OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.1986 - 9 WF 161/86
d-e. Unzumutbarkeit der Verwertung des Guthabens aus einem Ratensparvertrag unter unverhältnismäßig hohen Zinsverlusten vor Ende der Laufzeit;
(e) Zumutbarkeit der Anordnung einer Verwertung nach Vertragsende.
Fundstellen: DRsp IV(409)232d-e, FamRZ 1986, 1123
Normenkette:
BSHG § 88 Abs.2 ,Abs.3 , Abs.4
,
ZPO § 114, § 115 Abs.2, § 125
(d) »... [Die AntrG. muß] als arm i. S. der §§ 114, 115 ZPO gelten. Sie verfügt allerdings über Ersparnisse, die Ende Dezember 1985 rund 5 600 DM betrugen. Diese braucht sie aber gemäß §§ 115 Abs. 2 ZPO, 88 Abs. 2-4 BSHG nicht uneingeschränkt zur Bestreitung der Prozeßkosten einzusetzen. Die AntrG. hat ihr Sparguthaben im Rahmen eines Ratensparvertrages angesammelt. Zum Vertragsende wird auf das Guthaben ein Bonus von 14 % gezahlt. Dieser Vorteil ginge verloren, wenn die AntrG. den bis zum 31. 7. 1988 laufenden Sparvertrag vorzeitig kündigen müßte. Das ist ihr nicht zuzumuten. Schon der Zweck der Prozeßkostenhilfe (PKH) läßt einen derartigen Zinsverlust unzumutbar erscheinen. Die PKH will dem wirtschaftlich Minderbemittelten einen Rechtsschutz sichern, der dem des Begüterten wenigstens einigermaßen entspricht .. . Mit diesem Ziel ist es unvereinbar, wenn einer leistungsschwachen Prozeßpartei abverlangt wird, Ersparnisse unter unverhältnismäßig hohen Zinsverlusten einzusetzen. Durch ein solches Opfer wird der Partei nahegelegt, von der sachgemäßen Verfolgung oder Verteidigung ihrer Rechte abzusehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn Ä wie hier Ä die Frist, nach deren Ablauf der Bonus gewährt wird, schon zu einem großen Teil verstrichen ist und es sich um Ersparnisse handelt, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen über Jahre hinweg ratenweise angesammelt worden sind. Nach §§ 115 Abs. 2 ZPO, 88 Abs. 3 BSHG darf PKH nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit der Vermögensverwertung versagt werden, wenn das für die Prozeßpartei oder ihre Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Es ist indessen unzumutbar hart, einer arbeitslosen, in dürftigen Verhältnissen lebenden Partei das »Sonderopfer« einer 14 % Bonuseinbuße abzuverlangen. Die AntrG. sähe sich um die Früchte ihrer seit 1981 bewiesenen Sparsamkeit gebracht.
(e) Andererseits ergibt sich aus §§ 115 Abs. 2 ZPO, 88 BSHG nicht, daß es der AntrG. auf Dauer nicht zugemutet werden darf, ihre Ersparnisse für die Prozeßkosten in Anspruch zu nehmen. Der Sparvertrag endet am 31. 7. 1988. Anschließend steht der AntrG. das angesparte Kapital mit Zinsen und Bonus zur Verfügung. Diese kann daraus ohne besondere Nachteile die Prozeßkosten aufbringen. Eine entsprechende Anordnung steht nicht zu den gesetzl. Bestimmungen in Widerspruch. Es handelt sich nicht um eine Nachzahlungsanordnung, wie sie für die frühere Regelung des Armenrechts in § 125 ZPO a. F. vorgesehen war und in das neue Recht der PKH nicht übernommen worden ist. Die Pflicht der AntrG. zur Berichtigung der Prozeßkosten am 1. 8. 1988 wird nämlich nicht in Erwartung einer Besserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse ausgesprochen, sondern im Hinblick auf das bereits angesparte Kapital. In der Sache liegt eine Stundung vor. Eine solche ist zulässig. [Wird ausgeführt]...«