Tatbestand:
Der Kläger ist am 06.01.1970 geboren. Am 01.07.1988 legte er sein Abitur ab. Er nahm am 01.10.1990 ein Studium der Wirtschaftsinformatik
mit dem Studienziel "Diplom" an der Technischen Universität Dresden auf. Er wurde bis zum Jahresende 1990 nach dem Stipendienrecht
der früheren DDR mit monatlich 330,- DM gefördert. Dieser Monatsbetrag wurde ihm übergangsweise weiter bis zum 31.03.1991
ausgezahlt.
Die Mutter des Klägers arbeitete in den Monaten Oktober 1990 bis Dezember 1990 bei der Deutschen Bundesbank, Filiale Dresden.
Sie verdiente brutto 1.850,- DM monatlich. Im Oktober 1990 kamen 255,57 DM Überstundenvergütung hinzu, im November 1990 121,70
DM Überstundenvergütung. Im Dezember 1990 erhielt die Mutter des Klägers zusätzlich brutto 1.850,- DM Weihnachtsgeld als 13.
Monatgehalt.
Der Vater des Klägers arbeitete in den Monaten Oktober 1990 bis Dezember 1990 bei der Technischen Universität Dresden.
Er verdiente monatlich 1.950,- DM brutto. Weihnachtsgeld oder ein 13. Monatsgehalt erhielt er nicht.
Der Kläger hat keine Geschwister. Die Eltern des Klägers haben in ihren Angaben zum BAFöG-Antrag des Klägers keine sonstigen
ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten Personen genannt.
Mit Bescheid vom 28.03.1991 setzte der Beklagte die Ausbildungsförderung für den Kläger für den Änderungszeitraum von Januar
1991 bis März 1991 auf monatlich 330,- DM fest, für den Änderungszeitraum von April 1991 bis September 1991 auf monatlich
440,- DM. Dieser Bescheid wurde unter dem Vorbehalt der Rückforderung erteilt, "weil einzelne zur Entscheidung über den Antrag
erforderliche Feststellungen nicht rechtzeitig getroffen werden konnten". Der bewilligte Betrag wurde deshalb unter Berufung
auf § 51 Abs. 2 BAFöG pauschal festgesetzt. Der Kläger hat diesen Bescheid nicht angefochten. Zur Auszahlung eines Monatsbetrags
in Höhe von 440,- DM kam es aber lediglich im April 1991.
Mit Bescheid vom 30.04.1991, bei dem in den Behördenakten nicht vermerkt ist, wann er dem Kläger bekanntgegeben wurde, setzte
der Beklagte die Ausbildungsförderung für den Kläger im Bewilligungszeitraum von Januar 1991 bis September 1991 endgültig
fest. Der monatliche Förderungsbetrag wurde auf 134,- DM festgesetzt. Der Gesamtbedarf des Klägers wurde mit 565,07 DM angesetzt.
Monatlich wurden 430,40 DM als elterliches Einkommen angerechnet. Zurückgefordert wurden zunächst insgesamt 894,- DM, nämlich
3 mal (330,- DM - 134,- DM) + 1 mal (440,- DM - 134,- DM). Von den Monatsbeträgen in Höhe von 134,- DM wurden im Hinblick
auf die Rückforderung in den Monaten Mai 1991 bis September 1991 jeweils 55,- DM einbehalten, so daß nur jeweils 79,- DM ausgezahlt
wurden. Mit Schreiben vom 22.05.1991 korrigierte der Beklagte diesen Bescheid. Die Rückforderung wurde im Hinblick auf § 59
Abs. 2 BAFöG um 3 mal (330,- - 134,- DM) = 588,- DM vermindert, auf nunmehr 306,- DM.
Am 5.6.1991 legte der Kläger Widerspruch ein, weil das anzurechnende Einkommen seiner Mutter falsch berechnet worden sei.
Es sei von einem Monatseinkommen von 1.850,- DM auszugehen. Das Weihnachtsgeld und die Überstundenvergütung dürften nicht
berücksichtigt werden. Seine Eltern würden finanziell die Großeltern unterstützen; diese seien Rentner.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.1991, dem Kläger zugestellt am 18.06.1991, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers
als unbegründet zurück. Nach § 21 Abs. 1 a BAFöG gehörten Überstundenvergütung und Weihnachtsgeld zum Einkommen. Unterhaltspflichten
der Eltern des Klägers gegenüber den Großeltern seien zwar von Bedeutung; eigene Einnahmen der Großeltern des Klägers müßten
aber berücksichtigt werden, insbesondere Renten.
Der Kläger erhob am 18.07.1991 Klage zum Kreisgericht Dresden. Als Gegenstand bezeichnete er den Widerspruchsbescheid vom
11.06.1991. Er führte aus, daß das Weihnachtsgeld nur mit einem Zwölftel dem Monatseinkommen zugeschlagen werden dürfe, nicht
mit vier Zwölfteln, wie tatsächlich geschehen.
Die Berechnungen des Beklagten führten bei seiner Mutter zu einem unrealistischen fiktiven Monatseinkommen in Höhe von 2.427,75
DM. Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisgericht Dresden am 29.04.1992, den Beklagten zu verpflichten,
dem Kläger für die Zeit vom 01.01. - 30.09.1991 Ausbildungsförderung nach dem BAFöG in Höhe von monatlich 200,- DM zu gewähren,
für Juli bis September 1991 zusätzlich weitere 61,- DM je Monat, und den Bescheid des Beklagten vom 30.04.1991 in der Form
des Widerspruchsbescheids vom 11.06.1991 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Der Kläger legte in der Folge noch ein Schreiben
seiner Eltern vom 16.05.1992 vor, daß sie auf ihre Kosten für seine Großeltern zweimal monatlich Einkäufe im Wert von insgesamt
ca. 80,- DM besorgen würden.
Mit Urteil vom 19.05.1992 verpflichtete das Kreisgericht Dresden den Beklagten dazu, dem Kläger entsprechend seinem sinngemäß
gestellten Antrag für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.09.1991 Ausbildungsförderung nach dem BAFöG in Höhe von monatlich 280,-
DM zu gewähren, für Juli bis September 1991 zusätzlich weitere 61,- DM je Monat. Der Bescheid vom 30.04.1991 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 11.06.1991 wurde aufgehoben, soweit er dem entgegenstand.
Das Kreisgericht ging davon aus, daß die Eltern des Klägers auch die Großmutter des Klägers unterhalten würden. Es kam zu
dem Ergebnis, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 394,- DM zustehe. Das Elterneinkommen
sei nämlich nur in Höhe von 156,- DM monatlich anrechenbar. Das Monatseinkommen des Vaters sei mit 1.246,- DM, das Monatseinkommen
der Mutter mit 1.356,- DM anzusetzen. Die Überstundenvergütung habe der Beklagte zutreffend in die Berechnung einbezogen,
denn sie gehöre bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu den Lohnbestandteilen. Das Weihnachtsgeld sei in dem maßgeblichen
Abrechnungszeitraum nur anteilig zu berücksichtigen. Soweit es sich nämlich um jährlich nur einmal anfallende Sonderzuwendungen
handele, seien diese proportional mit drei Monaten einzubeziehen. § 24 Abs. 1 a BAFöG stehe in engem Zusammenhang mit § 24
Abs. 1 BAFöG, bei dessen Anwendung einmalige jährliche Sonderzahlungen monatlich zu einem Zwölftel berücksichtigt würden.
Das müsse auch für § 24 Abs. 1 a BAFöG gelten, aus Gründen des Artikels 3 Abs. 1
Grundgesetz. Wenn man § 24 Abs. 1 a BAFöG so auslegen würde, daß ein 13. Monatsgehalt in vollem Umfang einzubeziehen sei, dann ergebe sich ein erheblicher rechnerischer
Überhang gegenüber dem rechnerischen Durchschnitt, ohne daß dafür ein sachlich einleuchtender Grund gegeben wäre. Für die
Großmutter des Klägers, die von seinen Eltern unterhalten werde, müsse gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1Nr. 4 BAFöG ein Freibetrag
in Höhe von 540,- DM monatlich abgesetzt werden. Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 09.06.1992 zugestellt.
Der Beklagte legte dagegen am 03.07.1992 entsprechend der im angefochtenen Urteil gegebenen Rechtsmittelbelehrung Berufung
zum Bezirksgericht Dresden - Senat für Verwaltungssachen - ein, von wo sie an das Sächsische Oberverwaltungsgericht formlos
weitergeleitet wurde. Sie ging dort am 14.07.1992 ein. Der Beklagte beantragt sinngemäß die Aufhebung des Urteils des Kreisgerichts
Dresden vom 19.05.1992 und die Abweisung der Klage. § 24 Abs. 1 a BAFöG laufe auf die Ermittlung eines fiktiven Jahreseinkommens
hinaus. Ein rechnerischer Überhang sei deshalb rechtlich unerheblich.
Eine willkürliche Ungleichbehandlung liege. angesichts der ganz anderen Einkommensdynamik in den neuen Bundesländern nicht
vor. Ein Aktualisierungsantrag könne in den Widerspruch des Klägers nicht hineininterpretiert werden. Der Widerspruch des
Klägers verfolge keine solche Zielrichtung.
Aktualisierungsanträge seien außerdem gemäß § 46 Abs. 3 BAFöG auf dem hierfür bestimmten Formblatt zu stellen. Das angefochtene
Urteil verpflichte den Beklagten zu Zahlungen, die dieser bereits geleistet habe, zum Beispiel für den Zeitraum von Januar
1991 bis März 1991 und für den Zeitraum von Juli 1991 bis September 1991. Mit Schriftsatz vom 19.11.1992 legte der Beklagte
dem Oberverwaltungsgericht eine von diesem erbetene Vergleichsberechnung vor. Daraus ergibt sich die Höhe der Nachzahlung,
die der Kläger nach Auffassung des Beklagten beanspruchen könnte, wenn seine Auslegung des § 24 Abs. 1 a BAFöG zutreffen würde.
Für eine sonstige unterhaltsberechtigte Person berücksichtigte der Beklagte hierbei einen Freibetrag von 135,- DM monatlich.
Der Kläger stellte seinen Klageantrag mit Schriftsatz vom 06.12.1992 insoweit klar, als er im Hinblick auf seine Auslegung
des § 24 Abs. 1 a BAFöG die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von zusätzlicher Ausbildungsförderung in Höhe von 1.158,-
DM verlangte. Außerdem machte er einen Freibetrag in Höhe von 540,- DM für seine Großmutter mütterlicherseits nach § 25 Abs.
3 Satz 1 Nr. 4 BAFöG geltend. Mit Schriftsatz vom 10.12.1992 legte er noch die Rentenbescheide seiner Großmutter mütterlicherseits
und ihres Ehegatten aus dem Jahre 1991 vor (585,- DM bzw. 998,- DM Monatsrente ab dem 01.01.1991, 642,- DM bzw. 1.168,- DM
Monatsrente ab dem 01.07.1991).
Beide Beteiligten verzichteten mit Schriftsätzen vom 25.10.1992 und 19.11.1992 auf mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit, einverstanden erklärt haben
(§
101 Abs.
2
VwGO).
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Die Berufungsschrift ist als an das Sächsische OVG gerichtet anzusehen und ist zumindest
innerhalb der Frist des §
58 Abs.
2
VwGO beim Sächsischen OVG eingegangen. Die Berufung ist jedoch überwiegend unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im
wesentlichen zu Recht stattgegeben. Eine Änderung des Tenors des angefochtenen Urteils entsprechend dem Rechtsschutzbedürfnis
des Klägers, nämlich eine Beschränkung auf vom Beklagten abgelehnte und noch nicht erbrachte Leistungen, ist jedoch veranlaßt.
Außerdem ergeben sich Änderungen dadurch, daß ein Freibetrag in Höhe von 540,- DM monatlich für die Großmutter mütterlicherseits
als sonstige unterhaltsberechtigte Person (§ 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAFöG) nicht anerkannt werden kann.
Mit dem Kläger und dem Verwaltungsgericht ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß Einkünfte, die jährlich nur einmal
anfallen und sich auf die Leistungen eines unselbständig Beschäftigten im ganzen Jahr beziehen, wie hier die Weihnachtsgratifikation
bzw. das 13. Monatsgehalt der Mutter des Klägers, bei der Anwendung des § 24 Abs. 1 a BAFöG in der bis zum Inkrafttreten des
15. BAFöG ÄndG vom 19.06.1992 geltenden Fassung monatlich nur mit einem Zwölftel des Gesamtbetrags zu berücksichtigen sind.
Soweit Tz 24.1a. 1 der Verwaltungsvorschrift zum BAFöG dem entgegensteht, ist diese norminterpretierende Verwaltungsvorschrift
mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren und daher unbeachtlich.
Nach § 24 Abs. 1 a BAFöG in der bis zum Inkrafttreten des 15. BAFöG ÄndG vom 19.06.1992 geltenden Fassung ist in den neuen
Bundesländern das Vierfache des Einkommens der Eltern eines Auszubildenden in den Monaten Oktober bis Dezember des Kalenderjahres
vor dem Beginn des Bewilligungszeitraums maßgebend. Der Wortlaut dieser Bestimmung zwingt nicht dazu, Weihnachtsgratifikationen
bzw. das 13. Monatsgehalt in vollem Umfang als in den Monaten. Oktober bis Dezember erzielt anzusehen. Der Wortlaut läßt nämlich
sowohl eine Auslegung im Sinne des Zuflußprinzips als auch eine Auslegung im Sinne der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu.
Dies gilt auch dann, wenn man bedenkt, daß der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 BAFöG auf die "für den Bewilligungszeitraum" erzielten
Einkommen abstellt und dadurch deutlich macht, daß hier das Zuflußprinzip nicht gelten soll. Der Gesetzgeber verwendet zwar
in § 24 BAFöG im Gegensatz hierzu die Formulierung "Einkommensverhältnisse im" Berechnungszeitraum und läßt das Zuflußprinzip
damit zu, verlangt aber nicht dessen ausnahmslose Geltung.
Anhaltspunkte für die Auslegung kann zunächst das
Einkommensteuergesetz liefern, auf das §
24 Abs.
1 und
2 BAFöG Bezug nehmen. §
11 Abs.
1 Satz 1
Einkommensteuergesetz normiert zwar das sogenannte Zuflußprinzip, nach dem die Einnahmen dann bezogen sind, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen
sind. Eine uneingeschränkte Verwirklichung des Zuflußprinzips würde indessen aus steuerlicher Sicht die periodisch erwirtschafteten
Ergebnisse allzu sehr verfälschen, so daß gewisse Abweichungen unumgänglich sind. So regelt bereits §
11 Abs.
1 Satz 2
Einkommensteuergesetz, daß regelmäßig wiederkehrende Einnahmen dem Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zuzuordnen sind (vgl. Tipke/Lang,
Steuerrecht, 13. Auflage, Seite 238). Eine ähnliche Unterscheidung muß auch für § 24 Abs. 1 a BAFöG gelten (so auch Ramsauer/Stallbaum,
BAFöG, 3. Auflage 1991, Rdnr. 3 zu § 24). Das ist schon deshalb notwendig, um etwa ein Dezembergehalt, das aus irgendwelchen
Gründen erst im Januar ausbezahlt wird und damit "zufließt", sachgerecht durch § 24 Abs. 1 a BAFöG zu erfassen.
Wenn man bei der Auslegung des § 24 Abs. 1 a BAFöG hiervon ausgeht, dann sind zwar Überstundenvergütungen nach dem Zuflußprinzip
zu bewerten, weil sie unregelmäßig anfallen und eine wirtschaftliche Zugehörigkeit zu einem längeren Zeitabschnitt nicht festzustellen
ist. Eine Weihnachtsgratifikation bzw. ein 13. Monatsgehalt ist aber als regelmäßig wiederkehrende Einnahme nach dem Kriterium
der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zu bewerten.
Dafür sprechen auch Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 a BAFöG.
Wenn man die Weihnachtsgratifikation bzw. das 13. Monatsgehalt in vollem Umfang als in den Monaten Oktober bis Dezember erzielt
ansehen würde, würde dadurch das Ergebnis - gemessen am Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 a BAFöG - allzu sehr verfälscht. §
24 Abs. 1 a BAFöG spiegelt die Erwartung der Vertragspartner des Einigungsvertrags wider, daß sich die Einkommensverhältnisse
in den neuen Bundesländern bis auf weiteres schneller verbessern als in den alten Bundesländern (Erläuterung der Bundesregierung
in Bundestagsdrucksache 11/7817, Seite 176). Das Gesetz geht von einer so starken Einkommensdynamik in den neuen Bundesländern
aus, daß es die Regelung des Normalfalls in § 24 Abs. 1 BAFöG, der auf das vorletzte Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums
abstellt, als ungerechtfertigte Begünstigung ansieht. Denn das Einkommen im vorletzten Kalenderjahr spiegelt unter diesen
Umständen nicht typisch die aktuelle wirtschaftliche Situation des betreffenden Einkommensbeziehers und seiner Familie im
Bewilligungszeitraum wider, wie es in den alten Bundesländern der Fall ist. Es würden also den betroffenen Auszubildenden
in vielen Fällen Förderungsbeträge bewilligt, die nach dem Maßstab der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie
zu hoch erscheinen müßten (vgl. Ramsauer/Stallbaum, BAFöG, 3. Auflage 1991, Rdnr. 4 b zu § 24 BAFöG). Sinn und Zweck des §
24 Abs. 1 a BAFöG ist somit eine stärkere Annäherung an die aktuelle wirtschaftliche Situation des Auszubildenden und seiner
Familie, die zwar, wie der Beklagte zu Recht ausführt, durch die Ermittlung eines fiktiven Einkommens geschieht, aber doch
Bezug zur Realität haben muß. Damit ist es nicht zu vereinbaren, eine Weihnachtsgratifikation bzw. ein 13. Monatsgehalt in
vollem Umfang als in den Monaten Oktober bis Dezember erzielt anzusehen und damit bei der Berechnung des fiktiven Einkommens
zu vervierfachen. Dies wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Berechnungszeitraum
(Oktober bis Dezember des Vorjahres) und dem Bewilligungszeitraum nicht nur einmal, sondern regelmäßig Einkommenszuwächse
hätte unterstellen wollen, die um ca. 25 % höher sind, als in den alten Bundesländern üblich ist (Ramsauer/Stallbaum, BAFöG,
3. Auflage, Rdnr. 4 g zu § 24). Darauf hat sich der Gesetzgeber nicht festgelegt. Dafür ist zum einen kein hinreichender Anhaltspunkt
in der amtlichen Begründung vorhanden. Denkbare Hoffnungen auf eine derart günstige Einkommensdynamik wären auch keine geeignete
Grundlage für eine generalisierende und pauschalierende fiktive Regelung. Eine solche Regelung kann nach ihrem Sinn und Zweck
nur eine durchschnittliche Entwicklung vorwegnehmen. Dem Standpunkt des Beklagten kann ferner auch deshalb nicht beigetreten
werden, weil sonst Auszubildende, deren Eltern eine Weihnachtsgratifikation bzw. ein 13. Monatsgehalt bezogen haben, ohne
rechtfertigenden Grund schlechter behandelt würden als Auszubildende, deren Eltern nach einem anderen System besoldet werden,
durch das das Einkommen über das ganze Jahr gleichmäßig verteilt wird. Der Einwand, daß der betroffene Auszubildende auf das
Aktualisierungsverfahren nach § 24 Abs. 3 BAFöG ausweichen und dadurch unbilligen Nachteilen entgehen kann, überzeugt den
erkennenden Senat nicht. Es ist mit Sinn und Zweck dieses Aktualisierungsverfahrens nicht zu vereinbaren, es zur Korrektur
einer von vornherein verfehlten Einkommensermittlung einzusetzen. Nur dann, wenn atypische Geschehensabläufe stattfinden,
soll dieses Aktualisierungsverfahren als Ausnahme zur Grundregel Platz greifen.
Berücksichtigt man die Tatsache, daß Weihnachtsgratifikationen bzw. 13. Monatsgehälter typischerweise jährlich nur einmal
anfallen und sich auf die Leistungen des Arbeitnehmers im ganzen Jahr beziehen, so ist die Annahme gerechtfertigt, daß nur
jeweils ein Zwölftel dieser Beträge in jedem Kalendermonat erzielt worden ist. In den Monaten Oktober, November und Dezember
können somit nur drei Zwölftel des Gesamtbetrags erzielt worden sein. Aus der entsprechenden Verringerung des anzurechnenden
Einkommens der Mutter des Klägers ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf zusätzliche Ausbildungsförderung in den Monaten
April 1991 bis September 1991 in Höhe von monatlich 133,- DM. Dies ergibt sich aus der vom Beklagten vorgelegten Vergleichsberechnung,
die der erkennende Senat mit Ausnahme des darin eingestellten Freibetrags von 135,- DM für eine sonstige unterhaltsberechtigte
Person als zutreffend ansieht. Das die Freibeträge übersteigende Einkommen der Eltern des Klägers erhöht sich um 135,- DM,
von denen nach § 25 Abs. 4 BAFöG 55 %, also 74,25 DM anrechnungsfrei bleiben. Das anzurechnende Einkommen der Eltern des Klägers
erhöht sich damit gegenüber der Vergleichsberechnung um 60,-DM; entsprechend vermindert sich der Anspruch des Klägers auf
Ausbildungsförderung auf 267,- DM monatlich.
Der vom Verwaltungsgericht dem Kläger zugebilligte Freibetrag nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAFöG in Höhe von 540,- DM für
seine Großmutter mütterlicherseits als sonstige unterhaltsberechtigte Person, den der Kläger im Berufungsverfahren verteidigt
hat, kann nicht anerkannt werden. Der erkennende Senat vermag insofern auch nicht die 135,- DM anzuerkennen, die der Beklagte
in seine Vergleichsberechnung eingestellt hat.
Die Großmutter mütterlicherseits des Klägers ist im vorliegenden Fall nicht als der Mutter des Klägers gegenüber unterhaltsberechtigte
Person im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr.
4 BAFöG anzusehen. Ihr Ehegatte ist nämlich vorrangig zum Unterhalt verpflichtet (§
1608
BGB). Er ist hierzu auch in der Lage, ohne seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden. Zum einen benötigt die Großmutter
des Klägers angesichts ihrer Rente von zunächst 585,- DM, ab dem 01.07.1991 642,- DM allenfalls geringen zusätzlichen Unterhalt.
Zum anderen bezieht ihr Ehegatte eine fast doppelt so hohe Rente. Abgesehen davon müßte ein Freibetrag nach § 25 Abs. 3 Satz
1 Nr. 4 BAFöG nach § 25 Abs. 3 letzter Satz BAFöG um eigenes Einkommen der Freibetragsperson gekürzt werden. Gemäß §
22 Abs.
3 Nr.
2 und Abs.
1
BAföG kommt es, auf das Einkommen der Freibetragsperson an, das sie für den Bewilligungszeitraum erzielt, hier also für den Zeitraum
von Januar 1991 bis September 1991. Was Einkommen ist, bestimmt § 21 BAFöG. Die Rente der Großmutter in Höhe von zunächst
585,- DM, ab dem 1.07.1991 642,- DM, gehört dazu, aber nach §
21 Abs.
3 Satz 1 Nr.
4
BAföG in Verbindung mit §
2 Nr.
4 der BAFöG-Einkommensverordnung vom 21.08.1974 (BGBl I 2078), zuletzt geändert durch Artikel 52 des Gesetzes vom 18.12.1989
(BGBl I 2261) auch Leistungen des Ehegatten der Großmutter, die dieser in Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht
erbringt. Auch unter Berücksichtigung der nach § 21 BAFöG gebotenen Abzüge - der Beklagte hat insofern nach Tz 21.01.32 BAFöG
- VWV pauschal 180,- DM abgezogen - würde der Freibetrag dadurch aufgezehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
154 Abs.
2,
155 Abs.
1 Satz 3 und
188 Satz 2
VwGO.
Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt erscheint entbehrlich, da nennenswerte Kosten nicht angefallen
sind.
Die Zulassung der Revision beruht auf §
132 Abs.
2 Nr.
1
VwGO. Die Rechtsfrage, wie §
24 Abs.
1 a BAFöG in der bis zum Inkrafttreten des 15. BAFöG ÄndG vom 19.06.1992 geltenden Fassung auszulegen ist, hat grundsätzliche
Bedeutung.
Auf diese Frage kommt es noch in einer erheblichen Zahl von Fällen an.