Erledigung vor Klageerhebung - allgemeine Feststellungsklage; Fortsetzungsfeststellungsklage; Sozialgerichtliches Verfahren;
Untätigkeitsklage; Verweisung
Gründe:
I.
Der Kläger hatte gegen den beklagten Sozialhilfeträger eine Untätigkeitsklage erhoben. Dieses in der Berufungsinstanz unter
dem Az. L 8 SO 109/11 geführte Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats am 18.09.2013 durch angenommenes
Anerkenntnis beendet. Daraufhin erließ der Beklagte am 08.10.2013 einen Bescheid.
Am 10.03.2014 hat der Kläger beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) zum Az. L 8 SO 109/11 beantragt,
"das LSG möge in der Fortsetzungsfeststellungsklage (FFK) entspr. §
131 (1) S. 3
SGG i.V. §
113 (1) S. 4
VwGO feststellen,
die Weigerung/Unterlassung der Behörde (über den Antrag vom 27.09.2007 in den Jahren 2007, 2008, 2009 bis 2013 nicht zu entscheiden)
war rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt analog §
113 Abs.
5 i.V. Abs.
1 Satz 4
VwGO".
II.
Für die mit diesem Antrag erhobene neue Klage ist das LSG funktionell unzuständig.
Gemäß §
98 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
17a Abs.
2 Satz 1
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) ist der Rechtsstreit bei sachlicher Unzuständigkeit nach vorheriger Anhörung an das zuständige Gericht zu verweisen. Diese
Vorschriften sind jedenfalls entsprechend auch bei nicht gegebener funktioneller (instanzieller) Zuständigkeit anzuwenden
(vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss von 15.03.2006 - L 1 B 77/06 KR ER - juris RdNr. 1; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2010 - L 7 AS 191/10 KL - juris RdNr. 1; Thüringer LSG, Beschluss vom 21.05.2012 - L 10 AL 41/10 - juris RdNr. 2; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl., §
98 RdNr. 2).
Mit dem Antrag vom 10.03.2014 hat der Kläger eine neue Klage erhoben. Das Verfahren L 8 SO 109/11, auf das sich der Kläger
in diesem Antrag bezieht, ist bereits am 18.09.2013 beendet worden. Dieses Verfahren kann nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage
(§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG) fortgeführt werden. Zwar ist bei Untätigkeitsklagen der Erlass des Verwaltungsakts das erledigende Ereignis, welches entsprechend
§
131 Abs.
1 Satz 3
SGG den Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage ermöglicht (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 08.12.1993 - 14a RKa
1/93 - juris RdNr. 13 ff.). Dies setzt aber voraus, dass bei Erlass des Verwaltungsakts überhaupt noch ein (Untätigkeits-)Klageverfahren
rechtshängig ist. Denn andernfalls vermag der Erlass des Verwaltungsakts die Untätigkeitsklage nicht (mehr) zu erledigen und
kann von der Fortsetzung derselben Klage mit geändertem Antrag nicht die Rede sein. Vorliegend hat der Beklagte dem vom Kläger
mit der Untätigkeitsklage im Verfahren L 8 SO 109/11 geltend gemachten Anspruch auf Verbescheidung seines Sozialhilfeantrags
durch Erlass des Bescheides vom 08.10.2013 entsprochen. Der Rechtsstreit L 8 SO 109/11 war allerdings bereits in der mündlichen
Verhandlung vom 18.09.2013 durch angenommenes Anerkenntnis in der Hauptsache erledigt worden (§
101 Abs.
2 SGG). Er war damit zum Zeitpunkt des an sich als erledigendes Ereignis in Betracht kommenden Verwaltungsakterlasses bereits endgültig
abgeschlossen. Eine nochmalige Erledigung des bereits beendeten gerichtlichen Verfahrens durch Erlass des Bescheides vom 08.10.2013
ist damit schon begrifflich nicht möglich. Eine Umstellung des Klageantrages aus dem bereits endgültig abgeschlossenen Rechtsstreit
L 8 SO 109/11 in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist ausgeschlossen. Der Antrag vom 10.03.2014 ist daher als neue (Feststellungs-)Klage
zu werten.
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei Erledigung des Verwaltungsaktes vor Klageerhebung (vgl. BSG, Urteil vom 14.11.2013 - B 9 SB 5/12 R - juris RdNr. 25; Urteil vom 12.03.2013 - B 1 A 2/12 R - juris RdNr. 13; Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - juris RdNr. 12; Urteil vom 27.06.2001 - B 6 KA 7/00 R - juris RdNr. 21). Zwar sieht das BSG in dieser Fallkonstellation die Fortsetzungsfeststellungsklage als statthaft an, obwohl kein Klageverfahren im begrifflichen
Sinne fortgesetzt wird. Daraus folgt aber für den vorliegenden Fall nichts. Denn zum einen ist hier das als Erledigung in
Betracht kommende Ereignis (Verwaltungsakterlass) nicht vor Klageerhebung, sondern erst nach Abschluss des Klageverfahrens
eingetreten. Zum anderen dient die Rechtsprechung des BSG vor allem dazu, die besonderen Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellunginteresse (vgl. dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
131 RdNr. 10 ff.) auch in den Fallkonstellationen zur Geltung zu bringen, in denen sich ein Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung
erledigt hat. Dies wäre auch möglich, wenn solche Klagen als allgemeine Feststellungsklagen behandelt würden, was durchaus
nahe liegt (so Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7/98 - juris RdNr. 22). Keineswegs bezweckt die Rechtsprechung aber, dass ein bereits endgültig abgeschlossenes gerichtliches
Verfahren mit der Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden kann.
Hat der Kläger also mit seinem Antrag vom 10.03.2014 eine neue (Feststellungs-)Klage erhoben, ist das LSG dafür funktionell
unzuständig. Denn bei dem neuen Klageverfahren handelt es sich weder um ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren (§
29 Abs.
1 SGG) noch liegt ein Fall einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des LSG vor (§
29 Abs.
2 SGG).
Die Beteiligten sind vor der Verweisung angehört worden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
98 Satz 2
SGG i.V.m. §
17a Abs.
2 Satz 1
GVG, §
177 SGG).