OLG Hamburg, Urteil vom 20.12.1991 - 12 UF 64/91
Der Grundsatz, daß der Unterhaltsanspruch bei Gewährung von Sozialhilfe für den Unterhaltsberechtigten nicht erlischt, erfährt dann eine Ausnahme, wenn der Unterhaltspflichtige selbst Sozialhilfe bezieht.
Fundstellen: DRsp I(167)388b, FamRZ 1992, 713
Normenkette: ,
BSHG § 2 Abs. 2
Die Kl. ist die Tochter des Bekl. aus dessen geschiedener Ehe. Sie wohnt bei ihrer Mutter; diese erhält für die Kl. Sozialhilfe in Höhe von monatlich DM 335, -- und das Kindergeld für drei gemeinsame Kinder. Der Bekl., wiederverheiratet, erhält aufgrund eines Arbeitsunfalls eine Unfallrente und zusätzlich Sozialhilfe. Der Senat rechnet dem Bekl. ein fiktives Arbeitseinkommen an, da ihm trotz seiner eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit eine einfache sitzende Tätigkeit zuzumuten sei, er sich aber um einen derartigen Arbeitsplatz nicht bemüht habe.
»Begründet ist die Berufung des Bekl., soweit sie sich dagegen richtet, daß das Familiengericht der Kl. für die Zeit vom 1.4.1988 bis 30.11.1991 Unterhalt zugesprochen hat. Insoweit ist die Klage unbegründet. In dieser Zeit ist der nach der Lebensstellung der Kl. angemessene Unterhalt von DM 335, -- monatlich, der ihr nach § 1610 Abs. 1 BGB zusteht, durch die Sozialhilfe von monatlich DM 335, -- gedeckt worden, die die Kl. erhalten hat. Allerdings wird Sozialhilfe im Regelfall nicht auf den Unterhalt angerechnet; denn nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG werden Verpflichtungen von Unterhaltsschuldnern durch das BSHG nicht berührt. Im Regelfall erlischt der Unterhaltsanspruch nicht dadurch, daß Sozialhilfe gewährt wird (vgl. BGH FamRZ 1985, 1245). Dieser Grundsatz ist hier jedoch nicht anzuwenden, weil der Bekl. selbst Sozialhilfe erhält. Nach § 91 Abs. 1 Satz 2 BSHG hat der Sozialhilfeträger hier keinen Erstattungsanspruch gegen den Bekl., weil dieser selbst keine ausreichenden Einkünfte hat. Der Sozialhilfeträger darf hier die Unterhaltsansprüche nicht gemäß § 91 BSHG auf sich überleiten. Hier muß die tatsächlich gewährte Sozialhilfe bedarfsdeckend auf den Unterhalt der Kl. angerechnet werden (vgl. Künkel, FamRZ 1991, 14, 24).«
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Bearbeiter: Richter am Oberlandesgericht Dr. Bernhard Hülsmann, Karlsruhe