OLG Köln, Urteil vom 04.12.1987 - 4 WF 251/87
c-f. Ermittlung des einzusetzenden Einkommens einer in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Partei:
(c) keine Zusammenrechnung mit dem Einkommen des Partners;
(d) Kriterien für eine Anrechnung eigener Versorgungsleistungen (hier: bei zusätzlicher Kinderversorgung);
(e) keine teilweise Hinzurechnung von Einkünften des Partners entsprechend § 138 AFG;
(f) Unanwendbarkeit der §§ 16, 122 BSHG, dementsprechend keine Anrechnung eines fiktiven Prozeßkostenvorschuß-Anspruchs.
Fundstellen: DRsp IV(409)244c-f, FamRZ 1988, 306
Normenkette:
BSHG § 16, § 122
,
ZPO § 114, § 115 Abs.4
(c) »... PKH [Prozeßkostenbeihilfe] ist gemäß § 114 ZPO nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei zu gewähren. Zu ihrem Einkommen gehören dabei Einkünfte aller Art und zu ihrem Vermögen u. a. auch ein Prozeßkostenvorschuß[PKV]-Anspruch gegen Dritte. Eine Zusammenrechnung des Einkommens von mehreren Familienmitgliedern oder den Partnern einer nichtehelichen (ne.) Lebensgemeinschaft findet hingegen nicht statt (OLG Hamm. FamRZ 1987, 80; OLG Bamberg, FamRZ 1986, 486; OLG Münster, Rpfleger 1986, 406). Die abweichende Auffassung ([u. a.] LAG Bremen, NJW 1982, 2432 ..) ist seit der Neufassung des § 115 Abs. 4 ZPO nicht mehr haltbar, denn nach dieser Vorschrift führt eigenes Einkommen eines Unterhaltsberechtigten nur dazu, daß er bei der Tabelleneinstufung des AntrSt. nicht mehr als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt wird. Bleibt das Einkommen dieser Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft für die Anwendung der Tabelle zu § 114 ZPO unberücksichtigt, kann für das Einkommen anderer nicht unterhaltsberechtigter Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft nichts anderes gelten. [Frage teilweiser Anrechnung vgl. nachstehend zu e.]
(d) Davon zu trennen ist die Frage, ob dem AntrSt. eigene Einkünfte zuzurechnen sind, weil er für die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft Versorgungsleistungen erbringt. Dabei kommt es auf den Umfang dieser Leistungen, das dafür übliche Entgelt und die Leistungsfähigkeit der anderen Haushaltsmitglieder an, denen diese Leistungen erbracht werden.
Im Streitfall versorgt die AntrSt. ein 8jähriges Kind, was ihre Arbeitskraft zu einem großen Teil in Anspruch nimmt. Gleichwohl erlaubt die Kinderversorgung eine gleichzeitige Haushaltsversorgung für den Partner. Bei der Bewertung dieser Leistung ist aber zu berücksichtigen, daß die gleichzeitige Kinderversorgung nicht dem Partner der Lebensgemeinschaft, der nicht Vater des Kindes ist, zugute kommt. Eine Anlehnung an die Löhne, die für eine Haushälterin [als Vollzeitkraft] gezahlt werden, kommt für die Bewertung schon deshalb nicht in Betracht, weil einer Vollzeitkraft nicht die Betreuung des eigenen Kindes während der Arbeitszeit gestattet würde. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die AntrSt. keine ausgebildete Hauswirtschafterin ist und aus der Sicht des ne. Lebenspartners auch kein Anlaß besteht, eine solche zu beschäftigen, falls er sie nicht aus besonderen Gründen Ä z. B. zur Betreuung eines eigenen Kindes Ä braucht. ...
(e) Einer entsprechenden Anwendung des § 138 AFG für die Einkommensanrechnung beim Arbeitslosengeld (Zurechnung der Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen dem eigenen Einkommen und dem Einkommen des Ehegatten) auf die PKH steht entgegen, daß das private Unterhaltsrecht ein derartiges Teilhaberecht am Familieneinkommen nicht kennt. Zur Prozeßfinanzierung sind Familienmitglieder vielmehr nur nach den §§ 1360 a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4, 1601 ff. BGB verpflichtet. Wegen der besonderen gesetzl. Regelung dieses Sonderbedarfsanspruchs sind außerhalb dieser Regelung keine Leistungen vom Verpflichteten zu erbringen (BGH, NJW 1984, 291 [hier: I (165) 162 c]). Daraus folgt, daß über diese Regelung hinaus auch nicht auf Einkommensteile eines fremden Einkommens verwiesen werden kann.«
(f) PKH könne auch nicht unter Hinweis auf einen Prozeßkostenvorschuß[PKV-]anspruch gegen den Partner versagt werden: Da die §§ 1360 a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auf die ne. Lebensgemeinschaft nicht entsprechend anwendbar seien, bestehe ein derartiger Anspruch hier nicht.
»Die AntrSt. muß sieh auch nicht gemäß §§ 16, 122 BSHG so behandeln lassen, als stehe ihr ein PKV-Anspruch zu (so aber OLG Koblenz, FamRZ 1987, 612, 613 ..). Der BGH (FamRZ 1980, 40, 42 [hier:] (166) 67 d]) hat im einzelnen näher dargelegt, warum § 122 BSHG auf das private Unterhaltsrecht nicht anwendbar ist. Zum privaten Unterhaltsrecht gehört aber der PKV-Anspruch. Auch für die PKH als Sonderfall einer staatlichen Sozialhilfeleistung kann nicht auf einen fiktiven PKV-Anspruch verwiesen werden. ... Es muß feststehen, daß solche Leistungen tatsächlich erbracht werden. Das ergibt sich für den laufenden Lebensbedarf und die meisten Fälle eines Bedarfs in besonderen Lebenslage aus den tatsächlichen Verhältnissen. Für die Finanzierung eines Rechtsstreits läßt sich das aus den tatsächlichen Verhältnissen jedenfalls dann nicht ableiten, wenn der Partner eine Prozeßkostenfinanzierung ausdrücklich ablehnt. Wollte man den AntrSt. gleichwohl auf einen solchen Anspruch verweisen, verwiese man ihn auf einen fiktiven, rechtlich nicht durchsetzbaren Anspruch. ...«