Ausbildungsförderung - Mitwirkungspflicht; Erkundigungspflicht; Ermittlungspflicht; Antrag auf Leistungen nach dem BAföG; grobe Fahrlässigkeit; Rückforderung von Leistungen nach dem BAföG
Gründe:
Der allein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sind dann gegeben, wenn neben den für die
Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage
treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der
Tatsachenfragen bewirken und mithin der Erfolg des angestrebten Rechtsmittels zumindest offen ist. Dies ist bereits dann ausreichend
dargelegt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten
in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000, VBlBW 2000, 392, und Beschluss vom 03.03.2004, BVerfGE 110, 77, 83), wobei alle tragenden Begründungsteile angegriffen werden müssen, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf
mehrere jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Der Beklagte beanstandet im Wesentlichen, dass das Verwaltungsgericht der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden
und die Rückforderung von Leistungen nach dem
BAföG teilweise mit der Begründung stattgegeben hat, dass der Kläger bei der Nichtangabe des Sparbuchs Nr. xxxxxxx bei der Volksbank
xxxxxxxxxxxxx in Förderungsanträgen nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Nach seiner Auffassung folgt aus §
60 Abs.
1 Ziff. 1
SGB I die grundsätzliche Pflicht des Auszubildenden, "bei seinen Eltern bzw. nahen Verwandten" nachzufragen, ob Vermögen auf seinen
Namen vorhanden ist. Eine Verletzung dieser Pflicht, die auch dann bestehe, wenn der Auszubildende keine Kenntnis von dem
Vorhandensein des Sparbuchs (und des Sparkontos) habe, rechtfertige den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.
Mit diesem Vorbringen werden ernstliche Zweifel an der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgerufen. Dem Verwaltungsgericht
ist darin zu folgen, dass der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Nach dem - auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen
- Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht steht fest, dass das Sparbuch von der Großmutter des Klägers auf
dessen Namen angelegt wurde, der Kläger erst nach dem Tod der Großmutter von dessen Existenz erfuhr und auch der Freistellungsauftrag
im Jahr 1992 nicht vom Kläger, sondern von seinen Eltern unterschrieben wurde. Der Kläger hatte also weder Kenntnis von dem
auf seinen Namen angelegten Vermögen, noch bestanden für ihn irgendwelche Anhaltspunkte, die auf dessen Existenz hindeuteten.
In einem solchen Fall lässt sich eine Pflicht, bei "nahen Verwandten" nachzufragen, aus §
60 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGB I, nach dem Tatsachen lediglich anzugeben sind, nicht herleiten. Dies liefe auf eine allgemeine Erkundigungs- oder Ermittlungspflicht
hinaus, die durch diese Vorschrift gerade nicht begründet wird (BSG, Urteil vom 10.03.1993, BSGE 72, 118; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.03.1998, SGb 1999, 30; Mrozynski,
SGB I, 2003, §
60 RdNr. 23; Hauck/Noftz,
SGB I K §
60 RdNr. 10). Die zur gegenteiligen Rechtsauffassung (vgl. zu dieser etwa Mrozynski, aaO) zitierten Entscheidungen des BayObLG
(Beschlüsse vom 30.07.1993, FamRZ 1994, 599 und vom 11.01.1985, FamRZ 1985, 631) betreffen Mitwirkungspflichten in Fällen nachträglicher Veränderung der für die Leistungsgewährung maßgeblichen Verhältnisse
(vgl. §
60 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGB I), die mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt schon nicht vergleichbar sind. Da für den Kläger danach keine Pflicht bestand,
sich Kenntnisse über die mögliche Existenz eines Sparkontos zu beschaffen, kann ihm hinsichtlich dessen Nichtangabe auch kein
grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Wann aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles eine Erkundigungspflicht
des Auszubildenden bejaht werden kann und unter welchen Voraussetzungen die Verletzung dieser Pflicht den Vorwurf, die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben, rechtfertigt, bedarf im vorliegenden Fall keiner
Entscheidung; das vom Beklagten hervorgehobene "Vertrauensverhältnis" bzw. der "gute Kontakt" zur Mutter reichen insoweit
jedenfalls nicht aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß §
188 S. 2
VwGO nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
152 VwGO).