung eingelegt.
Das Bayerische Landessozialgericht hat den Kl. mit Schreiben vom 07.10.2010 aufgefordert, seine Berufung zu begründen.
Nachdem der Kl. seine Berufung bis dahin nicht begründet hatte, hat das Gericht mit Schreiben vom 25.11.2010, dem Kl. zugestellt
mit Postzustellungsurkunde am 26.11.2010, dem Kl. mitgeteilt, dass es erwäge, die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 SGG einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, und dem Kl. bis zum 10.12.2010 Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.
Der Kl. hat auch auf dieses Schreiben nicht reagiert.
Der Kl. hat Anträge im Berufungsverfahren nicht gestellt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Bekl. verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§
143,
151 SGG). Die Berufung ist nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG zulassungsfrei, weil die Klage einen Versagungsbescheid für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
bezüglich eines Zeitraums von 7 Monaten betrifft, deren Höhe die Berufungssumme von 750 EUR überschreitet.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Senat macht von der in §
153 Abs.
4 SGG eröffneten Möglichkeit, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, Gebrauch. Eine mündliche Verhandlung erscheint
nicht erforderlich, weil die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und keiner weiteren Erörterung bedarf. Die Beteiligten sind
dazu angehört worden.
Allerdings ist die am 23.02.2009 erhobene "Untätigkeits- und Feststellungsklage" bezüglich des Leistungszeitraums vom 01.03.2008
bis zum 30.09.2008 gemäß §
123 SGG nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung entgegen der Auffassung des SG nicht als Untätigkeitsklage nach §
88 Abs.
1 SGG auszulegen, sondern als Anfechtungsklage gegen den auf §
66 SGB I gestützten Versagungsbescheid vom 18.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2009, weil diesbezüglich bei
Klageerhebung die Klagefrist noch offen war und das Anliegen des Klägers, eine materiell-rechtliche Prüfung seiner Ansprüche
zu erreichen, auf diese Weise am ehesten zu verwirklichen war.
Diese Anfechtungsklage hat sich durch Erlass der Verwaltungsakte vom 12.01.2010 erledigt, weil durch die materiell-rechtliche
Entscheidung hinsichtlich der streitgegenständlichen Bescheide der diesbezügliche Versagungsbescheid gegenstandslos wurde
und sich damit im Sinne des § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch X auf andere Weise erledigte und unwirksam wurde. Wegen Wegfalls eines wirksamen anfechtbaren Verwaltungsaktes ist die Anfechtungsklage
unzulässig geworden. Der Kläger hätte sie für erledigt erklären müssen, um eine Klageabweisung zu vermeiden.
Soweit der Kläger mit seiner Klage über die Anfechtung des Versagungsbescheides hinaus auch eine Verurteilung zur Bewilligung
von Leistungen begehrt, ist seine Klage von Anfang an unzulässig. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender
Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben (BSGE 104, 26). Die vom BSG aaO. erwogene ausnahmsweise Zulässigkeit einer unmittelbaren Klage auf existenzsichernde Leistungen in dem
Fall, dass sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren
lediglich wiederholen würde, ist nicht gegeben.
Die Bescheide vom 12.01.2010 sind nicht gemäß §
96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, weil sie den angefochtenen Versagungsbescheid nicht im Sinne dieser Vorschrift
abgeändert oder ersetzt haben. Ein Bescheid, mit dem der geltend gemachte Leistungsanspruch erstmals aus materiell-rechtlichen
Gründen abgelehnt wird, stellt keinen Folgebescheid im Sinne des §
96 SGG zu einem auf die fehlende Mitwirkung nach §
66 SGB I gestützten Versagungsbescheid dar (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.01.2008 Az. L 21 R 187/05). Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben,
deren zulässiger Streitgegenstand allein das Begehren ist, das Verwaltungsverfahren nach Aufhebung des Verwaltungsverfahrens
fortzusetzen, nicht aber der zugrunde liegende materiell-rechtliche Anspruch. §
96 SGG regelt die Einbeziehung eines Folgebescheides in die Klage im Wege einer gesetzlichen Klageänderung (BSGE 11, 146, 147 f.; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., 2008, §
96 Rdnr. 11). Der Übergang von einer gegen einen Versagungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung gerichteten Anfechtungsklage
zu einer gegen den materiell-rechtlich begründeten Ablehnungsbescheid gerichteten Anfechtungs- und Leistungsklage setzt dagegen
die Stellung eines Leistungsantrags voraus, die nur vom Kläger selbst vorgenommen und nicht gesetzlich fingiert werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung
des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).