Übernahme der Nachzahlung aus der Schlussrechnung eines Energieversorgers im Rahmen von Grundsicherungsleistungen
Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch eine Warmwasserpauschale
Für die dezentrale Warmwassererzeugung tatsächlich anfallenden Aufwendungen
Gründe
Die gemäß §
172 Abs.
1 SGG zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung ihres
Klageverfahrens vor dem SG Köln.
1. Nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn er auf Grund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung und
Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht
besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Erfolgsaussichten
bestehen vor allem dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt
oder von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind (§
103 SGG), bevor die streitgegenständlichen Fragen abschließend beantwortet werden können (BVerfGE 81, 347, 356 ff.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
a) Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage von dem Beklagten die Übernahme der Nachzahlung aus der Schlussrechnung des Energieversorgers
C vom 08.01.2016 (904,75 EUR, Abrechnungszeitraum 01.01. bis 31.12.2015) bezüglich ihrer früheren, bis Ende 2015 bewohnten
Wohnung. Vor der Entscheidung in der Hauptsache sind von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen (§
103 SGG).
Die Schlussrechnung des Energieversorgers C vom 08.01.2016 enthält Nachforderungen für Strom und Gas.
aa) Soweit sich die Schlussrechnung des Energieversorgers C vom 08.01.2016 auf Strom bezieht, so umfasst der Regelbedarf zur
Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II u.a. Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile.
Bei der Erzeugung von Warmwasser ist danach zu differenzieren, ob dies zentral oder dezentral oder in einer Kombination aus
beidem (gemischte Warmwasserversorgung) geschieht. Wird das Warmwasser zentral, also über die Heizungsanlage bereitgestellt,
wird der Bedarf dafür über die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II erfasst. Wird das Warmwasser dagegen dezentral, also durch in der Unterkunft installierte eigene Vorrichtungen (regelmäßig
Durchlauferhitzer) erzeugt und werden deshalb insoweit keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt, wird ein Mehrbedarf nach Maßgabe des § 21 Abs. 7 SGB II gewährt.
Nach eigenem Vortrag der Klägerin erfolgte die Erzeugung von Warmwasser in ihrer früheren, bis zum 31.12.2015 bewohnten Wohnung
dezentral. Das Jobcenter P als bis dahin zuständiger Leistungsträger hatte der Klägerin - und ihren beiden Kindern - offenbar
deshalb auch einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 7 SGB II gewährt.
Der Mehrbedarf wird für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person als Pauschale nach Maßgabe des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II gewährt, soweit nicht - so § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II - im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht (1. Alternative) oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach §
22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird (2. Alternative).
Das BSG hat hierzu mit Urteil vom 07.12.2017 (B 14 AS 6/17 R) entschieden:
Tenor:
"Hiernach gelten ( ...) für die Anerkennung des Bedarfs bei dezentraler Warmwassererzeugung drei Bemessungsansätze: Erstens
die Bemessung nach den Warmwasserpauschalen des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II, zweitens die Bedarfsbestimmung bei einer teils dezentralen und teils zentralen Warmwassererzeugung nach der 2. Alternative
des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II (gemischte Warmwasserversorgung, ...) und drittens die Anerkennung eines (sonst) abweichenden Bedarfs nach der 1. Alternative
des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II (allgemeine Öffnungsklausel, ...).
Anspruch auf Berücksichtigung eines Warmwassermehrbedarfs über die Warmwasserpauschale hinaus besteht hiernach, soweit die
Aufwendungen für die Warmwassererzeugung durch die Warmwasserpauschale nicht vollständig gedeckt werden und sie nicht unangemessen
sind.
Maßgebend dafür, ob ein abweichender Bedarf im Sinne der 1. Alternative des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II besteht, sind die für die dezentrale Warmwassererzeugung tatsächlich anfallenden Aufwendungen. Keine Bedeutung hat hingegen
insoweit, ob besondere Lebensumstände wie ein krankheitsbedingt höherer Hygienebedarf oder das Alter der Anlage zur Warmwassererzeugung
abweichende Aufwendungen begründen können (so aber etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2017 - L 32 AS 2665/15 - juris RdNr 92 ff: abweichender Bedarf vornehmlich personenbezogen zu verstehen). Bereits im Verhältnis der Halbsätze 1
und 2 des § 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II kann sich die Abweichung ("soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht") ausschließlich auf den (Geld-)Betrag
der jeweiligen Warmwasserpauschale beziehen ("Der Mehrbedarf beträgt"), wie er sich aus den Prozentsätzen von § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II in Euro ergibt. Auch die mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführte Übergangsregelung stellt für eine etwaige Nachzahlung
darauf ab, ob Leistungen ohne Berücksichtigung "der tatsächlichen Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser" festgesetzt
wurden (vgl. § 77 Abs. 6 SGB II). Im Übrigen können die nach § 21 SGB II anzuerkennenden Mehrbedarfe im Hinblick auf § 19 Abs. 3 SGB II auch systematisch ausschließlich aufwandsbezogen zu verstehen sein, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
unter Berücksichtigung u.a. der Mehrbedarfe erbracht werden, soweit sie nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und
Vermögen gedeckt sind, die Aufwendungen also aus den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bestritten werden können.
Eine Abweichung nach der allgemeinen Öffnungsklausel des § 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 Alternative 1 SGB II liegt danach vor, soweit die tatsächlichen Aufwendungen für die dezentrale Warmwasserversorgung im jeweils maßgebenden Bewilligungszeitraum
höher (oder niedriger) als die im Einzelfall maßgebliche Warmwasserpauschale sind und nicht ein (Sonder-)Fall der gemischten
Warmwassererzeugung im Sinne der 2. Alternative des § 21 Abs 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II vorliegt" (BSG, a.a.O., juris Rn. 20-23).
Das SG wird dies aufzuklären haben. Die Anerkennung eines abweichenden Warmwassermehrbedarfs setzt keine separate Verbrauchserfassung
durch technische Einrichtungen wie z.B. einen Verbrauchszähler voraus (BSG, a.a.O., Rn. 25). Zur Art und Weise der Sachverhaltsaufklärung hat das BSG (a.a.O., Rn. 30 f.) folgendes ausgeführt:
"Dieser Ermittlung sind Gerichte und Verwaltungen nach der gesetzlichen Konzeption ( ...) auch nicht wegen der vom LSG aufgezeigten
Schwierigkeiten der Aufwandsbestimmung enthoben. Zutreffend ist zwar, dass ohne separate Verbrauchszähler kein präziser Anhalt
für den tatsächlichen Warmwasserverbrauch im Einzelfall besteht. Maßgeblich ist er aber wie dargelegt ohnehin nur in den Grenzen
des Angemessenen ( ...). Sofern keine Besonderheiten des Einzelfalls bestehen, wird deshalb dem Energieverbrauch regelmäßig
ein durchschnittlicher, als angemessen anzusehender Warmwasserverbrauch zu Grunde gelegt werden können. Dass Verwaltungen
und Gerichte ausgehend davon im Rahmen ihres Amtsermittlungsauftrags (§ 20 SGB X, §
103 SGG) unter Berücksichtigung des im Einzelfall erforderlichen Energieverbrauchs für die Warmwassererzeugung - dessen Ermittlung
auch vorliegend nach Einschätzung des LSG nicht unmöglich ist - und der jeweils maßgeblichen Energiekosten die zu ihrer Überzeugung
(vgl. §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG) im Einzelfall zu berücksichtigenden angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die dezentrale Warmwassererzeugung nicht
hinreichend bestimmen könnten, ist nicht zu erkennen.
Dass eine einzelfallbezogene Ermittlung hier trotzdem entbehrlich war, weil die Warmwasserpauschalen zur Deckung der Aufwendungen
für die dezentrale Warmwassererzeugung im Allgemeinen - von besonders gelagerten Umständen abgesehen - ausreichend bemessen
sind, vermag der Senat den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen."
bb) Soweit sich die Schlussrechnung des Energieversorgers C vom 08.01.2016 auf Gas bezieht, wird zu klären sein, ob ein ungedeckter
Bedarf (§ 22 Abs. 1 SGB II) oder Schulden (§ 22 Abs. 8 SGB II) insoweit überhaupt vorliegen. Denn der Beklagte hat hierzu vorgetragen, die an die Klägerin - und ihre beiden Kinder - im
Jahr 2015 durch das Jobcenter P gezahlten Abschlagszahlungen für Gas (1.176,00 EUR) seien höher gewesen als der in der Schlussrechnung
ausgewiesene tatsächliche Gasverbrauch für das Jahr 2015 (997,05 EUR).
cc) Zu Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die - wie hier der Fall - erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht
mehr bewohnt wird, hat das BSG mit Urteil vom 30.03.2017 (B 14 AS 13/16 R) seine bisherige Rechtsprechung hierzu weiterentwickelt und entschieden, dass diese Nebenkostennachforderungen (auch dann)
ein anzuerkennender Bedarf für Unterkunft und Heizung sind, wenn die leistungsberechtigte Person durchgehend von der tatsächlichen
Entstehung der Nachforderung bis zur deren Fälligkeit hilfebedürftig nach dem SGB II war und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs vorlag (BSG, a.a.O., juris Rn. 15).
Eine Zusicherung hinsichtlich des Umzuges hatte das Jobcenter P, versehentlich unter einem alten Datum ("23. Juli 2014"),
erteilt. Das SG wird zu entscheiden haben, ob es - in diesem konkreten Kontext - rechtserheblich ist, dass sich diese Zusicherung nach dem
letzten Vorbringen des Beklagten auf eine andere Wohnung in X bezogen hat ("U-gasse 00" statt "G-ring 00"). In seinem Vermerk
vom 04.03.2016 (Blatt 67 der Verwaltungsakte der Beklagten) hatte der Beklagte noch ausgeführt: "Dies dürfte nichts an der
Notwendigkeit eines Umzuges ändern. Als Grund für einen Umzug wurde seitens des Jobcenters P zum damaligen Zeitpunkt die "Aufnahme
eines Praktikums zur Anbahnung eines Ausbildungsverhältnisses ab 01.08.2016" benannt. Dies dürfte unabhängig von der tatsächlich
bezogenen Wohnung in X zu sehen sein."
b) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass sie die Kosten der Prozessführung nicht, auch nicht in Raten, selbst aufbringen
kann (§
73a SGG i.V.m. §
114 Abs.
1 Satz 1
ZPO).
2. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich (§
73a SGG i.V.m. §
121 Abs.
2 ZPO).
3. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§
73a SGG i.V.m. §
127 Abs.
4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).