Kürzung von Entgeltpunkten auf 5/6 für in Polen zurückgelegte Beitragszeiten
Echte Beitragszeiten
Nachweis von Beitragszeiten
Tatbestand
Umstritten ist die Kürzung der Entgeltpunkte auf 5/6 für in Polen zurückgelegte Beitragszeiten.
Die 1931 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und hat bis 1984 in Königshütte und Kattowitz in Polen gelebt. Durch
Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 1986 wurden die von der Klägerin in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 1. Dezember
1949 bis zum 14. April 1984 (mit Unterbrechungen) unter Anwendung des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens von
1976 (DPSVA) aufgrund des polnischen Legitimationsbuches der Klägerin, ausgestellt am 18. September 1974, gemäß § 15 Fremdrentengesetz (FRG) anerkannt. Der Bescheid enthält folgenden Vorbehalt:
"Über die Anrechnung der Zeiten und die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen kann erst im Leistungsfall entschieden werden.
Ausgehend von dem gegenwärtigen Kontoinhalt und dem zur Zeit geltenden Recht ist geprüft worden, ob die Anrechnungsvoraussetzungen
für die einzelnen Zeiten und die Wartezeiten erfüllt werden."
Mit weiterem Bescheid vom 17. August 1992 stellte die Beklagte gemäß §
149 Abs.
5 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch (
SGB VI) - aus Anlaß der Änderung des FRG durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) zum 1. Juli 1990 die im Versicherungskonto der Klägerin enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen,
als für die Beteiligten verbindlich fest. Der Bescheid enthält folgenden Vorbehalt:
"Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung
entschieden... Die bisherige Feststellung dieser Zeiten wird von uns zu einem späteren Zeitpunkt überprüft. Sie können nicht
davon ausgehen, daß die Zeiten unverändert bleiben."
Mit Bescheid vom 17. August 1992 stellte die Beklagte wiederum nach §
149 Abs.
5 SGB VI aufgrund neuerlicher Rechtsänderungen die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs
Kalenderjahre zurückliegen, als für die Beteiligten verbindlich fest. Der Bescheid enthält den Hinweis, daß geprüft worden
sei, welche Zeiten nach den Neuregelungen anzurechnen sind. Sie seien in diesem Bescheid dargestellt. Die bisherigen Feststellungen
würden hiermit aufgehoben, soweit sie den folgenden Feststellungen entgegenstehen. In dem als Anlage zu diesem Bescheid beigefügten
Versicherungsverlauf sind die nach dem FRG bewerteten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten zwischen dem 1. Dezember 1949 und dem 14. April 1984 zeitlich zwar ungekürzt
aufgeführt, jedoch mit einem auf 5/6 gekürzten Entgelt bewertet.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 21. September 1992 Widerspruch. Sie beanstandete, daß die in Polen zurückgelegten
Beschäftigungszeiten nicht mehr in vollem Umfange, sondern lediglich zu 5/6 berücksichtigt seien. Die Beklagte wies den Widerspruch
durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 1993 zurück unter Hinweis auf die mit Wirkung vom 1. Juli 1990 vorgenommene Änderung
des Artikel 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA von 1975 sowie des § 22 Abs. 3 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung, der die Kürzung von Entgeltpunkten in Fällen nicht nachgewiesener Beitrags- und
Beschäftigungszeiten um 1/6 regele. Die Anerkennung der in Polen zurückgelegten Beschäftigungs- bzw. Arbeitszeiten in dem
Zeitraum vom 1. Dezember 1949 bis zum 17. September 1974 sei aufgrund von polnischen Arbeitsbescheinigungen erfolgt und damit
nur als glaubhaft gemacht anzusehen, da die polnischen Arbeitsbücher und sonstigen Bescheinigungen in der Regel nicht zweifelsfrei
erkennen ließen, ob und in welchem Umfang Unterbrechungen vorgelegen hätten. Das polnische Legitimationsbuch der Klägerin
sei erst am 18. September 1974 ausgestellt worden und enthalte keine Zeiten der Unterbrechung (Krankheitszeiten usw.) vor
diesem Zeitpunkt. Die Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten während des genannten Zeitraums seien daher lediglich als glaubhaft
gemacht anzusehen und gekürzt anzurechnen.
Die hiergegen am 23. Juni 1993 erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt durch Urteil vom 21. Januar 1994 abgewiesen.
Zur Begründung führte das Sozialgericht im wesentlichen aus, die Zeit vom 1. Dezember 1949 bis 17. September 1974 könne nicht
als ungekürzte Beitragszeit im Sinne von § 15 FRG anerkannt werden, weil sie nicht nachgewiesen sei. Die Rechtslage habe sich dahingehend geändert, daß die nach polnischem
Recht zurückgelegten Beitragszeiten nur noch dann und insoweit angerechnet werden könnten, wie dies nach dem FRG möglich sei. Hiernach würden jedoch die Entgeltpunkte nicht nachgewiesener Beitragszeiten um 1/6 gekürzt. Die während des
genannten Zeitraums in Polen zurückgelegten Zeiten seien anhand des Arbeitsbuches vom 17. September 1974 glaubhaft gemacht,
nicht aber nachgewiesen, so daß sie nur gekürzt angerechnet werden könnten. Das Legitimationsbuch reiche nicht zum Nachweis
aus. Nachgewiesen seien nur Zeiten, bei welchen mit der für den vollen Beweis erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit
feststehe, daß sie zurückgelegt seien. Da die polnischen Unterlagen weder die genaue Anzahl der entrichteten Beiträge noch
die Arbeitsunterbrechungen auswiesen, reichten diese Unterlagen zum Beweis, daß sie - wie bescheinigt - ununterbrochen zurückgelegt
worden sind, nicht aus. Ein Anspruch auf ungekürzte Anerkennung ergebe sich auch nicht aus dem am 7. Juli 1986 von der Beklagten
erteilten Feststellungsbescheid. Ein Bestandsschutz sei nur noch für die Fälle vorgesehen, in denen ein Anspruch auf Zahlung
einer Rente bereits vor dem 1. Juli 1990 entstanden sei oder noch entstehe. Ansonsten trete das neue Recht grundsätzlich an
die Stelle der bisherigen Bestimmungen, ohne daß ein besonderer Bestandsschutz geregelt worden sei.
Gegen dieses zum Zwecke der Zustellung an die Klägerin am 8. Februar 1994 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich deren
am 9. Februar 1994 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Berufung.
Zur Begründung trägt sie vor, sie verstehe nicht, daß sie die ersten in Polen zurückgelegten 14 Jahre vom 12. November 1960
bis zum 17. Mai 1984 nur mit 5/6 angerechnet bekomme, obwohl sie in ein und derselben Firma tätig gewesen sei und die letzten
10 Jahre mit 6/6 berechnet würden.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Januar 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom
17. August 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 1993 zu verurteilen, den im Versicherungsverlauf eingestellten
Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG im Zeitraum vom 1. Dezember 1949 bis zum 14. April 1984 ungekürzte Entgeltpunkte zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird Bezug genommen
auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten. Der wesentliche
Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, zu der die Klägerin nicht erschienen ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. September 1994 in der Sache verhandeln und eine Entscheidung
treffen, obwohl die Klägerin nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen ist. Denn alle Beteiligten sind rechtzeitig
und ordnungsgemäß geladen und dabei darauf hingewiesen worden, daß auch im Falle ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden
werden kann (§§
110,
124 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -). Im übrigen hat die Klägerin ausdrücklich erklärt, daß auch in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das angefochtene Urteil und die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind
zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ungekürzte Berücksichtigung der Entgeltpunkte für die in Polen zurückgelegten
Beschäftigungs- bzw. Beitragszeiten.
Gemäß §
149 Abs.
5 Satz 1 Sozialgesetzbuch - 6. Buch (
SGB VI) stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und
nicht bereits festgestellten Daten, die länger als 6 Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest. Diese Vorschrift ist
am 1. Januar 1992 in Kraft getreten und entspricht weitgehend dem zuvor geltenden Recht (§ 1325
RVO, § 104 RVG), so daß die zu diesen Rechtsvorschriften ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weiterhin zugrunde zu legen ist
(vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 1992 - 4 RA 34/91 m.w.N.). Dem Gebot der tatbestandsmäßigen Feststellung einer Beitrags-, Versicherungs-, Ersatz- oder Ausfallzeit steht das
Verbot gegenüber, schon vor der Feststellung einer Leistung über die Anrechnung und Bewertung der Zeit zu entscheiden (BSG, Urteil vom 21. März 1991 - 4/1 RA 35/90 = SozR 3-2200 § 1325
RVO Nr. 3). Demgemäß bestimmt §
149 Abs.
5 Satz 2
SGB VI (wie zuvor § 1325 Abs. 3 Satz 2
RVO, § 104 Abs. 3 Satz 2 AVG), daß über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten erst bei Feststellung einer Leistung
entschieden wird. Die Bescheide vom 7. Juli 1986 sowie vom 28. Oktober 1991, mit denen die im Versicherungsverlauf der Klägerin
enthaltenen Daten nach den seinerzeit gültigen Rechtsvorschriften festgestellt worden waren, enthalten einen entsprechenden
Vorbehalt, diese Bescheide können daher jederzeit aufgrund einer veränderten Rechtslage geändert werden. Ein Vertrauens- oder
Bestandsschutz wird hierdurch nicht begründet, ein solcher ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - nach Artikel
20 des Rentenreformgesetzes lediglich für Fälle vorgesehen, in denen ein Anspruch auf Zahlung einer Rente bereits vor dem
1. Juli 1990 entstanden ist oder evtl. noch entsteht.
Die angegriffenen Bescheide entsprechen auch den derzeitigen Rechtsvorschriften. Durch Artikel 20 Nr. 2 RRG 1992 (in Kraft getreten am 1. Januar 1990, Artikel 85 Abs. 5 RRG 1992) hat der Bundesgesetzgeber von diesem Zeitpunkt an Artikel 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA von 1975 vom 12. März 1976 mit Wirkung vom 1. Juli 1990 dahingehend geändert, daß
die nach polnischem Recht erheblichen Zeiten nur noch dann und insoweit angerechnet werden, wie dies nach dem unmittelbar
anzuwendenden FRG oder dem sonstigen bundesrepublikanischen Rentenversicherungsrecht möglich ist.
Aufgrund dieser gesetzlichen Änderung sind mit Wirkung ab dem 1. Juli 1990 auch die einschränkenden Regelungen des FRG auf Personen und Zeiten anzuwenden, die noch vom DPSVA von 1975 erfaßt werden, wie die Klägerin, die am 31. Dezember 1990
und seitdem fortlaufend in der Bundesrepublik gewohnt hat und deren Anwartschaften nach dem DPSVA von 1975 daher unberührt
geblieben sind (Artikel 27 DSPVA vom 8. Dezember 1990, Zustimmungsgesetz vom 18. Juni 1991 (BGBl. II vom 22. Juni 1991, S.
741)). Dies gilt auch für § 22 Abs. 3 FRG, wonach in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die
ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt werden. Diese Vorschrift ist für die vorliegend streitbefangenen, zwischen dem 1.
Dezember 1949 und dem 17. September 1974 zurückgelegten Beitragszeiten anzuwenden. Die Berücksichtigung dieser Beitragszeiten
erfolgt aufgrund von polnischen Arbeitsbescheinigungen. Sie sind daher nicht als nachgewiesen, sondern nur als glaubhaft gemacht
im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG anzusehen.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren
Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn
bei Würdigung der Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, daß sich der Vorgang so, wie er behauptet wird, zugetragen
hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz Verbleiben begründeter Zweifel letztlich mehr spricht als dagegen.
Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen
Tatsachen ein derart hoher an Gewißheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, daß sämtliche begründeten Zweifel
demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen zu schweigen haben (BSGE
6, 144).
Ausgehend von diesen Grundsätzen können die von der Klägerin behaupteten und im polnischen Arbeitsbuch eingetragenen Beitragszeiten
nur als glaubhaft gemacht, nicht aber als bewiesen angesehen werden. Hiernach steht lediglich fest, daß die Klägerin in Polen
zu bestimmten Zeiten in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und daß sie während dieser Zeiten grundsätzlich der Beitragspflicht
zur Rentenversicherung unterlag. Echte Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG können jedoch nur als bewiesen angesehen werden, soweit feststeht, daß für einen bestimmten Zeitraum auch tatsächlich Beiträge
entrichtet worden sind. Ausreichend ist dabei jedes irgendwie geartete Beitragsaufkommen, das auf die betreffenden Zeiten
zu beziehen ist (z.B. BSG vom 27. Mai 1970 - 11 RA 147/67). Nachgewiesen sind Beitragszeiten in diesem Sinne allerdings nicht bereits dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen
Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind. Vielmehr muß darüber hinausgehend auch feststehen, daß
währenddessen keine Ausfallzeittatbestände (krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit usw.) eingetreten sind,
die zu einer - wenn auch nur vorübergehenden - Unterbrechung der Beitragsentrichtung geführt haben könnten (BGSE 38, 80; Urteil
vom 24. Juli 1980 - 5 RJ 38/79).
Wenn Anfang und Ende einer Beschäftigungszeit genau bekannt sind, dann besteht zwar keine Vermutung dafür, daß zwischen beiden
Zeitpunkten irgendwelche Ausfallzeiten gelegen haben müssen. Das Fremdrentengesetz macht jedoch den Unterschied zwischen glaubhaft gemachten und nachgewiesenen Zeiten nach wie vor deshalb, weil es von der
Erfahrung ausgeht, daß Beschäftigungszeiten im allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Die Einfügung des (zwischenzeitlich
aufgehobenen) 2. Halbsatzes in § 19 Abs. 2 Satz 1 FRG a.F. im Jahre 1965 hat bestätigt, daß allein durch Nachweis des Anfangs- und Endtermins einer Beschäftigungszeit eine ununterbrochene
Beitragsentrichtung zwischen beiden Zeitpunkten nicht bewiesen werden kann. Nachgewiesen können Beitragszeiten angesichts
dessen nur dann sein, wenn das Gericht aufgrund konkreter und glaubhafter Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten
und der dazwischen liegenden Ausfallzeiten davon überzeugt ist, daß im Einzelfall eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere
Beitragsdichte erreicht worden ist (vgl. BSG vom 20. August 1974 - 4 RJ 241/73). Ein dementsprechender Nachweis könnte vor allem mit den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1993 genannten
Nachweisen (Kontoauszüge, Kontenblätter, Versicherungslegimitationen ab 1960 und Bestätigungen des polnischen Versicherungsträgers
über eine Beitragsleistung zu einem Sondersystem) geführt werden, im vorliegenden Fall kann jedoch bei verständiger Würdigung
aller Einzelumstände dieser Nachweis nicht als erbracht angesehen werden. Allein aufgrund der Eintragungen in dem polnischen
Legimitationsbuch der Klägerin und der sonstigen vorliegenden Bescheinigungen kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen
werden, daß die dort dokumentierten Beschäftigungszeiten zu mehr als 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Denn das polnische Legimitationsbuch
wurde erst am 18. September 1974 ausgestellt und enthält keine Zeiten der Unterbrechungen. Eine Beweisregel, daß bei nachgewiesenem
Beschäftigungsverhältnis auch die Beitragsentrichtung als nachgewiesen zu gelten habe, läßt sich insoweit nicht aufstellen
(BSG, Urteil vom 17. Dezember 1976 - 11a RA 59/85). Vielmehr erscheint es durchaus als möglich, daß in die bescheinigten Beschäftigungszeiten
während des streitbefangenen Zeitraums auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung gefallen
sind, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur polnischen Rentenversicherung zahlen mußte.
Gegenüber der früheren Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 1 FRG a.F., der eine zeitliche Kürzung von lediglich glaubhaft gemachten Zeiten um 1/6 vorsah, schreibt § 22 Abs. 3 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung eine Kürzung des Entgeltfaktors, d.h. der Entgeltpunkte vor, weil die Rentenberechnung
nach dem
SGB VI den bisherigen Berechnungsfaktor der Versicherungsjahre nicht mehr kennt. Die zeitliche Kürzung nicht nachgewiesener Beitrags-
oder Beschäftigungszeiten auf 5/6 ihres Umfangs ist deshalb durch eine wertmäßige Kürzung ersetzt worden. Nach den Gesetzesmaterialien
(BT-Drucks. 11/5530 S. 66) wird hierdurch - ungeachtet der rechtssystematischen Gründe - sichergestellt, daß eine Kürzung,
unabhängig von der Dauer des zu kürzenden Zeitraums, gleichmäßig wirkt und die bisher durch Rundung eingetretenen ungerechtfertigten
Besserstellungen gegenüber einheimischen Versicherten vermieden werden. Die Umstellung auf die Wertkürzung beseitige darüber
hinaus Probleme beim Zusammentreffen mehrerer Kürzungsvorschriften und mache komplizierte Ausnahmeregelungen bei der Gesamtleistungsbewertung
überflüssig. Es wird ferner betont, daß die Umstellung auf die Kürzung des Wertes auch verwaltungsvereinfachend sei und außerdem
ausgeschlossen werde, daß - wie nach bisherigem Recht - die Kürzungslücke zu einer häufig deutlichen Erhöhung der pauschalen
Ausfallzeit führe, die nicht beabsichtigt sei. Die endgültige Bewertung der streitbefangenen Zeiten ist jedoch sowohl nach
den gesetzlichen Vorschriften als auch den von der Beklagten erteilten Bescheiden über die Feststellung der zurückgelegten
Versicherungszeiten der endgültigen Leistungsberechnung bei Eintritt des Leistungsfalles vorbehalten.
Nach Auffassung des Senats bestehen gegenüber der Neuregelung des Artikel 2 Abs. 1 ZustG zum DPSVA vom 12. März 1976 hinsichtlich
der Anwendung von § 22 Abs. 3 FRG keine im Ergebnis durchgreifende verfassungsrechtlichen bzw. völkerrechtlichen Bedenken. Durch die Änderung des Artikel 2 Abs. 1 des ZustG zum DPSVA vom 12. März 1976 durch Artikel 20 des RRG 1992 hat der Bundesgesetzgeber zwar einseitig die Rechtsstellung der Berechtigten nach dem DPSVA von 1975 durch die Anordnung
der unmittelbaren und nicht mehr lediglich analogen Anwendung des FRG verschlechtert, da hierdurch (u.a.) auch die Kürzungsvorschrift des § 22 Abs. 3 FRG zur Anwendung kommt, insoweit hat er jedoch den mit der Volksrepublik Polen vereinbarten Vertragsinhalt nicht geändert. Nach
der im vorliegenden Zusammenhang entscheidenden abkommensrechtlichen Verpflichtung des Art. 4 Abs. 2 DPSVA von 1975 haben
die inländischen Rentenversicherungsträger bei Feststellung der Rente nach den für diese geltenden Vorschriften Versicherungszeiten,
Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet des ersten
Staates zurückgelegt worden wären. Die Einordnung polnischer Abkommenszeiten gemäß Art. 4 Abs. 2 DPSVA in das deutsche Rechtssystem
hat daher nach Maßgabe des inländischen Rentenversicherungsrechts zu erfolgen. Die deutschen Rentenversicherungsträger haben
festzulegen, ob die polnischen Zeiten vergleichbar sind mit Beitrags-, Ersatz- oder Ausfallzeiten bzw. mit beitragsfreien
Zeiten oder mit Berücksichtigungszeiten im Sinne von §
54 SGB VI (vgl. hierzu z.B. Baumgarten, DRV 1986, 475 ff.; Poletzky, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Volksrepublik Polen, 2. Aufl. 1990, S. 132). Darüber hinaus ist auch die leistungsrechtliche Bewertung polnischer
Abkommenszeiten nach innerstaatlichem Rentenversicherungsrecht vorzunehmen. Die fremdrentenrechtliche Differenzierung zwischen
nachgewiesenen und lediglich glaubhaft gemachten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten tangiert dabei nicht den Vertragsinhalt
des DPSVA. Insoweit ist zu berücksichtigen daß es nach inländischem Rentenversicherungsrecht für die Berücksichtigung von
Beitragszeiten nicht ausreicht, daß diese nur glaubhaft gemacht sind. Nachdem eine zeitliche Kürzung nicht mehr erfolgt, erscheint
es als dem deutschen Rentenversicherungsrecht obliegende Qualifizierung und leistungsrechtliche Bewertung der polnischen Abkommenszeiten,
wenn dem Umstand, daß in solchen (glaubhaft gemachten) Zeiten möglicherweise auch Zeiten enthalten sind, die nach deutschem
Rentenversicherungsrecht als Berücksichtigungszeiten oder gar beitragslose Zeiten zu behandeln wären, dadurch Rechnung getragen
wird, daß die Bewertung dieser Zeiten mit einer Kürzung um 1/6 erfolgt. Die Regelung des § 22 Abs. 3 FRG ist insgesamt als Einpassungsregelung zu verstehen, die (kollisionsrechtlich) dem berücksichtigenden Sozialrecht obliegt
(vgl. dazu Schuler, Das internationale Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1988, S. 543, 544). Ein Verstoß gegen den
nach Artikel
25 Satz 1 und
2 GG verbindlichen Rechtssatz des Völkerrechts, daß Verträge einzuhalten sind, liegt daher in der vorliegenden Fallgestaltung
des Artikel 20 RRG 1992 nicht vor, einer Vorlage an das BVerfG gemäß Art.
100 Abs.
1 GG bedurfte es daher nicht.
Die Berufung der Klägerin konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird gemäß §
160 Abs.
2 SGG zugelassen.