Geltendmachung eines Krankengeldanspruchs im Eilverfahren
Begriff der Krankheit
Anordnungsgrund grundsätzlich nur für zukünftige Leistungen
1. Ist eine Krankheit behandlungsbedürftig, bedingt dies allein nicht automatisch eine Arbeitsunfähigkeit.
2. In einem Eilverfahren muss der Anordnungsgrund zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet, vorliegen;
im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
3. Im Anordnungsgrund ist ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft
entfalten kann.
4. Für bereits vergangene Zeiträume ist das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache dem Rechtsschutzsuchenden
in aller Regel zumutbar.
Gründe
1. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht
abgewiesen.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt
das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller
das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind in erster Linie
die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass
ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht
zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER -, 08.07.2013 - L 11 KR 536/12 B ER -, 25.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER - und 29.06.2011 - L 11 KA 2/11 B ER - ).
Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsanspruch (dazu a) noch einen Anordnungsgrund (dazu b) glaubhaft gemacht.
a) Gemäß §
44 Abs.
1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig
macht. Dabei ist für den geltend gemachten Krankengeldanspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen,
hier also an §
46 Satz 1 Nr.
2 SGB V für die nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V Versicherten. Danach ist die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit Anspruchsvoraussetzung.
Der Antragsteller hat ärztliche Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit lediglich für die Zeiträume 16.10.2017 bis voraussichtlich
03.11.2017, 16.11.2017 bis voraussichtlich 08.12.2017, 11.12.2017 bis voraussichtlich 02.01.2018, 02.01.2018 bis voraussichtlich
23.01.2018 und 23.01.2018 bis voraussichtlich 06.02.2018 vorgelegt. Dass für nachfolgende Zeiträume Arbeitsunfähigkeit ärztlich
festgestellt worden sei und damit aktuell ein Anspruch auf Krankengeld bestehen könnte, hat er weder vorgetragen noch glaubhaft
gemacht. Allein die Behandlungsbedürftigkeit einer Erkrankung bedingt keine Arbeitsunfähigkeit. Auch aus den vom Sozialgericht
eingeholten Befundberichten ergibt sich nichts Abweichendes. Der Facharzt für Allgemeinmedizin T hat im Befundbericht vom
16.01.2018 angegeben, nur vom 10.10.2017 bis 15.10.2017 eine Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers festgestellt zu haben.
Im Folgenden war er bei diesem Arzt nicht mehr vorstellig. Im Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie des St. B Hospitals
Herne ist laut Befundbericht des dort tätigen Dr. N vom 13.01.2018 keine Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers festgestellt
worden. Aus dem Befundbericht von Dr. C vom 19.01.2018 ergibt sich nur eine ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit
bis zum 01.02.2018.
Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise eine ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit entbehrlich
ist (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 -), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem
Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches
im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über
einen zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (Senat, Beschluss vom 19.07.2017 - L 11 KR 170/17 B ER -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.02.2008 - L 26 B 2321/07 AS ER -; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.06.2005 - L 11 B 218/05 AS ER -; Frehse in Jansen,
Sozialgerichtsgesetz, 4. Auflage 2012, §
86b Rn. 101).
Einen derzeit bestehenden Anordnungsgrund hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Nach eigenem Vortrag bezieht er seit
dem 01.01.2018 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auch wenn die Möglichkeit eines Versicherten, Arbeitslosengeld II zu beantragen, einen Anordnungsgrund nicht ohne weiteres
ausschließt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.02.2013 - L 16 KR 60/13 B ER - m.w.N.), ist es dem Antragsteller hier im Hinblick auf das nach Aktenlage wenig wahrscheinliche Bestehen eines Anspruchs
einerseits und die auch unabhängig vom Krankengeldbezug erforderliche tatsächliche Sicherung seines Unterhalts durch Leistungen
nach dem SGB II ("Aufstockung") andererseits zumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Dies gilt umso mehr, als bei Zuerkennung des begehrten Krankengeldes im einstweiligen Rechtsschutz die Ansprüche nach dem
SGB II (teilweise) entfallen würden und der Antragsteller der Gefahr ausgesetzt wäre, bei einem Unterliegen im Hauptsacheverfahren
das bezogene Krankengeld möglicherweise ohne entsprechende Ausgleichsansprüche erstatten zu müssen. Daher überwiegen seine
Interessen an einer vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin deren Belange nicht, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint,
seinem Antrag statt zu geben.
Für einen Ausnahmefall, in dem das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren
der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich nicht oder nicht hinreichend
rückgängig machen lassen, hat der Antragsteller nichts vorgetragen.
2. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach §
73 a SGG i.V.m. §
144 Zivilprozessordnung sind (noch) nicht glaubhaft gemacht. Darüber hinaus ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, weil
die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
3.
Diese Beschlüsse ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).