Sozialhilferecht: Umfang der Hilfe zur Pflege, Einsatz einer Kapitallebensversicherung als Vermögen
Tatbestand:
Der am 13. Mai 1982 geborene Kläger ist mehrfach behindert. Er lebt im Haushalt seiner Eltern. Sein Vater arbeitet als Bauschlosser,
seine Mutter ist Hausfrau. Ende 1987 verfügten seine Eltern über Bank- und Sparguthaben in Höhe von 5.477,74 DM. Ferner ist
auf seinen Vater eine Kapitallebensversicherung bei der ... abgeschlossen, deren Rückkaufwert zum 1. November 1987 13.992,38
DM, im Mai 1989 17.839,88 DM betrug. Fällig ist die Versicherung im Todesfalle, spätestens im Jahre 2004. Die Versicherungsleistung
kann dann als Rente gewährt werden.
Am 11. November 1987 beantragte der Kläger die Gewährung von Pflegegeld.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1988 lehnte der Beklagte -- der davon ausging, daß der Zustand des Klägers außergewöhnliche Pflege
erfordere -- den Antrag ab, da der Bedarf aus dem Vermögen der Eltern des Klägers gedeckt werden könne.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger im wesentlichen gegen den seinem Vater angesonnenen Rückkauf der Lebensversicherung,
da dieser zu einer Vermögensverschleuderung führen würde, habe er doch bis November 1987 bereits 22.099,61 DM Versicherungsbeiträge
gezahlt. Neben 8.107,23 DM erbrachten Versicherungsbeiträgen ginge ihm auch der Anspruch auf die Versicherungssumme verloren,
die im Jahre 2004 voraussichtlich 122.061,-- DM (bei 61.131,-- DM Versicherungsbeiträgen) betragen werde.
Mit Bescheid vom 19. April 1989 wies der Oberkreisdirektor des Kreises ... den Widerspruch nach beratender Beteiligung sozial
erfahrener Personen als unbegründet zurück. Die Notlage des Klägers werde über einen längeren Zeitraum bestehenbleiben. Die
Verwertung des Rückkaufwertes der Lebensversicherung solle daher nicht der Behebung einer lediglich vorübergehenden Notlage
dienen. Das Verwertungsverlangen begründe keine Härte, zumal der Vater des Klägers neben seinen Ansprüchen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung keiner weiteren Altersversorgung bedürfe.
Mit der am 17. Mai 1989 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und ergänzend vorgetragen, daß seine Eltern
für 1.800,-- DM ein Solarium hätten anschaffen müssen, um die schlimmsten Folgen seiner Hautkrankheit, an der er ebenfalls
leide, zu lindern. Auch müßten seine Eltern für ihn ständig einen Pkw bereithalten, um ihn zu Therapeuten und in den Kindergarten
fahren zu können. Für die Anschaffung eines Pkw und des Solariums hätten sie ihr Sparguthaben ausgegeben; es sei verbraucht.
Die Verwertung der Lebensversicherung durch Rückkauf würde auch deshalb eine Härte begründen, weil sie seiner, des Klägers,
Absicherung für den Fall des Ablebens seines Vaters dienen solle. Sein Gesundheitszustand rechtfertige die Bewilligung des
Höchstpflegegeldes.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Oktober 1988 und des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors
des Kreises ... vom 19. April 1989 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 11. November 1987 Pflegegeld in Höhe von 812,--
DM monatlich bis zum 19. April 1989, zahlbar zu Händen seiner Eltern, zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat den Vortrag des Klägers zum Pflegebedarf als Neuantrag gewertet, diesen wegen weiterhin vorhandenen Vermögens der Eltern
des Klägers abgelehnt -- insoweit ist das Verfahren nach Angaben des Vertreters des Beklagten derzeit beim Verwaltungsgericht
Gelsenkirchen anhängig --, und sich im übrigen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Zur Begründung seiner Berufung vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, daß sein Vater als
Bauschlosser nur über bescheidenes Einkommen verfüge. Daher würden die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung allein
keine angemessene Alterssicherung gewährleisten, zumal er angesichts der derzeitigen Rezession mit dem jederzeitigen Verlust
seines Arbeitsplatzes rechnen müsse. Bis Mai 1989 habe er ca. 24.944,08 DM Versicherungsbeiträge erbracht. Das im Januar 1988
gekaufte Solarium habe 1.650,-- DM gekostet. Seit 1987 habe er nacheinander drei alte Pkw zu Preisen zwischen 3.250,-- DM
und 2.700,-- DM angeschafft; zwei dieser Fahrzeuge seien bei selbstverschuldeten Unfällen zerstört worden. Der Rückkaufswert
der Lebensversicherung wäre innerhalb kürzester Zeit für den Pflegebedarf verbraucht.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. Oktober 1988 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises ... vom 19. April 1989 zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit
vom 11. November 1987 bis 19. April 1989 Pflegegeld in Höhe von 812,-- DM monatlich, zahlbar zu Händen seiner Eltern, zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten überreichten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises
... vom 19. April 1989 ist rechtmäßig. Der Kläger hat für die Zeit vom 11. November 1987 bis 19. April 1989 keinen Anspruch
auf Gewährung von (Höchst-) Pflegegeld. Dem Anspruch steht einzusetzendes Vermögen seines Vaters entgegen (vgl. §§ 27 Abs. 1 Nr. 9, 28 BSHG).
Gemäß § 28 BSHG wird Hilfe in besonderen Lebenslagen -- und zu dieser rechnet gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 9 BSHG die vom Kläger begehrte Hilfe zur Pflege -- gewährt, soweit dem Hilfesuchenden und, wenn er -- wie der Kläger -- minderjährig
und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 des
Bundessozialhilfegesetzes nicht zuzumuten ist. Den Eltern des Klägers ist die Aufbringung der erforderlichen Mittel in Höhe
des begehrten Pflegegeldes aus ihrem Vermögen zumutbar.
Vermögen im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes ist das gesamte verwertbare Vermögen, § 88 Abs. 1 BSHG. Zum verwertbaren Vermögen der Eltern des Klägers gehörte während des durch den Erlaß des Widerspruchsbescheides begrenzten,
mit Antragstellung beginnenden Bedarfszeitraums der Rückkaufwert der Lebensversicherung Nr. 6092617-11 des Vaters des Klägers,
der von 13.992,38 DM im November 1987 auf 17.839,88 DM im Mai 1989 angestiegen ist.
Die Gewährung des Pflegegeldes durfte von der Verwertung (auch) des Rückkaufwertes der Lebensversicherung insoweit allerdings
nicht abhängig gemacht werden, als der dem Rückkaufwert entsprechende Geldwert (zuzüglich etwaiger weiterer Geldwerte der
Eltern des Klägers wie Bank- oder Sparguthaben sowie anderweitigen Barvermögens) gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG dem sogenannten Schonvermögen zuzurechnen war. Sollte der Kläger im maßgebenden Zeitraum dem Personenkreis der Schwerstpflegebedürftigen
(vgl. § 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG) zuzurechnen gewesen sein -- was hier keiner Entscheidung bedarf und zugunsten des Klägers in diesem Zusammenhang unterstellt
werden kann -- waren bis zum 31. März 1988 gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG vom 9. November 1970 idF der Verordnung vom 6. Dezember 1979, BGBl I 2004 (VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG) 8.900,-- DM, für die Zeit danach 9.700,-- DM aufgrund der VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG vom 11. Februar 1988, BGBl I 150, als geschützter Geldwert anzusetzen. Die vorgenannten Beträge ermitteln sich, da die Gewährung
der Sozialhilfe vom Vermögen des minderjährigen unverheirateten Klägers und seiner Eltern abhängig war, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG aus der Summe des in § 1 Abs. 1 Nr. 1 b) Halbsatz 2 VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG für den Fall der Schwerstpflege genannten Betrags zuzüglich der Beträge für einen Elternteil sowie den Hilfesuchenden gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 VO zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG.
Die Verwertung des überschießenden Betrages durfte der Beklagte fordern. Der Vermögenseinsatz hätte weder für den Kläger noch
seine Eltern eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG bedeutet.
Gemäß § 88 Abs. 3 BSHG darf die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens, soweit dies für den,
der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (Satz 1). Dies
ist bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vor allem der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung
einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde (Satz 2).
Der Begriff der Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG kann nur im Zusammenhang mit den vorangehenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über das Schonvermögen zutreffend
erläutert werden. Die Vorschriften über das Schonvermögen sollen gewährleisten, daß die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen
Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen des Hilfesuchenden führt. Dem Sozialhilfeempfänger und seinen Angehörigen
soll ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten bleiben. Überdies soll verhindert werden,
daß die Sozialhilfe, die lediglich eine vorübergehende Hilfe sein soll, zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf führt, damit
den Willen zur Selbsthilfe lähmt und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führt. Das Ziel der Härtevorschrift des §
88 Abs. 3 Satz 1 BSHG kann kein anderes sein. Wenn der Gesetzgeber eine Härtevorschrift einführt, so regelmäßig deshalb, weil er mit den Regelvorschriften
zwar dem dem Gesetz zugrundeliegenden typischen Lebenssachverhalt gerecht werden kann, nicht aber dem atypischen Lebenssachverhalt.
Da die atypischen Fälle nicht mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache erfaßt werden können, muß der Gesetzgeber neben
den Regeltatbestand einen Ausnahmetatbestand setzen, der zwar in den einzelnen Merkmalen unbestimmt ist, jedoch bei einer
sinngerechten Anwendung ein Ergebnis gestattet, das dem Regelergebnis in seiner grundsätzlichen Zielsetzung gleichwertig ist.
Hiernach kommt es bei der Bestimmung des Begriffs der Härte darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften zu einem den
Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG nicht entsprechenden Ergebnis führen würde.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Urteil vom 26. Januar 1966 -- V C 88.64 --, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 23, 149 = Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und
Sozialgerichte (FEVS) 14, 81; Urteil vom 29. April 1993 -- 5 C 12.90 --; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW) Urteil vom 22. Juni 1989 -- 8 A 329/87 --, FEVS 39, 29.
Nach vorstehenden Grundsätzen steht das Verlangen nach Verwertung der Lebensversicherung des Vaters des Klägers durch Rückkauf
in Übereinstimmung mit den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG. § 88 Abs. 3 BSHG hat weder den Zweck, einem Hilfebedürftigen die (weitere) Vermögensbildung zu ermöglichen, noch den Zweck, ihn von den Risiken
der Art der von ihm gewählten Kapitalanlage freizustellen. Der Senat teilt daher nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs
(VGH) Baden-Württemberg,
vgl. dessen Urteil vom 20. September 1989 -- 6 S 3013/87 --, FEVS 39, 293 (297),
wonach die Verwertung einer Lebensversicherung jedenfalls dann eine Härte im Sinne des Gesetzes sein könne, wenn der Rückkaufwert
der Lebensversicherung um mehr als die Hälfte hinter der Summe der aus eigenen Mitteln erbrachten Versicherungsbeiträge zurückbliebe.
Es gehört zu den allgemeinen Lebensrisiken, für andere (spätere) Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig und unter Inkaufnahme
eines Verlustes, der auch die Anwartschaft auf Auszahlung der Überschußbeteiligung nach Fälligkeit der Lebensversicherung
umfaßt, zur Deckung unerwarteten Bedarfs einsetzen zu müssen. Das Risiko der Kapitalanlage zu tragen, ist nicht Sache der
Sozialhilfe. Vielmehr entspricht es der Verpflichtung des Hilfesuchenden, sich nach Kräften selbst zu helfen (§ 2 Abs. 1 BSHG), vorhandenes Vermögen zur Selbsthilfe auch dann einzusetzen, wenn es nicht bestmöglich verwertet werden kann. Eine andere
Betrachtungsweise würde nicht nur dazu führen, daß auf Kosten der Sozialhilfe Vermögen gebildet würde; § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG könnte darüber hinaus weitgehend umgangen werden, da beliebig hohe Vermögenswerte in neu abgeschlossene Lebensversicherungsverträge
eingezahlt werden könnten, aber nicht zur Verwertung abgefordert werden müßten, solange nur der Rückkaufwert der jeweiligen
Versicherung deutlich unterhalb des auf die Versicherung eingezahlten Vermögens verbliebe.
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 1986 -- 4 OVG A 31/84 --, Beschluß vom 13. Januar 1987 -- 4 B 138.85 --, FEVS 36, 473 und Urteil vom 11. Mai 1990 -- 4 OVG A 23/88 --.
Auch vermag die für die Annahme einer Härte gegebene Begründung des VGH Baden-Württemberg, daß nämlich die Eigenleistungen
zum Teil "umsonst" erbracht worden wären, nicht zu überzeugen. Der angenommene Verlust kann nicht einzig durch Saldierung
von Versicherungsbeiträgen und Rückkaufwert ermittelt werden. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, daß die Versicherungsbeiträge
einer Kapitallebensversicherung als Vorsorgeaufwendungen vom steuerpflichtigen Einkommen in den vom Gesetz bestimmten Grenzen
abgesetzt werden (vgl. §
10 Abs.
1 Nr.
2 b) dd), Abs.
3 EStG) und daher im vorbezeichneten Umfang zu einer Steuerentlastung führen können. Ferner hat der Versicherungsnehmer den (auch
ihm) geldwerten Versicherungsschutz schon mit Versicherungsbeginn (und sodann über die bisherige Vertragsdauer), und zwar
über die volle Versicherungssumme erlangt.
Die Lebensversicherung des Vaters des Klägers war schließlich nicht erforderlich, damit eine angemessene Lebensführung oder
die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung nicht wesentlich erschwert würde (§ 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG). An der konkreten Lebensgestaltung der Familie hätte sich ohnehin nichts geändert. Die aktuelle wirtschaftliche Stellung
der Familie, die im wesentlichen auf das Arbeitseinkommen des Vaters des Klägers gestützt ist, wäre nicht wesentlich verändert,
jedenfalls nicht verschlechtert worden, vielmehr hätten die Versicherungsbeiträge (abzüglich einer etwaig wegfallenden Steuerersparnis)
für die Lebensführung der Familie nunmehr zusätzlich zur Verfügung gestanden. Es ist aber auch nichts dafür erkennbar, daß
die Lebensversicherung des Vaters des Klägers erforderlich sein könnte, damit die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung,
der die in diesem Zusammenhang unterstellte Verrentung der Versicherungsleistung dienen könnte, nicht wesentlich erschwert
wird. Der Vater des Klägers ist bislang als Bauschlosser auskömmlich und -- Gegenteiliges ist nicht vorgetragen oder ersichtlich
-- kontinuierlich tätig gewesen und hat daher auch Rentenversicherungsbeiträge im üblichen Umfange abgeführt. Substantiierte
Anhaltspunkte dafür, daß die in Zukunft zu erwartende Rente eine angemessene Alterssicherung des Vaters des Klägers (und seiner
Ehefrau) nicht sicherstellen könnte, bestanden im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht; auch
der Kläger trägt hierzu nur vage Befürchtungen vor.
Eine angemessene Alterssicherung des Klägers selbst wäre durch den Rückkauf der Lebensversicherung ohnehin nicht in Frage
gestellt worden. Bezugsberechtigter der Lebensversicherung ist der Vater des Klägers ersatzweise die Mutter des Klägers. Der
Kläger ist erst an dritter Stelle als Berechtigter benannt. Das verdeutlicht, daß die Lebensversicherung gerade nicht dazu
bestimmt ist, dem Kläger als Alterssicherung zu dienen. Ebenso wenig ist sichergestellt, daß der Kläger nach Ablauf der Versicherung
unabhängig von Sozialhilfe leben könnte, zumal ihn der Beklagte dann nicht mehr auf das Vermögen seines Vaters verweisen dürfte;
im Jahre 2004 (Fälligkeit der Lebensversicherung) wird der Kläger volljährig sein.
Der Senat läßt offen, ob das Vermögen der Eltern des Klägers -- abzüglich ihres gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG von der Verwertung ausgenommenen Vermögens -- ausgereicht hätte, den für den ganzen streitbefangen Zeitraum bis zum Erlaß
des Widerspruchsbescheides insgesamt geltend gemachten Bedarf abzudecken, ob es also über die Summe des beantragten Höchstpflegegeldes
von 14.047,60 DM (812,-- DM x 20/30 + 812,-- DM x 16 + 812,-- DM x 10/30) hinausgegangen ist. Ferner läßt der Senat offen,
ob der Kläger im vorgenannten Zeitraum zu den in §§ 69 Abs. 4 Satz 2, 24 Abs. 2 BSHG genannten Personen zählte. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß er die Voraussetzungen für die Gewährung
des Höchstpflegegeldes erfüllte und ihm zur Deckung dieses Bedarfs kein Einkommen der Eltern und Vermögen der Eltern nur in
Gestalt des Rückkaufwertes der Lebensversicherung zur Verfügung stand, hätte der nach Abzug des kleinen Barbetrages (§ 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG) einzusetzende Anteil des Rückkaufwertes jedenfalls ausgereicht, den Bedarf an Pflegegeld für einen Monat zu decken. Da die
Eltern diesen Vermögenswert während des Bewilligungszeitraums tatsächlich nie eingesetzt haben, konnte der Rückkaufwert der
Versicherung in jedem Monat des Bewilligungszeitraums erneut zur Deckung des Bedarfs an Pflegegeld eingesetzt werden mit der
Folge, daß für den gesamten streitbefangenen Zeitraum ein ungedeckter Bedarf, der vom Beklagten noch auszugleichen wäre, nicht
verblieb.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, daß in einem Fall, in dem der Hilfesuchende und der Träger der Sozialhilfe
darüber streiten, ob mit Rücksicht auf vorhandenes Vermögen Hilfebedürftigkeit besteht, und wenn es -- seine Einsetzbarkeit
angenommen -- nicht ausreichen würde, die Hilfebedürftigkeit des Hilfesuchenden während des gesamten streitigen Zeitraums,
für den Hilfe beansprucht wird, zu beheben, dem für den gesamten streitigen Zeitraum ermittelten Bedarf der Wert des für einsetzbar
angesehenen verwertbaren Vermögens gegenüberzustellen ist. Dann sei Sozialhilfe insoweit zu gewähren, als ein sozialhilferechtlich
relevanter Bedarf ungedeckt bleibt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1981 -- 5 C 16.80 --, FEVS 31, 45 (50 f.).
Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Die Gewährung von (zuschußweiser) laufender Hilfe zur Pflege kommt nicht in Betracht,
wenn einzusetzendes Vermögen in einer den zeitabschnittsweisen Bedarf des Hilfesuchenden überschreitenden Höhe vorhanden ist;
der maßgebliche Zeitabschnitt geht regelmäßig über einen Monat nicht hinaus.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Sozialhilfe keine rentengleiche wirtschaftliche Dauerleistung
mit Versorgungscharakter, sie dient vielmehr (im Regelfall) dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1986 -- 5 C 36.84 --, FEVS 36, 1 (3).
Maßgebend für die Beurteilung der Fragen, ob der Hilfesuchende einen sozialhilferechtlich relevanten Bedarf hat und ob ihm
zuzumuten ist, diesen Bedarf aus Einkommen oder Vermögen zu decken, ist die Lage des Hilfebegehrenden in dem jeweiligen (für
die Behördenentscheidung erheblichen) Leistungsabschnitt (innerhalb des von der Kenntniserlangung (§ 5 BSHG) bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides reichenden Zeitraums), nicht aber (allein) die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt
des Widerspruchsbescheides. Denn das Bundessozialhilfegesetz sieht -- und dies hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt betont -- den Hilfesuchenden mit seinen wechselnden Bedürfnissen
in einer konkreten Notlage; die etwaig erforderliche Hilfe hat sich an der sich ständig wandelnden Lage auszurichten. Der
Sozialhilfefall wird gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig, wobei sich Änderungen nicht nur in Bezug auf die Notlage
als solche (den Bedarf), sondern auch auf die Möglichkeit, den Bedarf durch Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens zu decken,
ergeben können.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1966 -- V C 29.66 --, FEVS 14, 243 (244); Urteil vom 29. September 1971 -- V C 110.70 --, FEVS 19, 81; Urteil vom 18. Januar 1979 -- 5 C 4.78 --, FEVS 27, 229; Urteil vom 26. September 1991 -- 5 C 14.87 --, FEVS 43, 1.
An dem Charakter der Sozialhilfe als Notlagenhilfe ändert sich selbst dann nichts, wenn die Notlage über einen längeren Zeitraum
andauert. Auch in derartigen Fällen bleibt die laufende Sozialhilfe Notlagenhilfe, die grundsätzlich nur für die nächstliegende
Zeit,
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 -- 5 C 14.87 --, aaO,
mit anderen Worten zeitabschnittsweise (etwa monatlich) gewährt wird.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1979 -- 5 C 4.78 --, aaO.
Da diese zeitabschnittsweise Prüfung gerade auch dazu dienen soll, der sich ständig wechselnden Notlage Rechnung zu tragen,
ist bei ihr auf die Lage des Hilfesuchenden in dem jeweiligen Zeitabschnitt abzustellen,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1966 -- V C 29.66 --, aaO,
mit anderen Worten erfolgt die zeitabschnittsweise Bewilligung erfolgt auf der Grundlage einer ständig wiederholten Prüfung
der Voraussetzungen für ihre Gewährung, insbesondere ihrer Notwendigkeit unter dem Aspekt etwa vorhandenen Einkommens oder
Vermögens.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1979 -- 5 C 4.78 --, aaO.
Selbst in Fällen, in denen sich der Leidenszustand eines Menschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bessern
wird, kommt eine Verurteilung zur Bewilligung des Pflegegeldes auf Dauer nicht in Betracht; denn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
des Hilfeempfängers (bzw. seiner in § 28 BSHG genannten Angehörigen) können sich ändern. Dies stets erneut prüfen zu können, gebietet es, auch das Pflegegeld nur zeitabschnittsweise
zu bewilligen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1977 -- V C 23.76 --, FEVS 26, 1 (3), unter Hinweis auf die dort bekannte Übung der Sozialhilfebehörden, das Pflegegeld regelmäßig jeweils
nur für ein Jahr zu bewilligen.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang (auch) ausführt, daß auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung
abzustellen sei,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1966 -- V C 29.66 --, aaO; Urteil vom 15. November 1967 -- V C 71.67 --, FEVS 15, 361; Urteil vom 29. September 1971 -- V C 110.70 --, aaO; Urteil vom 19. Januar 1972 -- V C 10.71 --, FEVS 19, 401,
dient das nach dem Verständnis des Senats lediglich der zeitlichen Abgrenzung des durch das Vorverfahren abgedeckten und damit
einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglichen Streitgegenstandes.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 -- 5 C 1.88 --, FEVS 43, 19.
Der Senat vermag diesen Ausführungen nicht zu entnehmen, daß damit die Auffassung vertreten würde, im Falle der Einlegung
eines Widerspruchs sei -- losgelöst von den für die einzelnen Behördenentscheidungen maßgebenden Zeitabschnitten -- allein
entscheidend, ob der aus der Sicht des Zeitpunktes des Erlasses des Widerspruchsbescheides für den gesamten Zeitraum bis zum
Erlaß des Widerspruchsbescheides vorhandene Gesamtbedarf durch das in dieser Zeit vorhandene Vermögen gedeckt ist oder nicht,
ob mit anderen Worten ein Anspruch nur besteht, wenn im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides für den gesamten
Zeitraum "unter dem Strich" ein ungedeckter Bedarf verbleibt.
Wird, wie im vorliegenden Fall die Hilfe zur Pflege, die Hilfe vom Beklagten monatlich bewilligt, hat dieser die Anspruchsvoraussetzungen
jeweils von Monat zu Monat neu zu prüfen. Dabei mußten die Voraussetzungen einer Hilfegewährung für jeden Monat des gesamten
streitigen Bewilligungszeitraums bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides immer wieder verneint werden, weil der jeweils zur
Prüfung anstehende monatliche Bedarf an Hilfe zur Pflege aus dem in Gestalt des Rückkaufwertes der Lebensversicherung vorhandenen
Vermögens des Vaters des Klägers gedeckt werden konnte. Da der Vater des Klägers das Vermögen niemals zur Bedarfsdeckung eingesetzt
hatte, stand es für jeden Zeitabschnitt (Monat) zur Bedarfsdeckung zur Verfügung.
Daß das Vermögen vorzeitig verbraucht gewesen wäre, wenn es zur Bedarfsdeckung eingesetzt worden wäre, weil es -- möglicherweise
-- nicht ausreichte, den Gesamtbedarf bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides zu decken, ist dabei unbeachtlich. Es kommt
auf die tatsächliche Lage des Hilfesuchenden an, nicht aber auf Gegebenheiten, wie sie auch hätten sein können,
vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1988 -- 5 C 89.85 --, FEVS 37, 177 (182);
die Berücksichtigung eines bloß fiktiven Geschehensablaufs widerspräche der allgemeinen Rückbeziehung der Sozialhilfe auf
die tatsächliche Notlage, in der der Einzelne die Hilfe der Gemeinschaft erwarten kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1970 -- V C 40.70 --, FEVS 17, 367 (369 f.).
Eine fiktive Betrachtung, die darauf abstellte, daß das Vermögen des Klägers im Verlaufe des Bedarfszeitraums bei Verbrauch
für den Hilfebedarf aufgezehrt worden wäre, widerspräche zudem nicht nur (auch im Widerspruch zu §§ 28, 88 BSHG) den durch (weiterhin) vorhandenes Vermögen gekennzeichneten tatsächlichen Gegebenheiten. Sie machte die Gewährung der Hilfe
darüber hinaus von der (mehr oder weniger zufälligen) Dauer des Widerspruchsverfahrens abhängig. Es stünde damit im von Gesetzes
wegen nicht vorgesehenen Belieben des Beklagten, ob er durch auf jeweils einen Monat bezogene (jeweils materiell rechtmäßige)
Ablehnungsbescheide den der gerichtlichen Prüfung unterliegenden Bedarfszeitraum beschränkte oder nicht und somit dem Kläger
indirekt zu einem auf einen Teilzeitraum bezogenen Hilfeanspruch verhülfe oder nicht. Schließlich würde dem Hilfebedürftigen
durch eine fiktive Betrachtung auch nicht nachhaltig geholfen, würde ihm für einen -- je nach Dauer des Widerspruchsverfahrens
und der Höhe des vorhandenen Vermögens -- mehr oder weniger kurzen Zeitraum im Hinblick auf fiktiv verbrauchtes Vermögen Hilfe
zugesprochen, die Hilfe dann für die Zeit nach Ablauf des der gerichtlichen Prüfung zugänglichen Bedarfszeitraums jedoch erneut
(wiederum rechtmäßig) versagt, weil nunmehr das zuvor als fiktiv verbraucht angenommene Vermögen als tatsächlich vorhandenes
Vermögen dem Hilfebegehren entgegengehalten werden müßte.
Eine Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Hilfe zur Pflege ungeachtet des nach wie vor vorhandenen Vermögens ist
auch nicht zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes geboten. Vielmehr kann die Frage, ob die Gewährung von Hilfe zur Pflege
vom vorherigen Vermögenseinsatz abhängig zu machen ist, neben der Verpflichtungsklage -- deren Erfolg allerdings den Vermögensverbrauch
voraussetzen könnte -- mit der mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage oder -- nach etwaigem Vermögenseinsatz
-- mit der Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgt werden. Andere Wege stünden dem Hilfesuchenden auch bei der Annahme fiktiven
Vermögenseinsatzes nicht zur Verfügung. Rechtmäßiges Verhalten der Sozialhilfebehörde vorausgesetzt, würde dem Kläger die
Verpflichtungsklage auch nur nach Vermögenseinsatz weiterhelfen, da sie bis zum fiktiven Vermögensverbrauch wegen entgegenstehenden
Vermögens erfolglos bliebe, für die Zeit danach der Beklagte aber durch Hilfegewährung (wegen eben des fiktiven Vermögensverbrauchs)
die Erledigung des Hilfebegehrens herbeiführen könnte.