OLG München, Urteil vom 06.12.1995 - 26 WF 1084/95
Prozeßkostenhilferaten bei Sozialhilfe
»1. Soweit für Prozeßkostenhilferaten das bis 31.12.1994 geltende Recht anwendbar bleibt, sind dessen Vorschriften verfassungskonform
auszulegen. Raten dürfen nur festgesetzt werden, wenn dem Berechtigten das soziale Existenzminimum bleibt.
2. Der einem erwerbstätigen Sozialhilfeempfänger nach § 76 Abs. 2a BSHG zusätzlich zu belassende Betrag übersteigt das Existenzminimum und kann zur Zahlung von Prozeßkostenhilferaten herangezogen
werden.«
Fundstellen: OLGR-München 1996, 119, OLGReport-München 1996, 119
Normenkette: BSHG § 76 Abs. 2a
,
Vorinstanzen: AG München: 512 F 5196/93
Entscheidungstext anzeigen:
Gründe:
Die nach § 127 Abs.3 zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors hat im wesentlichen Erfolg.
Da die Prozeßkostenhilfe erstmals vor dem 1.1.1995 bewilligt wurde, gilt für sie nach Art. 3 des PKH-Änderungsgesetzes das
alte Recht fort. Damit hat der Gesetzgeber jedoch zugleich eine verfassungskonforme Auslegung dieser alten Vorschriften, welche
bei strikter Anwendung in vielen Fällen zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen würde, gebilligt. Die Anwendung des alten
Rechts führt zu einer Ratenzahlungspflicht von 120 DM monatlich. Auf die Beschwerdebegründung des Bezirksrevisors vom 22.6.1995
wird insoweit Bezug genommen. Das Ergebnis der Gesetzesanwendung wäre verfassungswidrig, wenn dem Berechtigten bei Zahlung
der Prozeßkostenhilferaten nicht das soziale Existenzminimum bliebe. So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht. Die Berechtigte
bezieht ergänzende Sozialhilfe neben eigenem Erwerbseinkommen. Aus Gründen der wirtschaftlichen Verwaltung wird nach § 76 Abs. 2a
BSHG ein Teil dieses Erwerbseinkommens anrechnungsfrei gelassen, um die Motivierung zur eigenverantwortlichen Bedarfsdeckung nicht
zu schwächen. Damit steht der Berechtigten ein über das Existenzminimum hinausgehender Betrag von mehr als 200,00 DM zur Verfügung,
den sie zur Zahlung der Prozeßkostenhilferaten heranziehen kann. Ein Fall der verfassungswidrigen Anwendung der §§
114,
115
ZPO a.F. liegt also nicht vor.
Die analoge Heranziehung des § 76 Abs. 2a
BSHG verbietet sich ebenfalls, weil der Grund für diese Privilegierung des Erwerbstätigen für die Prozeßkostenhilfe nur untergeordnete
Bedeutung hätte. Wenn der Gesetzgeber diese Vorschrift in der Neufassung der Bestimmungen über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe
berücksichtigt, so hat er damit im Interesse des Gleichlaufs von Prozeßkostenhilfe und Sozialhilfe eine Privilegierung eingeführt,
diese jedoch nicht auf die Altfälle erstreckt.
Aus Gründen der Billigkeit hebt der Senat den angefochtenen Beschluß erst für die Zukunft auf.