Begründungserfordernis der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
einer Rechtsfrage; Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses der Familienversicherung
Gründe:
Die Kläger begehren die Feststellung der Familienversicherung der Kläger zu 2. bis 5. Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der
Kläger zu 2. bis 5. und bei der Beklagten pflichtversichert. Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. bis
5. ist wie diese privat krankenversichert. Sein Gesamteinkommen überschreitet regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze
und ist regelmäßig höher als das Gesamteinkommen der Klägerin zu 1. Die Beklagte hat die Feststellung der Familienversicherung
abgelehnt. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.
1. Die Kläger berufen sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche
Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht
zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG
SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung
und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer
verfassungsrechtlichen Frage gilt nichts anderes. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kläger halten die Frage für klärungsbedürftig,
"ob nach der nun mehrfachen massiven Erhöhung des Bundeszuschusses zur Finanzierung der von den gesetzlichen Krankenkassen
zu erbringenden versicherungsfremden Leistungen (§
221 Abs.
1 SGB V) der Senat noch an seiner alten Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit der Zugangsbeschränkung zur Familienversicherung
in §
10 SGB V festhält".
Der Senat kann offen lassen, ob die Kläger damit eine Rechtsfrage und im Folgenden den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden
Schritt überhaupt mit hinreichender Deutlichkeit formuliert haben. Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit
der aufgeworfenen Frage nicht in der gebotenen Weise dargelegt. So impliziert schon die Fragestellung, dass die Frage der
Verfassungsmäßigkeit der Zugangsbeschränkung zur Familienversicherung in §
10 SGB V bereits durch die dort angesprochene Rechtsprechung des Senats geklärt ist. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich
entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden, hierfür ist jedoch darzulegen, dass und mit welchen Gründen der
höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist, oder dass sich
völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl BSG SozR 1500
§ 160a Nr 13). Entgegen diesen Anforderungen beschränken sich die Darlegungen der Kläger auf die Behauptung, das LSG sei bei
der Ermittlung des vom Gesetzgeber mit dem Bundeszuschuss verfolgten Ziels aufgrund unvollständigen Lesens der Materialien
zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) zu einem falschen Ergebnis gelangt. Die darüber hinaus zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit mindestens erforderliche
Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu §
10 Abs
3 SGB V und den möglichen diesbezüglichen Folgerungen aufgrund des GKV-WSG fehlt jedoch. Soweit die Kläger aus der Fachliteratur zitieren, handelt es sich um Angriffe auf die Gesetzgebung und nicht
auf die Rechtsprechung des Senats. Auch die Klärungsfähigkeit der von den Klägern formulierten Frage ist nicht anforderungsgerecht
dargelegt. Die Kläger unterlassen es schon, hierauf - wie erforderlich - ausdrücklich einzugehen, was alleine bereits zur
Unzulässigkeit der Beschwerde führt.
2. Zusätzlich erheben die Kläger die Divergenzrüge. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die eines
der mit der Norm benannten Gerichte aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere
Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten
höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht
(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht, denn sie
benennt schon keinen abstrakten Rechtssatz, den das LSG in Abweichung von der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 13.2.2008
- 2 BvL 1/06) aufgestellt haben soll. Vielmehr wenden sich die Kläger dagegen, dass das LSG seine Entscheidung auf die Rechtsprechung
des BSG stütze und nicht erkannt habe, dass diese durch das genannte Urteil des BVerfG sowie den vorausgegangenen Vorlagebeschluss
des BFH obsolet geworden sei. Hiermit rügen die Kläger ausschließlich eine unzutreffende Rechtsanwendung im Einzelfall, auf
die jedoch auch eine Zulassung wegen Divergenz nicht gestützt werden kann.
3. Soweit die Kläger ihre Beschwerde durch das Vorbringen, das LSG hätte bei vollständigem Lesen der Materialien zum GKV-WSG zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen, auch mit einer als Verfahrensfehler geltend zu machenden Verletzung des §
103 SGG ("Aufklärungsrüge") begründen wollten, kann diese gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag (im hier maßgeblichen Sinn der
ZPO) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher Beweisantrag ist jedoch nicht Gegenstand der Beschwerdebegründung.
Auch eine Gehörsrüge in Form der Verletzung der Pflicht des Gerichts, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und
zu erwägen, ist mit diesem Vorbringen nicht anforderungsgemäß dargelegt. Eine solche Pflichtverletzung kann nur dann festgestellt
werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE 96, 205, 217 mwN). Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen. Vielmehr fehlt schon im Ansatz ein Hinweis darauf, dass die Ausführungen
der Beschwerdebegründung zum Inhalt der Materialien zum GKV-WSG bereits Bestandteil des Klägervortrags vor dem LSG waren.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, der im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anzuwenden ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 193 Nr 3).