Zulässigkeit der Androhung von Ordnungsgeld bzw -haft beim Erlass einer Unterlassungsverfügung
Gründe:
I. Der begehrten einstweiligen Anordnung liegt die zwischen den Beteiligten in Streit stehende Verpflichtung der Antragsgegnerin
zugrunde, Informationen ihrer Mitglieder über die Inanspruchnahme einer Versandapotheke zu unterlassen.
Mit Schreiben von Mai 2006 teilte die Antragsgegnerin einer unbekannten Anzahl ihrer Mitglieder unter der Überschrift "Arzneimittel
bequem, sicher und preiswert bestellen" u. a. Folgendes mit: "...Deshalb haben wir mit unserem Partner, der E. A. V. für Sie
attraktive Vorteile vereinbart. Mit dem Bonussystem der E. A. V. sparen Sie bei jeder Bestellung, etwa bei einem verschreibungspflichtigen
Medikament auf Kassenrezept mindestens 2,50 EUR und maximal 15,00 EUR. Sie erhalten diesen Bonus auch, wenn Sie von der Zuzahlung
befreit sind. Damit können Sie ihre finanziellen Belastungen für Medikamente deutlich reduzieren ...Selbstverständlich stehen
Ihnen auch weiterhin die Apotheken vor Ort zur Verfügung ..." Dem Schreiben war eine Informationsbroschüre der E. A. V. beigefügt.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2006, forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag
(AHLV) erfolglos zur Unterlassung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Diese ist Vertragspartner
des am 1. September 2003 in Kraft getretenen und zwischen ihm und den Primärkassen, darunter auch dem BKK Landesverband Ost,
abgeschlossenen AHLV.
Im Juni 2008 versandte die Antragsgegnerin wiederum an eine unbekannte Anzahl ihrer Mitglieder Werbebroschüren der niederländischen
Versandapotheke E. A. V.und warb in einem Begleitschreiben unter der Überschrift "Die Dreifach-Garantie der E. A. V.: günstig,
sicher und bequem" u. a. für einen "persönlichen Bonus", den die Versicherten bei dieser Apotheke auf zuzahlungspflichtige
Arzneimittel sowie frei verkäufliche Produkte erhalten. Auf den Inhalt des Schreibens vom 9. Juni 2008 und der Werbebroschüre
(Bl. 5 bis 7 der Akte des Sozialgerichts Gotha, Az.: S 3 KR 3089/08 ER) wird Bezug genommen.
Mit seiner am 26. September 2006 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobenen Klage hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Beeinflussung ihrer Versicherten zu Gunsten
einer bestimmten Apotheke, z.B. der E. A. V., begehrt und sich zur Begründung auf Ziffer 2.2 des AHLV, wonach die Versicherten
weder von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen noch von den Krankenkassen zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten
beeinflusst werden dürften, berufen. Das SG hat die Antragsgegnerin mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 10. März
2009 verurteilt, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR für jede Zuwiderhandlung "zu unterlassen,
ihre Versicherten zu beeinflussen, Medikamente in einer bestimmten, namentlich genannten Apotheke, z. B. der E. A. V., zu
bestellen, insbesondere wenn dies geschieht wie in dem beigefügten Schreiben (mit Anlagen) an eine Versicherte vom Mai 2006".
Den Streitwert hat es auf 100.000,- Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller
könne von der Antragsgegnerin die Abgabe der begehrten Unterlassungserklärung verlangen. Dies ergebe sich aus Ziffer 2.2 des
AHLV. Danach dürften die Versicherten oder Vertragsärzte weder von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen noch von den
Krankenkassen zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten beeinflusst werden. Die Schreiben der Antragsgegnerin widersprächen
dem in dieser Ziffer des AHLV vereinbarten Wettbewerbsverbot. Mit diesen Schreiben an ihre Versicherten weise die Antragsgegnerin
diese auf finanzielle Vorteile hin, die ihnen entstünden, wenn sie ihre Medikamente über der E. A. V. bezögen. Darin sei eine
Beeinflussung der Versicherten zu sehen. Demgegenüber falle der Hinweis am Ende der Schreiben, dass auch weiterhin die Apotheken
vor Ort genutzt werden könnten, trotz des Fettdrucks nicht ins Gewicht, denn die Vorteile, die beim Bezug von Medikamenten
über die E. A. V. bestünden, würden zuvor auf einer Seite dargestellt und es sei außerdem eine Informationsbroschüre zur Preisgestaltung
und zu den Bestellmodalitäten bzgl. der E. A. V. beigefügt worden. Die Mitglieder des Antragstellers seien auch schutzwürdig.
Es komme nicht darauf an, ob die Apotheke, auf die die Versicherten hingewiesen würden, in den Schutzbereich des Vertrages
falle. Entscheidend sei, dass nach Sinn und Zweck der Vereinbarung die Vertragspartner vor Beeinflussung zugunsten anderer
Anbieter geschützt würden. Auch im Hinblick auf die für die Antragsgegnerin als gesetzliche Krankenkasse bestehenden Auskunfts-
und Beratungspflichten nach den §§ 13ff. des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I) sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot nach §
12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V) ergebe sich keine andere Beurteilung. Eine Verpflichtung der Krankenkasse, ihre Versicherten über namentlich zu benennende
Leistungserbringer zu informieren, sehe das Gesetz nicht vor. Die Schreiben der Antragsgegnerin gingen über die allgemeine
Information, dass die Möglichkeit bestehe, Medikamente auch über den Versandhandel zu beziehen, hinaus, indem hier eine Apotheke
namentlich benannt und die Vorteile des Bezugs über diese Apotheke beschrieben werde. Die begehrte Unterlassung sei auch bezüglich
einer Wiederholungsgefahr begründet, wie das Schreiben der Antragsgegnerin an einen Versicherten aus dem Jahr 2008 zeige.
Schließlich sei im Hinblick auf die Tragweite der vorliegenden Entscheidung für den Antragsteller bzw. der zu erwartenden
Umsatzeinbußen zugunsten der E. A. V. nicht die Annahme des Regelstreitwerts, sondern die Annahme eines in wettbewerbsrechtlichen
Angelegenheiten üblichen Streitwertes von 100.000,- Euro angemessen.
Mit bereits am 4. Juli 2008 beim SG eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller unter Hinweis auf das genannte Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. Juni
2008 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Das SG hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit Verfügung vom 22. April 2009 an den erkennenden Senat abgegeben, nachdem die
Antragsgegnerin am 25. Februar 2009 Berufung (Az.: L 6 KR 151/09) gegen den Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009 eingelegt hat.
Der Antragsteller macht geltend, die Anschreiben der Beklagten an ihre Versicherten und das Anpreisen der E. A. V. stellten
eine massive Beeinflussung der Versicherten dar. Eine Rechtfertigung für diese Bevorzugung einer einzelnen Versandapotheke
gebe es nicht. Ein Unterlassungsanspruch folge als allgemeiner Abwehranspruch aus den Artikeln 12 und 3 des Grundgesetzes.
Durch diese Artikel sei auch das Recht der Apotheker auf freie Berufsausübung im Wettbewerb geschützt. Die Antragsgegnerin
sei vergeblich zur Unterlassung aufgefordert worden. Sie habe es abgelehnt, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Es komme
dabei nicht darauf an, ob, wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 28. Juli 2008 (Az.: B 1 KR 4/08 R) entschieden habe, die Arzneimittelpreisverordnung für ausländische Apotheken nicht gelte. Auch sei die Antragsgegnerin an
die Bestimmungen des AHLV gebunden, da sie als Mitglied des BKK-Bundesverbandes auch Vertragspartner des u.a. von diesem abgeschlossenen
Rahmenvertrages nach §
129 Abs.
2 SGB V sei. Dieser Rahmenvertrag bestimme in seinem §
2 Abs.
4, dass, soweit wie hier ergänzende Verträge nach §
129 Abs.
5 SGB V abgeschlossen worden seien, der für den Sitz der Apotheke maßgebende Vertrag anzuwenden sei. Die vorherige Anrufung eines
nach dem AHLV zu errichtenden Vertragsausschusses sei nicht zwingend vorgeschrieben. Für die Bemessung des wirtschaftlichen
Nachteils, der seinen Mitgliedern durch die beanstandete Werbung entstehen könnte, liefere der von den Versandapotheken erstrebte
Anteil am Arzneimittelumsatz der Apotheken in Höhe von 8 bis 10 v. H., was einem Umsatz von rund drei Milliarden Euro entspreche,
Anhaltspunkte. Damit könne ein wesentlicher Nachteil angenommen werden. Eine Beschränkung der einstweiligen Anordnung auf
Thüringen sei nicht sachgerecht, da dies zu Problemen bei der Anwendung auf Internet-Werbung führe und zudem das Verbot der
Beeinflussung nach dem AHLV keine solche Beschränkung vorsehe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro für
jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem vertretungsberechtigten
Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ihre Mitglieder, insbesondere durch schriftliche
Werbung wie im Schreiben vom 9. Juni 2008, dahingehend zu beeinflussen, dass diese ihre zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten
Medikamente über die E. A. V. beziehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie bestreitet einen Verstoß gegen Ziffer 2.2 AHLV und ist der Auffassung, dass ein Verstoß gegen diese Vereinbarung überhaupt
nicht möglich sei. Sie könne mit ihrem Verhalten nicht gegen Ziffer 2.2 AHLV verstoßen, da diese Vorschriften nur die öffentlichen
Apotheken schütze, die eine Betriebserlaubnis in Thüringen hätten und deren Leiter Mitglied des Klägers sei. Auf öffentliche
Apotheken, deren Leiter weder dem Antragsteller angehörten, noch dem Vertrag beigetreten seien, habe der Vertrag keine Rechtswirkung.
Die E. A. V. gehöre nicht zu dem vom AHLV geschützten Personenkreis, so dass eine Versicherteninformation der Antragsgegnerin
zugunsten dieser Apotheke auch keinen Verstoß gegen Ziffer 2.2 AHLV begründen könne. Jedenfalls habe sie keine Beeinflussung
im Sinne dieser Vorschrift vorgenommen. Eine Beeinflussung setze vom Wortsinn nach voraus, dass die Einfluss nehmende Person
einseitig und willkürlich auf einen Dritten positiv wie negativ einwirken könne, wenn dieser der "Beeinflussung" nicht Folge
leiste. Eine Beeinflussung liege dann vor, wenn eine Person durch die Gewährung einer Prämie, finanzieller oder materieller
Vorteile in seiner Kaufentscheidung beeinflusst werden solle. Sie nehme durch ihr bloßes Informationsschreiben keinen derartigen
Einfluss auf ihre Versicherten. Sie informiere - wie es ihre Aufgabe sei - ihre Versicherten über das Leistungsspektrum und
die Möglichkeiten der Inanspruchnahme. Ein Ausschluss von deutschen Apotheken bei der Belieferung sei weder beabsichtigt noch
gewünscht. Das Informationsschreiben enthalte den klaren Hinweis, dass den Versicherten selbstverständlich auch weiterhin
die Apotheken vor Ort zur Verfügung stünden. Sie habe mit der E. A. V. eine vertraglich Vereinbarung nach §§ 53 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geschlossen. Deshalb müsse es ihr auch möglich sein auf diesen Vertragspartner hinzuweisen. Zwischen ihr und den Mitgliedern
des Antragstellers bestehe zudem keine für die Entscheidung relevante Wettbewerbssituation. Außerdem sei sie zwar originäre
Gesellschafterin des BKK-Bundesverbandes, jedoch nicht Vertragspartei des AHLV. Schließlich fehle es an dem Erfordernis, dass
die einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötige erscheine. Dies sei vom Antragsteller nicht glaubhaft
gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Hauptsacheverfahren
(Az.: L 6 KR 151/09) Bezug genommen.
II. Der zulässige Antrag des Antragstellers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Er hat einen Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung dergestalt, dass der Antragsgegnerin im Wege der Sicherungsanordnung
i.S.d. §
86b Abs.
2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr ihre Mitglieder durch schriftliche Werbung wie im Schreiben vom 9. Juni 2008 dahingehend
zu beeinflussen, dass diese ihre zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Medikamente über die E. A. V. beziehen. Diese Untersagung
ist auf die schriftliche Werbung gegenüber den im Freistaat Thüringen wohnhaften Mitgliedern der Antragsgegnerin zu beschränken.
Zum einen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, beim Erlass einer - wie hier - Unterlassungsverfügung, auf den entsprechenden
Antrag des Antragstellers hin Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft nach §
86b Abs. Satz 4
SGG i.V.m. §§
928,
890 Abs.
1 und
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) anzudrohen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Auflage 2008, Rdnr. 46a zu §
86b m.w.N., Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., Rdnr. 2b zu § 201 m.w.N.).
Zum anderen liegt auch ein Anordnungsanspruch vor. Zur Begründung nimmt der Senat entsprechend §
153 Abs.
2 i.V.m. §
136 Abs.
3 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009 Bezug. Klarstellend wird auf Folgendes hingewiesen:
Der Einwand, die Antragsgegnerin sei an die Regelungen des zwischen dem Antragsteller und den Landesverbänden der Krankenkassen
geschlossenen Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrags nicht gebunden, weil sie weder unmittelbar am Vertragsschluss beteiligt
noch Mitglied eines der vertragsschließenden Landesverbände gewesen sei, überzeugt nicht. Verträge auf Landesebene begründen
eine vertragliche Verpflichtung der Krankenkasse auch in solchen Fällen, in denen die Krankenkasse weder unmittelbar noch
- weil sie ihren Sitz in einem anderen Bundesland hat - als Mitglied eines der vertragsschließenden Verbände am Vertragsschluss
beteiligt war, der Kassenart nach jedoch einem der vertragsschließenden Verbände entspricht (vgl. Bundessozialgericht (BSG),
Urteil vom 17. Januar 1996 - Az.: 3 RK 26/94 = BSGE 77, 194; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Juni 2009 - Az.: L 5 KR 57/09 B ER, nach juris). Dies ist ausweislich Ziffer 1.2 Abs. 1 des AHLV ausdrücklich der Fall: Die Antragsgegnerin ist zwar nicht
Mitglied des BKK-Landesverbandes Ost, der Vertrag hat jedoch auf sie, als Betriebskrankenkasse mit Sitz außerhalb Thüringens,
"Rechtswirkung". Letztlich räumt sie dies selbst ein.
Ihren weiteren Einwand, für das in Ziffer 2.2 AHLV normierte Beeinflussungsverbot habe den vertragsschließenden Parteien das
Regelungsmandat gefehlt, dies hätte vielmehr im Rahmenvertrag gemäß §
129 Abs.
2 SGB V geregelt werden müssen, kann der Senat nicht nachvollziehen. Im Gesetzeswortlaut findet diese Auslegung keine Stütze, insbesondere
folgt dies nicht aus dem Umstand, dass nach §
129 Abs.
4 SGB V im Rahmenvertrag Sanktionsbestimmungen, betreffend Verstöße gegen gesetzliche Verpflichtungen, sowie die sich aus den abgeschlossenen
Verträgen nach Absatz 1 und 5 ergebenden Verpflichtungen, zu regeln sind. Dies setzt gerade voraus, dass auch im ergänzenden
Vertrag nach §
129 Abs.
5 SGB V, hier dem AHLV, Verpflichtungen geregelt werden können. Und nachdem der Rahmenvertrag kein solches Beeinflussungsverbot enthält,
bestehen für den Senat keinerlei rechtliche Bedenken, ein solches Verbot im ergänzenden Vertrag, hier also dem AHLV, zu normieren.
Ob darüber hinaus die E. A. V. nicht zu dem vom AHLV geschützten Personenkreis gehört, mit der Folge dass eine Versicherteninformation
nach Ansicht der Antragsgegnerin zugunsten dieser Apotheke auch keinen Verstoß gegen Ziffer 2.2 AHLV begründen könne, kann
dahin stehen, denn jedenfalls gehört der Antragsteller und dessen Mitglieder zu dem vom AHLV geschützten Personenkreis. Zudem
besteht nach Überzeugung des Senats sehr wohl eine Wettbewerbssituation zwischen der E. A. V. und den Mitgliedern des Antragstellers,
da sich deren Geschäftsfelder zumindest teilweise decken. Auf den Umstand, das die E. A. V. als ausländische Apotheke aufgrund
gesetzlicher Bestimmungen befugt sei, "anders am Markt" zu agieren, kommt es dabei nicht an, denn dies beseitigt nicht die
grundsätzliche Wettbewerberstellung und ist außerdem nicht Gegenstand der begehrten einstweiligen Anordnung.
Letztlich stellen die Schreiben der Antragsgegnerin vom Mai 2006 und 9. Juni 2008 und die Übersendung der Werbebroschüre samt
Freiumschlag, wie die Vorinstanz im Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, eine Beeinflussung der Versicherten der Antragsgegnerin
dar. Die Grenze der sachlichen und neutralen Information wird hierdurch auch nach Überzeugung des Senats überschritten, insbesondere
hat der Hinweis auf das Bonussystem Anlockwirkung. Die Übersendung der Broschüre und der Freiumschläge unterstreichen das
Vorliegen einer Beeinflussung im Sinne der Ziffer 2.2 des AHLV, denn hierin ist keinerlei Informationswert zu erkennen, vielmehr
handelt es sich dabei um eine unzulässige Werbemaßnahme. Bestätigt wird dies außerdem dadurch, dass z.B. im Schreiben vom
9. Juni 2008 im Fettdruck darauf hingewiesen wird, dass für freiverkäufliche Produkte ein "Bonus zwischen 10% und bis zu 40%
auf den vom Hersteller empfohlenen Verkaufspreis" gewährt werde. Freiverkäufliche Arzneimittel fallen jedoch nicht in die
Sachleistungspflicht der Krankenkassen, so dass hierin unzweifelhaft eine unzulässige Werbemaßnahme zugunsten der E. A. V.
zu sehen ist.
Schließlich besteht auch ein Anordnungsgrund. Wird, wie hier, der Erlass einer Sicherungsanordnung i.S.d. §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG begehrt, so ist ein Anordnungsgrund immer dann gegeben, wenn die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung
durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes droht, wobei Tatsachen vorliegen müssen die auf eine unmittelbar bevorstehende
Veränderung schließen lassen (sogenannte konkrete und objektive Gefahr; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO.,
Rdnr. 27a zu § 86b). Dies ist hier der Fall, denn die Antragsgegnerin versucht mit ihren unzulässigen Werbemaßnahmen das (Markt-)Verhalten
ihrer Versicherten zu Lasten der Mitglieder des Antragsgegners dauerhaft zu beeinflussen und damit vollendete Tatsachen zu
schaffen, die auch durch den Erfolg einer Unterlassungsklage nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Unerheblich ist
dabei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller keine ausreichenden Angaben zum Umfang der zu erwartenden
wirtschaftlichen Einbußen seiner Mitglieder machen könne, da dies lediglich bei der Bestimmung des wesentlichen Nachteils
im Rahmen der Prüfung einer Regelungsanordnung i.S.d. §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG von Bedeutung wäre.
Allerdings hält es der Senat für geboten, den Geltungsumfang der einstweiligen Anordnung auf die im Freistaat Thüringen wohnhaften
Mitglieder der Antragsgegnerin zu beschränken und dementsprechend den weitergehenden Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass wirtschaftliche Nachteile dadurch drohen sollten, dass Versicherte außerhalb des Einzugsbereichs
der Mitglieder des Antragstellers künftig Arzneimittel über die Versandapotheke bestellen könnten. Selbst wenn der Umsatz
in einzelnen Fällen hierdurch betroffen sein könnte, hält der Senat eine Begrenzung der Untersagungsverfügung im Wege der
Einstweiligen Anordnung auf im Freistaat Thüringen wohnhafte Versicherte für sachgerecht. Auch hinsichtlich des Hinweises
des Antragstellers auf gegebenenfalls erfolgende Internet-Werbung der Antragsgegnerin ist es dem Antragsteller zumutbar, das
Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §§
154 Abs.
1,
155 Abs.
1 Satz 3 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Dabei waren die Kosten der Antragsgegnerin ganz aufzuerlegen, da der Antragsteller nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen
ist.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §
197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der Senat richtet sich dabei nach der Empfehlung des Streitwertkataloges für die Sozialgerichtsbarkeit, Stand 1. April
2009 (z.B. in NZS 2009, S. 427ff.), der für Streitigkeiten im Krankenversicherungsrecht, Mitgliederwerbung betreffend, den
Auffangstreitwert vorschlägt, da das wirtschaftliche Interesse nicht beziffert werden könne. Dies erachtet der Senat entsprechend
auch auf den vorliegenden Fall der Unterlassung unzulässiger Beeinflussung für maßgebend. Insbesondere bietet der Sach- und
Streitstand keinerlei Anhaltspunkte für eine objektive wertmäßige Bemessung der befürchteten Umsatzeinbußen der Mitglieder
des Antragstellers. Auch ein Rückgriff auf den in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten üblichen Streitwert scheidet hier
aus, da zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller bzw. dessen Mitgliedern keine wettbewerbsrechtliche Beziehung besteht.
Eine Reduktion des Auffangwertes wegen der Vorläufigkeit der Einstweiligen Anordnung unterbleibt im vorliegenden Falle, da
sie in ihren Wirkungen die Hauptsacheentscheidung vorweg nimmt und für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig gemacht werden
könnte.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG; §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).