BGH, Urteil vom 04.05.2011 - XII ZR 70/09
Zulässigkeit einer Abänderungklage nach § 323 Abs. 4 ZPO für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt in einem vor dem 1.09.2009 eingeleiteten Verfahren; Voraussetzungen einer vom Unterhaltsberechtigten begehrten Abänderung einer einseitig erstellten Jugendamtsurkunde; Möglichkeit eines Unterhaltspflichtigen zur vorrangigen Befriedigung einer Erstausbildung bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern
a) Für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt ist in Verfahren, die vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, die Abänderungsklage nach § 323 Abs. 4 ZPO zulässig.
b) Die vom Unterhaltsberechtigten begehrte Abänderung einer einseitig erstellten Jugendamtsurkunde setzt keine Änderung der ihr zugrunde liegenden Umstände voraus. Im Rahmen eines Abänderungsbegehrens durch den Unterhaltspflichtigen ist hingegen die Wirkung eines in der Urkunde liegenden Schuldanerkenntnisses zu berücksichtigen, was geänderte Umstände seit Abgabe des Schuldanerkenntnisses voraussetzt (im Anschluss an das Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 und den Senatsbeschluss vom 14. Februar 2007 - XII ZB 171/06 - FamRZ 2007, 715).
c) Die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vorrangig befriedigen darf (im Anschluss an das Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 - XII ZR 172/92 - FamRZ 1994, 372).
d) Auch der betreuende Elternteil i. S. von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB kann ein anderer leistungsfähiger Verwandter i. S. von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB sein. Dem barunterhaltspflichtigen Elternteil kann der angemessene Selbstbehalt belassen bleiben, wenn der Kindesunterhalt von dem betreuenden Elternteil unter Wahrung dessen angemessenen Selbstbehalts gezahlt werden kann und ohne seine Beteiligung an der Barunterhaltspflicht ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde (im Anschluss an das Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 - FamRZ 2008, 137).
Fundstellen: BGHZ 189, 284, FamRB 2011, 202, FamRZ 2011, 1041, FamRZ 2011, 1647, NJ 2011, 377, NJW 2011, 1874
Normenkette:
BGB § 781
,
BGB § 1603 Abs. 2 S. 3
,
BGB § 1606 Abs. 3 S. 2
Vorinstanzen: OLG Braunschweig 24.03.2009 2 UF 102/08 , AG Wolfsburg 26.06.2006 17 F 3033/08
Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. März 2009 wird zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten zu 2 gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren tragen der Beklagte zu 1 30 % und der Beklagte zu 2 70 %. Die Beklagten tragen ihre Kosten im Revisionsverfahren selbst.
Von Rechts wegen

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