Klagerücknahme
Grundsätze zum Nichturteil
Hinfälligkeit der Kostenfestsetzung
Gründe:
I.
Das Sozialgericht Berlin (SG) hob mit Urteil vom 24. September 2010 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 29. März 2007 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2007 (Klageverfahren S 61 AS 12410/07) sowie den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April
2008 (verbundenes Klageverfahren S 156 AS 15574/08) auf und entschied, dass der Beklagte dem Kläger dessen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat.
Gegen das Urteil erhob der Beklagte am 29. November 2010 Berufung.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag der im Klageverfahren tätigen Bevollmächtigten des Klägers vom 28. September 2010 setzte
das SG mit Beschluss vom 22. März 2011 die vom Beklagten dem Kläger zu erstattenden Kosten auf 737,80 EUR fest. Die hiergegen erhobene
Erinnerung des Beklagten wies das SG mit Beschluss vom 16. Januar 2013 (S 165 SF 4810/11 E) zurück. Die Berufung des Beklagten entfalte keine aufschiebende Wirkung
hinsichtlich der Verurteilung in die Kosten des Verfahrens. Die anwaltliche Gebührenbestimmung sei nicht unbillig.
Der Kläger nahm im Verhandlungstermin vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) am 5. September 2013 die Klagen
zurück.
Am 21. Oktober 2015 hat der Beklagte bei dem LSG beantragt,
festzustellen, dass das Urteil vom 24. September 2010 auch hinsichtlich der darin getroffenen Kostenentscheidung durch die
zulässige Klagerücknahme in der Berufungsverhandlung am 5. September 2013 wirkungslos ist,
und zu entscheiden, dass außergerichtliche Kosten gemäß §
193 Sozialgerichtsgesetz im gesamten Verfahren nicht zu erstatten sind.
Er meint, dass das Urteil durch die zulässige Klagerücknahme wirkungslos geworden sei. Das Berufungsgericht sei mit den zuvor
genannten Anträgen anzurufen, damit auch die ihn beschwerenden Kostenbeschlüsse des SG angefochten werden könnten.
II.
Auf den Antrag des Beklagten war in analoger Anwendung des §
102 Abs.
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) bzw. der Grundsätze zum Nichturteil (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
125 Rn. 5c) durch deklaratorischen Beschluss über die begehrte Feststellung der Wirkung der Klagerücknahme sowie nach §
193 Abs.
1 Satz 3
SGG durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.
Mit der Rücknahme der Klagen im Verhandlungstermin vor dem LSG am 5. September 2013 ist das Urteil des SG vom 24. September 2013 einschließlich der darin getroffenen Kostengrundentscheidung wirkungslos geworden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO., § 102 Rn. 9 und 9a). Damit ist auch der Titel für den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG vom 22- März 2011 hinfällig geworden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 197 Rn. 9d). Zur Klarstellung war antragsgemäß festzustellen, dass das Urteil des SG auch hinsichtlich der darin getroffenen Kostenentscheidung wirkungslos geworden ist.
Die auf Antrag des Beklagten ergehende Entscheidung nach §
193 Abs.
1 Satz 3
SGG ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen. Zu berücksichtigen ist in erster Linie, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen
Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung voraussichtlich ausgegangen wäre (st. Rechtsprechung des BSG, stellvertretend SozR Nrn. 3, 4, 7 zu §
193 SGG). Ferner können das Veranlassungsprinzip, das erreichte Prozessergebnis sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung
berücksichtigt werden; die vom SG getroffene Kostengrundentscheidung nach §
193 Abs.
1 Satz 1
SGG ist einzubeziehen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., §
193 Rn. 12b und 13, mwN, § 102 Rn. 9a)
Hiervon ausgehend haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren (Widersprüche,
Klagen, Berufung) zu erstatten. Der Kläger hatte mit seinem Begehren nicht obsiegt und im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem LSG nach einem Hinweis des Vorsitzenden auf die fehlende Erfolgsaussicht des Begehrens die Klagen zurückgenommen.
Die vom SG getroffene Kostengrundentscheidung orientiert sich am Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens und kann daher keinen Bestand
haben. Auf die vom SG aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Beklagte nach §§
104 Satz 5,
119 SGG verpflichtet war, dem SG Kopien seiner Verwaltungsakte auch dann vorzulegen, wenn das Original bzw. eine Kopie der Verwaltungsakte sich bereits bei
dem SG (in einer anderen Kammer) befindet, kam es nicht entscheidungserheblich an, zumal bereits der Kläger seinen Klagen umfangreiche
Anlagen (insbesondere die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sowie die zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide)
beigefügt hatte. Auch hatte der Beklagte dem Kläger keine Veranlassung zur Erhebung der Klagen geboten.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).