Berechnung des nachehelichen Unterhalts unter Anwendung der Berechnungsmethode der sog. Dreiteilung unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen"; Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung hinsichtlich
eines Systemwechsels zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts; Maßgeblichkeit der individuellen Lebensverhältnisse der
Ehe zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung für die Bestimmung des nachehelichen Unterhalts; Verstärkung des Grundsatzes
der wirtschaftlichen Eigenverantwortung jedes Ehegatten im Geschiedenenunterhaltsrecht; Rechtfertigung der Privilegierung
des ersten Ehegatten unter dem Aspekt des Kindeswohls
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die vom Bundesgerichtshof zur Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB entwickelte neue Rechtsprechung zu den "wandelbaren Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten
Dreiteilung zur Feststellung des nachehelichen Unterhaltsbedarfs.
I.
1.
a)
Das Maß nachehelich zu gewährenden Unterhalts war in der Vergangenheit wiederholt gesetzlichen Änderungen unterworfen. Während
zunächst nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 1. Januar 1900 gemäß §
1578 BGB a.F. nach der Scheidung standesgemäßer Unterhalt zu gewähren war, der sich gemäß §
1610 BGB a.F. nach der Lebensstellung des Bedürftigen richtete, war nach den Bestimmungen des zum 1. August 1938 in Kraft getretenen
Ehegesetzes nach der Scheidung einer Ehe der nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene Unterhalt geschuldet. Mit
dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl I S. 1421) wurde das nacheheliche Unterhaltsrecht neu geordnet. Dabei wurde das Maß des nachehelichen Unterhalts in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB geregelt. Es richtete sich in Anlehnung an die Bestimmungen des Ehegesetzes - bis heute unverändert - nach den ehelichen
Lebensverhältnissen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, dass für deren Bestimmung grundsätzlich die individuellen
Lebensverhältnisse der Ehe zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung maßgeblich sein sollten. Damit wollte der Gesetzgeber
den Fällen gerecht werden, in denen durch die gemeinsame Leistung der Eheleute ein höherer sozialer Status erreicht worden
war, an dem beide Eheleute nach der Auflösung ihrer Ehe einen gleichwertigen Anteil erhalten sollten (BRDrucks 266/71, S.
79).
Nach dem in §
1569 BGB a.F. normierten Grundsatz der Eigenverantwortung, der durch das Prinzip der nachwirkenden ehelichen Mitverantwortung allerdings
eingeschränkt wurde, setzte die Gewährung nachehelichen Unterhalts zunächst das Bestehen bestimmter, gesetzlich umschriebener
Bedürfnislagen voraus. Sodann war nach §
1581 BGB eine Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen vorgesehen. Für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige nicht
in der Lage war, allen Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu leisten, wurde in §
1582 BGB a.F. sowie in §
1609 BGB a.F. geregelt, dass Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten im selben Rang wie Unterhaltsansprüche minderjähriger
und ihnen nach §
1603 Abs.
2 Satz 2
BGB a.F. gleichgestellter volljähriger Kinder standen und den Unterhaltsansprüchen nachfolgender Ehepartner grundsätzlich vorgingen.
b)
Mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3189) hat der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht erneut reformiert und an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse sowie den
eingetretenen Wertewandel angepasst.
Im Geschiedenenunterhaltsrecht gilt seitdem der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung jedes Ehegatten verstärkt.
§
1569 BGB lautet nun:
Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, hat er gegen
den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.
§
1578 BGB, der das Maß des zu gewährenden Unterhalts vorgibt, ist unverändert geblieben und hat nach wie vor folgenden Wortlaut:
(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf....
Nach §
1578b BGB kann allerdings der nacheheliche Unterhalt unabhängig davon, auf welchen Unterhaltstatbestand er sich gründet, herabgesetzt
und zeitlich begrenzt werden. Die Vorschrift lautet:
(1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den
ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten
zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche
Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung
von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
(2) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch
auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig
wäre. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs können miteinander verbunden werden.
Die Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter ist in §
1609 BGB neu festgelegt worden. Die Vorschrift bestimmt nun:
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt
folgende Rangfolge:
1. minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten
und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile
im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
...
c)
Ziel der Reform ist neben der Vereinfachung des Unterhaltsrechts insbesondere die Stärkung des Kindeswohls sowie die wirtschaftliche
Entlastung sogenannter Zweitfamilien gewesen (BTDrucks 16/1830, S. 1 ff.). Dafür hat der Gesetzgeber die Schwächung der unterhaltsrechtlichen
Position geschiedener Ehegatten in Kauf genommen.
Der Stärkung des Kindeswohls soll im Mangelfall die Einräumung des ersten Ranges der Unterhaltsansprüche minderjähriger und
ihnen gemäß §
1603 Abs.
2 Satz 2
BGB gleichgestellter Kinder vor sämtlichen Unterhaltsansprüchen anderer Unterhaltsberechtigter (§
1609 Nr.
1 BGB) sowie die Einräumung des zweiten Ranges der Unterhaltsansprüche Kinder betreuender Elternteile (§
1609 Nr. 2
BGB) dienen. Die Änderung der Rangregelung hat der Gesetzgeber damit begründet, dass die bestehende Privilegierung des ersten
Ehegatten unter dem Aspekt des Kindeswohls nicht zu rechtfertigen sei. Künftig zähle nicht mehr die zeitliche Priorität der
Eheschließung, sondern allein die Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Berechtigten; der geschiedene Ehepartner genieße keinen
Vertrauensschutz dahin, dass sich der Kreis der unterhaltsberechtigten Personen nach der Scheidung nicht mehr erweitere. Künftig
solle im Falle der Konkurrenz zwischen mehreren Ehegatten das Gleiche wie bei der Konkurrenz der Unterhaltsansprüche mehrerer
Kinder gelten, die in diesem Fall eine Schmälerung des auf sie entfallenden Unterhaltsanteils hinnehmen müssten (BTDrucks
16/1830, S. 22 ff.).
Der wirtschaftlichen Entlastung sogenannter Zweitfamilien dient die mit der besseren Ausbildungs- und Arbeitssituation von
Frauen begründete Erhöhung der Anforderungen an die Gewährung nachehelichen Unterhalts. Hierzu zählen insbesondere die Betonung
der Erwerbsobliegenheit geschiedener Ehegatten in §
1569 BGB sowie die Erweiterung der Befristungs- und Begrenzungsmöglichkeiten nachehelichen Unterhalts gemäß §
1578b BGB.
Allerdings hat der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht schonend an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anpassen wollen.
Deshalb hat er neben der Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gemäß §
1581 BGB die Regelung des Unterhaltsmaßes nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB ausdrücklich unverändert gelassen (BTDrucks 16/1830, S. 18). Außerdem hat er Ehegatten aus lang bestehenden Ehen in §
1609 Nr. 2
BGB und in § 36 EGZPO einen besonderen Vertrauensschutz eingeräumt.
2.
Der Bundesgerichtshof hat den Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse seit Inkrafttreten des geltenden §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB am 1. Juli 1977 in einer Vielzahl von Entscheidungen konkretisiert.
a)
Zunächst ging er in Anlehnung an die Regelungen des Ehegesetzes in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für die Bestimmung
der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung maßgeblich seien,
es sei denn, das Einkommen eines Ehegatten hatte während des Getrenntlebens bis zur Scheidung eine unerwartete, vom Normalverlauf
erheblich abweichende und damit nicht zu berücksichtigende Entwicklung genommen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 650/80 -, FamRZ 1982, S. 360 <361>). Demgegenüber bezog er nach Rechtskraft der Scheidung eintretende Veränderungen in die Bestimmung des Unterhaltsmaßes
zunächst nur ein, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde lag, die zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
erwarten gewesen war und deren Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte (vgl. BGH, Urteil vom 27.
November 1985 - IVb ZR 78/84 -, FamRZ 1986, S. 148 <149>). Später anerkannte der Bundesgerichtshof auch solche Einkünfte als prägend, die nach der Scheidung seitens desjenigen
Ehegatten erzielt wurden, der während der Ehe die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hatte. Zur Begründung verwies
er darauf, eine nach der Scheidung aufgenommene Erwerbstätigkeit ersetze lediglich die Haushaltsführung, die die Ehe geprägt
habe, und komme ihr im Wert gleich (vgl. BGHZ 148, 105 ff.).
b)
Mit Urteil vom 29. Januar 2003 hat der Bundesgerichtshof begonnen, seine bisherige, im Wesentlichen am Stichtag der Rechtskraft
der Scheidung orientierte Rechtsprechung zur Bestimmung des Unterhaltsmaßes aufzugeben. Er geht nunmehr davon aus, dass die
für die Höhe des Unterhaltsbedarfs maßgeblichen Lebensverhältnisse einer geschiedenen Ehe Veränderungen unabhängig davon erfahren
können, ob diese in der Ehe angelegt waren und damit eine Anbindung an die vormaligen ehelichen Lebensverhältnisse besitzen
(vgl. BGHZ 153, 358 <364 f.>; 166, 351 <362>; 171, 206 <215 f.>).
Dabei hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Februar 2008 auch nach Rechtskraft der Scheidung entstehende Unterhaltspflichten
gegenüber Kindern (vgl. BGHZ 175, 182 <195 ff.>) und mit Urteil vom 30. Juli 2008 erstmals auch eine Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehepartner (vgl. BGHZ
177, 356 <367 ff.>) in die Bemessung des Bedarfs des vorangegangenen, geschiedenen Ehegatten gemäß §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB einbezogen. Dazu hat er ausgeführt, die Unterhaltsansprüche einander nachfolgender Ehegatten nach §
1360a BGB beziehungsweise §§
1569 ff.
BGB seien einander monetär vergleichbar und beeinflussten sich infolge derWandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse bis
hin zur vollständigen Angleichung wechselseitig. Der Grundsatz der Halbteilung gebiete, dass dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich
derselbe Betrag verbleibe, den er dem Unterhaltsberechtigten leisten müsse. Folgten zwei unterhaltsbedürftige Ehegatten einander
nach, müsse ihm daher ebenso wie den beiden Unterhaltsberechtigten ein Drittel aller verfügbaren Mittel zukommen. Der Unterhaltsbedarf
des geschiedenen Ehegatten sei daher zu ermitteln, indem seine bereinigten Einkünfte ebenso wie diejenigen des Unterhaltspflichtigen
und dessen neuen Ehepartners zusammengefasst und durch drei geteilt würden (sogenannte Dreiteilungsmethode).
In das Gesamteinkommen bezieht der Bundesgerichtshof das tatsächliche Einkommen der Beteiligten ein, damit namentlich auch
die durch die Wiederverheiratung erzielten Splittingvorteile (vgl. BGHZ 177, 356 <375 ff.>) sowie Einkommenserhöhungen infolge eines die Ehe nicht prägenden, nachehelichen Karrieresprungs des Unterhaltspflichtigen,
soweit diese die neu hinzugetretene Unterhaltsverpflichtung auffangen (vgl. BGHZ 179, 196 <207 f.>). Er geht inzwischen zudem weiter davon aus, dass für die Bemessung des von dem zweiten Ehepartner erzielten Einkommens
nicht die in der zweiten Ehe gewählte Rollenverteilung ausschlaggebend ist, sondern dass dem nachfolgenden Ehepartner dasjenige
Einkommen anzurechnen ist, welches er im Falle der Scheidung seiner eigenen Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen nach §
1569 BGB zu erzielen verpflichtet wäre (vgl. BGHZ 183, 197 <212 ff.>). Mittels einer Kontrollrechnung stellt der Bundesgerichtshof schließlich sicher, dass der geschiedene Ehegatte
maximal in der Höhe Unterhalt erhält, die sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte (vgl. BGHZ
177, 356 <367 f.>).
3.
In der fachwissenschaftlichen Literatur hat die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB teilweise Zustimmung (Gerhardt, FamRZ 2007, S. 945 <946>; Gutdeutsch, FamRZ 2010, S. 1874 <1874 f.>; Kemper, FuR 2009, S. 372 <379>; Klinkhammer, FF 2009, S. 140 <140 ff.>), vielfach aber auch Kritik erfahren (Borth, FamRZ 2006, S. 852 <852 f.>; Brudermüller, FF 2010, S. 134 <137 ff.>; Graba, FamRZ 2010, S. 1131 <1134 ff.>; Griesche, FPR 2008, S. 63 <64 ff.>; Maurer, FamRZ 2008, S. 1985 <1989 ff.>; Norpoth, FamRZ 2009, 23 <26 f.>; Soyka, FuR 2010, S. 305 <306>; Weber-Monecke, in: Münchner Kommentar zum
BGB, 5. Aufl. 2010, §
1361 Rn. 14 f.).
Seitens der Befürworter wird vertreten, die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den sogenannten wandelbaren Lebensverhältnissen
werde der Lebenswirklichkeit besser gerecht als eine strikt an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichtete Bedarfsbestimmung.
Die wechselseitige Beeinflussung der Unterhaltsbedarfe einander nachfolgender Ehepartner lasse sich mit dem neu geregelten
Gleichrang ihrer Unterhaltsansprüche in §
1609 Nr. 2 und 3
BGB rechtfertigen. Der Gesetzgeber billige die geänderte Rechtsprechung, da er das Unterhaltsmaß in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB in Kenntnis der neuen Rechtsprechung keiner Änderung unterzogen und darüber hinaus betont habe, dass nicht die Priorität
der Unterhaltsansprüche zähle, sondern die Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Unterhaltsberechtigten sowie der Ausgleich ehebedingter
Nachteile.
Nach Ansicht der Kritiker fehlt der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die dogmatische Rechtfertigung. Der Wortlaut
des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB schließe es aus, nacheheliche Änderungen in die Bedarfsbemessung einzubeziehen, denen jeglicher Bezug zu der früheren Ehe
fehle, sondern die, wie insbesondere Unterhaltspflichten gegenüber nachfolgenden Ehepartnern, erst durch die Scheidung der
Ehe ermöglicht würden. Die starre Dreiteilungsmethode widerspreche der an den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen
ausgerichteten Bedarfsbestimmung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB. Die neue Bedarfsermittlungsmethode hebe überdies die systematische Differenzierung zwischen der Bedarfsbestimmung nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB und der Leistungsfähigkeit nach §
1581 BGB auf. Sie widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, der über die infolge der Unterhaltsrechtsreform eingetretene Schwächung
der Rechtsstellung des geschiedenen Ehepartners hinaus keine weitere Verschlechterung dessen unterhaltsrechtlicher Position
bezweckt habe. Die neue Berechnungsmethode benachteilige den vorangegangenen Ehegatten infolge der Kontrollrechnung und belaste
den nachfolgenden Ehegatten mit einer während des ehelichen Zusammenlebens nicht bestehenden Erwerbsobliegenheit.
II.
Die Beschwerdeführerin war von 1978 bis 2002 mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens verheiratet. Dieser wurde im Zuge der Scheidung
verurteilt, der Beschwerdeführerin nachehelichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 618 € monatlich zu zahlen. Der Kläger des
Ausgangsverfahrens ist seit Juni 2008 wieder verheiratet.
1.
Im Ausgangsverfahren änderte das Amtsgericht mit Urteil vom 25. Juni 2009 die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gemäß §
323 ZPO dahin ab, dass er der Beschwerdeführerin nur noch Unterhalt in Höhe von 488 € im Monat zahlen müsse. Dabei bestimmte das
Amtsgericht das Maß des der Beschwerdeführerin zu gewährenden Unterhalts entsprechend der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
nach der Dreiteilungsmethode. Es ging von einem teilweise fiktiv angesetzten, bereinigten und prägenden Einkommen der Beschwerdeführerin
in Höhe von 958 €, einem um berufsbedingte Aufwendungen und den Erwerbstätigenbonus reduzierten sowie um Zinseinkünfte erhöhten,
prägenden Einkommen des Klägers in Höhe von 2.934 € (Steuerklasse I) sowie einem Renteneinkommen der nachfolgenden Ehefrau
des Klägers in Höhe von 530 € im Monat aus und kam im Wege der Dreiteilung des Gesamtbetrags zu einem Unterhaltsbedarf in
Höhe von jeweils 1.474 €. Sodann berücksichtigte das Amtsgericht auf Seiten des Klägers und seiner gegenwärtigen Ehefrau Synergieeffekte
gemeinsamen Wirtschaftens, die es zu einer Reduzierung ihres Unterhaltsbedarfs um jeweils 5 % und damit zu einer Erhöhung
des Unterhaltsbedarfs der Beschwerdeführerin um 10 % veranlassten. Den sich danach ergebenden Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin
in Höhe von rund 1.621 € reduzierte es dann um deren eigene prägende und weitere nicht prägende Einkünfte auf den titulierten
Betrag. Durch Urteil vom 4. März 2010 hielt das Oberlandesgericht das Urteil des Amtsgerichts hinsichtlich der Unterhaltsbemessung
mit dem Hinweis aufrecht, es folge ebenfalls der neuen Bedarfsermittlungsmethode des Bundesgerichtshofs.
2.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art.
2 Abs.
1 GG. Die Auslegung des §
1578 Abs. 1 Satz 1
BGB im Sinne wandelbarer Lebensverhältnisse, noch dazu verbunden mit der Berechnungsmethode der Dreiteilung, überschreite die
Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung und verletze sie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit. Weder der Wortlaut
des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB noch seine systematische Einordnung in den Gesetzeskontext böten eine ausreichende Grundlage für die der geänderten Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende Annahme, gegenüber einem nachfolgenden Ehegatten eingegangene Unterhaltsverpflichtungen
bestimmten die ehelichen Lebensverhältnisse der vorangegangenen Ehe. Überdies habe das Oberlandesgericht die gesetzgeberische
Ausgestaltung des Art.
6 Abs.
1 GG in §
1578 Abs. 1 Satz 1
BGB und die damit verbundene Grundentscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen gleichen Teilhabe
geschiedener Eheleute am gemeinsam Erwirtschafteten sowie der Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit einander nachfolgender
Ehen grundlegend verkannt.
III.
Zu dem Verfahren haben der Bundesgerichtshof, die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht, der Interessenverband Unterhalt
und Familienrecht, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund, der Verband alleinerziehender Mütter und
Väter sowie der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen.
Der Bundesgerichtshof hat zunächst auf die tragenden Erwägungen seiner geänderten Rechtsprechung Bezug genommen. Seiner Ansicht
nach ist die Anknüpfung der nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB maßgebenden Umstände an den Stichtag der Rechtskraft der Scheidung überholt. §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB begründe keine die früheren ehelichen Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende Lebensstandardgarantie. Nachehelicher
Unterhalt sei vielmehr in dem Maße zu gewähren, wie eine Teilhabe des bedürftigen Ehegatten an dem aufgrund gemeinsamer Leistung
erreichten Lebensstandard des unterhaltspflichtigen Ehegatten gerechtfertigt sei. Sinke der Lebensstandard des Unterhaltsschuldners
nach Rechtskraft der Scheidung dauerhaft ab und beruhe dies nicht auf einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten oder
freiwilligen beruflichen Dispositionen, müsse der Unterhaltsberechtigte die Absenkung seines Unterhaltsanspruchs hinnehmen,
selbst wenn der Einkommensrückgang während des Bestehens der Ehe nicht vorauszusehen gewesen sei. Die Bestimmung des Unterhaltsmaßes
wolle, jedenfalls im Prinzip, nur die Risiken der mit der Scheidung fehlgeschlagenen Lebensplanung der Ehegatten und der von
ihnen in der Ehe praktizierten Arbeitsteilung angemessen ausgleichen, nicht aber den bedürftigen Ehegatten nach der Scheidung
wirtschaftlich besser stellen als er ohne die Scheidung stünde. Werde der Bedarf nachfolgender Ehepartner bei der Bestimmung
des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten nicht berücksichtigt, übersteige dessen Unterhaltsanspruch das dem Unterhaltspflichtigen
für seinen eigenen Unterhalt verbleibende Einkommen, was gegen den Grundsatz der Halbteilung verstoße.
Die geänderte Rechtsprechung fasse zwar vereinfachend Bedarf nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB und Leistungsfähigkeit nach §
1581 BGB zusammen, beachte aber die gesetzlichen Wertungen der Unterhaltsrechtsreform von 2007. Aus deren Anlass habe der Gesetzgeber
ausgeführt, der geschiedene Ehegatte müsse sich bei Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter eine Schmälerung seines Unterhaltsanteils
gefallen lassen und habe keinen Vertrauensschutz dahin, dass sich durch die Gründung einer Zweitfamilie der Kreis der unterhaltsberechtigten
Personen nicht erweitere und damit seine Unterhaltsquote verkürze. Dem sei zu entnehmen, dass keine Lebensstandardgarantie
mehr gewährt werden solle. Die Dreiteilungsmethode, die jedem Beteiligten denselben Anteil zuweise, entspreche dem Ziel der
jüngsten Unterhaltsrechtsreform, nachfolgenden Ehegatten denselben Unterhaltsbedarf einzuräumen und die Gründung von Zweitfamilien
zu erleichtern. Außerdem führe sie zu der vom Gesetzgeber bezweckten Vereinfachung der Unterhaltsberechnung.
Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) von 1976 ergebe sich,
dass bereits damals eine Dreiteilung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zur Feststellung des Unterhaltsbedarfs mehrerer
Ehegatten habe erfolgen sollen (BTDrucks 7/4361, S. 33 f.).
2.
Die von der Wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht, vom Interessenverband Unterhalt und Familienrecht und vom Kläger
des Ausgangsverfahrens abgegebenen Stellungnahmen halten die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für verfassungsgemäß.
Die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht ist der Ansicht, für die Beurteilung des Unterhaltsmaßes könne nicht alleine
auf den ungenauen und missverständlichen Wortlaut des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB abgestellt werden. Es stelle keinen Widerspruch zum System des Unterhaltsrechts dar, den geschuldeten Unterhalt in einem
einheitlichen, die Interessen aller Beteiligten wahrenden Vorgang zu errechnen. Die neue Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der dem Unterhaltsberechtigten in erster Linie eine Teilhabe am gemeinsam erarbeiteten
Lebensstandard einräumen wolle. Daher müssten nacheheliche, den Lebensstandard des Unterhaltsschuldners reduzierende Unterhaltspflichten
in die Bedarfsbestimmung einbezogen werden, um zu vermeiden, dass der geschiedene Ehegatte unter Verstoß gegen die Gleichwertigkeit
des Unterhaltsbedarfs des ersten und zweiten Ehegatten mehr Unterhalt erhalte als der Unterhaltspflichtige und der nachfolgende
Ehepartner.
3.
Der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Juristinnenbund sowie der Verband alleinerziehender Mütter und Väter sind dagegen
der Auffassung, die neue Rechtsprechung sei verfassungswidrig. Die geänderte Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB widerspreche dessen Wortlaut und dessen systematischer Einordnung in den Normenkontext.
Dabei heben der Deutsche Juristinnenbund und der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hervor, die Auslegung sei nicht
vom Willen des Gesetzgebers der Unterhaltsrechtsreform von 2007 gedeckt, der über die Gesetzesänderungen hinaus keine weitere
Verschlechterung der unterhaltsrechtlichen Position des geschiedenen Ehegatten vorgesehen habe.
Der Deutsche Familiengerichtstag betont, die Dreiteilungsmethode führe zu einer Verringerung bereits des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten
und damit zu einem unrealistisch niedrigen Ausgangsbetrag, bevor über eine Befristung und Begrenzung des Unterhalts nach Leistungsfähigkeit
und Billigkeit zu entscheiden sei. Außerdem ergäben sich für den Unterhaltsberechtigten negative Folgen hinsichtlich der Einsatzzeitpunkte
der §§
1571 ff.
BGB.
Nach Ansicht des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter unterläuft die Einbeziehung von Unterhaltspflichten gegenüber
einem nachfolgenden Ehegatten in die Bedarfsbemessung des geschiedenen Ehepartners den mit der Unterhaltsreform bezweckten
Ausgleich ehebedingter Nachteile.
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung schränkt die Beschwerdeführerin in verfassungswidriger
Weise in ihrer von Art.
2 Abs.
1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit ein, indem sie die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreitet und damit
das Rechtsstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
3 GG) verletzt.
I.
Art.
2 Abs.
1 GG gewährleistet jedem allgemeine Handlungsfreiheit, soweit er nicht Rechte anderer verletzt und nicht gegen das Sittengesetz
oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt; zu dieser gehört jede Rechtsnorm, die formell und materiell mit der Verfassung
in Einklang steht (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 f.>; 55, 159 <165>; 63, 88 <109>; 74, 129 <151 f.>; 80, 137 <152 f.>).
Stützt sich ein die Handlungsfreiheit berührender Akt der öffentlichen Gewalt auf eine Rechtsnorm, so kann mit der Verfassungsbeschwerde
unter Berufung auf Art.
2 Abs.
1 GG zur Nachprüfung gestellt werden, ob diese Norm zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört (vgl. BverfGE 6, 32 <37 f.>; 80, 137
<152 f.>). Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art.
2 Abs.
1 GG wird damit zum Maßstab für die Bestimmungen des Unterhaltsrechts, da die Gewährung von Unterhalt dem Unterhaltsberechtigten
wirtschaftliche Handlungsfreiheit eröffnet und umgekehrt die Auferlegung einer Unterhaltspflicht in die durch Art.
2 Abs.
1 GG geschützte, wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Unterhaltspflichtigen eingreift (vgl. BverfGE 57, 361 <378, 381>; BverfGK
7, 135 <138>; 9, 437 <440>; 10, 84 <87>; stRspr).
Das nacheheliche Unterhaltsrecht und insbesondere die verfahrensgegenständliche Bestimmung des Maßes nachehelich zu gewährenden
Unterhalts nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB bedarf danach einer rechtlichen Ausgestaltung, bei der die Handlungsfreiheit sowohl des Unterhaltsberechtigten wie auch des
Unterhaltsverpflichteten unter Berücksichtigung des Schutzes aus Art.
6 Abs.
1 GG in Ausgleich zu bringen ist. Art.
6 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
3 Abs.
2 GG schützt als wertentscheidende Grundsatznorm die Ehe als Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner, in der die Ehegatten
ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen und bei der die Leistungen, die
sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung jeweils erbringen, als
gleichwertig anzusehen sind. Aus dieser Gleichwertigkeit folgt, dass beide Ehegatten grundsätzlich Anspruch auf gleiche Teilhabe
am gemeinsam Erwirtschafteten haben, das ihnen grundsätzlich zu gleichen Teilen zuzuordnen ist (vgl. BverfGE 105, 1 <10 ff.>).
Das Prinzip gleicher Teilhabe gilt nicht nur während des Bestehens der Ehe, sondern entfaltet für den Fall eines gesetzlich
geregelten Unterhaltsanspruchs seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung, insbesondere auf die unterhaltsrechtliche Beziehung
der Eheleute untereinander. Bei der Unterhaltsbemessung ist das Einkommen, das den Lebensstandard der Ehe geprägt hat, den
Ehegatten daher grundsätzlich hälftig zuzuordnen, unabhängig davon, ob es nur von einem oder von beiden Ehegatten erzielt
worden ist (vgl. BverfGE 63, 88 <109>; 105, 1 <12>). Bei der gesetzlichen Ausgestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts
ist zudem zu berücksichtigen, dass einander nachfolgende Ehen durch Art.
6 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
3 Abs.
1 GG gleichrangig und gleichwertig geschützt werden (vgl. BverfGE 66, 84 <94 f.>; 108, 351 <364>). Damit sind Modifikationen des
Grundsatzes gleicher Teilhabe nicht ausgeschlossen.
2.
Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, ist der Gesetzgeber den aus Art.
6 Abs.
1 GG folgenden Anforderungen bei der Ausgestaltung des nachehelichen Unterhaltsrechts gerecht geworden, indem er seit Inkrafttreten
des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) am 1. Juli 1977 die Gewährung nachehelichen Unterhalts
von der Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten (§
1569 BGB) und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (§
1581 BGB) abhängig macht und dabei das Maß des nachehelichen Unterhalts individuell an den ehelichen Lebensverhältnissen der geschiedenen
Ehe ausrichtet (§
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB). Dieses Unterhaltsmaß steht in Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot gleicher Teilhabe geschiedener Ehegatten am
gemeinsam Erwirtschafteten (vgl. BverfGE 105, 1 <12>) sowie der nach der Scheidung fortwirkenden Verantwortung der Eheleute
füreinander (vgl. BverfGE 57, 361 <380>), die dann zum Tragen kommt, wenn ein geschiedener Ehegatte in gesetzlich bestimmten
Bedarfslagen außerstande ist, für sich selbst zu sorgen.
Die Ausrichtung des Unterhaltsmaßes am jeweils in einer Ehe erreichten Lebensstandard unter Berücksichtigung des nach der
Ehe von beiden geschiedenen Ehegatten erzielten oder erzielbaren Einkommens stimmt auch mit der grundsätzlichen Gleichwertigkeit
und Gleichrangigkeit einander folgender Ehen überein.
Dass der Gesetzgeber bei Inkrafttreten der Reform des Ehe- und Familienrechts 1977 der geschiedenen Ehefrau unterhaltsrechtlich
den Vorrang vor einer nachfolgenden Ehefrau eingeräumt hat, war gerechtfertigt durch den Umstand, dass damals Ehen noch überwiegend
als sogenannte Hausfrauenehen geführt wurden und Ehefrauen nach einer Scheidung deshalb oftmals nicht (mehr) in der Lage waren,
selbst für ihren Unterhalt zu sorgen (vgl. BverfGE 57, 361 <389>), während sich eine nachfolgende Ehefrau auf die wirtschaftliche
Last aus der ersten Ehe einrichten konnte (vgl. BverfGE 66, 84 <98>; 108, 351 <364 f.>). Aufgrund der mittlerweile eingetretenen
gesellschaftlichen Entwicklung, die zu anderen Rollenverteilungen in der Ehe, häufigeren Scheidungen und Wiederverheiratungen
sowie einer besseren beruflichen Ausbildung und erhöhten Erwerbstätigkeit bei Frauen geführt hat, hat der Gesetzgeber diesen
Vorrang der geschiedenen Ehefrau durch die Neuregelung der §§
1569,
1578b und
1609 BGB abgebaut und damit der Gleichrangigkeit der Ehen unter den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen hinreichend Rechnung
getragen.
3.
a)
Nicht nur die Rechtsnormen selbst, sondern auch ihre Anwendung und Auslegung durch die Gerichte setzen der allgemeinen Handlungsfreiheit
Grenzen. Die Anwendung freiheitsbeschränkender Gesetze durch die Gerichte steht ihrerseits nur solange mit Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
3 GG) in Einklang, wie sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung bewegt.
Die Auslegung des einfachen Rechts, die Wahl der hierbei anzuwendenden Methoden sowie seine Anwendung auf den Einzelfall sind
Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht nicht auf ihre Richtigkeit zu untersuchen. Nur wenn
die Gerichte hierbei Verfassungsrecht verletzen, kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen.
Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine Entscheidung am einfachen Recht gemessen objektiv fehlerhaft ist (vgl. BverfGE
1, 418 <420>; 18, 85 <92 f.>; 113, 88 <103>). Setzt sich die Auslegung jedoch in krassen Widerspruch zu den zur Anwendung
gebrachten Normen und werden damit ohne entsprechende Grundlage im geltenden Recht Ansprüche begründet oder Rechtspositionen
verkürzt, die der Gesetzgeber unter Konkretisierung allgemeiner verfassungsrechtlicher Prinzipien gewährt hat, so beanspruchen
die Gerichte Befugnisse, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen sind (vgl. BverfGE 49, 304 <320>; 69, 315 <372>;
71, 354 <362 f.>; 113, 88 <103>).
b)
Art.
20 Abs.
2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im
Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ
ausgestaltet worden ist (vgl. BverfGE 9, 268 <279 f.>; 96, 375 <394>; 109, 190 <252>), schließt es doch aus, dass die Gerichte
Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders
in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (vgl. BverfGE 96, 375 <394>;
109, 190 <252>; 113, 88 <103 f.>). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle
Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt (vgl. BverfGE 82, 6 <12>; BverfGK 8, 10 <14>).
Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten
Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung
zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt
(vgl. BverfGE 49, 304 <318>; 82, 6 <12>; 96, 375 <394>; 122, 248 <267>). Der Aufgabe und Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung
und Rechtsfortbildung" sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung
der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt (vgl. BverfGE 34, 269 <288>; 49, 304 <318>; 57, 220 <248>; 74, 129 <152>). Der Richter
darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung
respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat
hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen (vgl. BverfGE 84, 212 <226>; 96, 375 <395>). Eine Interpretation,
die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und
vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt
wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BverfGE 118, 212 <243>).
Da die Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, obliegt die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang gewandelte
Verhältnisse neue rechtliche Antworten erfordern, wiederum den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht darf deren Würdigung
daher grundsätzlich nicht durch seine eigene ersetzen (vgl. BverfGE 82, 6 <13>). Seine Kontrolle beschränkt sich darauf, ob
die rechtsfortbildende Auslegung durch die Fachgerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung und dessen Ziele respektiert
(vgl. BverfGE 78, 20 <24>; 111, 54 <82>) und ob sie den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgt (vgl. BverfGE 96,
375 <395>; 113, 88 <104>; 122, 248 <258>).
4.
Diesen Maßstäben hält die der angegriffenen Entscheidung zugrunde
liegende Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB nicht stand. Sie löst sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung nachehelichen Unterhalts und ersetzt es durch
ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreitet sie die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung.
a)
aa)
Mit der Einführung des verschuldensunabhängigen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrechts durch das am 1. Juli 1977 in Kraft
getretene Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) hat der Gesetzgeber die schon seit Entstehung des
Bürgerlichen Gesetzbuches geltende Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf des Berechtigten, Leistungsfähigkeit des Verpflichteten
und Rang der Unterhaltsansprüche in §
1569 ff.
BGB näher ausgestaltet. Dabei hat er die Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten in §
1569 BGB a.F., dessen Unterhaltsbedarf in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB, die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen in §
1581 BGB sowie die Rangfolge der Gewährung von Unterhalt bei Zusammentreffen mehrerer Unterhaltsberechtigter im Mangelfall in §§
1582,
1609 BGB a.F. geregelt.
Die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB stellt nach diesem normativen Konzept den Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung dar, an dessen Ermittlung sich die Prüfung
der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sowie der Verteilung verfügbarer Geldmittel des Pflichtigen im Mangelfall
anschließt. Mit der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den "ehelichen Lebensverhältnissen" hat der Gesetzgeber auf die individuellen
Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen, die er zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung bestimmt
wissen will (BRDrucks 266/71, S. 79). Damit hat der Gesetzgeber den Fällen gerecht werden wollen, in denen die Eheleute in
der Ehe durch gemeinsame Leistung einen höheren sozialen Status erreicht haben, an dem der unterhaltsberechtigte Ehegatte
auch nach der Scheidung einen gleichwertigen Anteil erhalten sollte (BRDrucks 266/71, S. 79). Dem Unterhaltsberechtigten sollte
also nach der Scheidung der erreichte Lebensstandard gesichert und insbesondere sein sozialer Abstieg vermieden werden (vgl.
BverfGE 57, 361 <389>).
bb)
An dieser Strukturierung des nachehelichen Unterhaltsrechts hat der Gesetzgeber anlässlich der Unterhaltsrechtsreform von
2007 festgehalten. Nach wie vor differenziert er bei der Prüfung der Gewährung nachehelichen Unterhalts zwischen der Unterhaltsbedürftigkeit
des Berechtigten gemäß §
1569 BGB n.F., dessen Unterhaltsbedarf nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB, der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen nach §
1581 BGB sowie der Rangfolge im Mangelfall nach §
1609 BGB n.F. Innerhalb dieser unverändert gebliebenen Systematik hat der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen einer zu Unterhalt
berechtigenden Bedürftigkeit sowie die Herabsetzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs neu gestaltet und die Rangfolge
beim Zusammentreffen mehrerer Unterhaltsansprüche im Mangelfall geändert, jedoch an der Ausrichtung des Unterhaltsmaßes sowie
den Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festgehalten.
(1)
In Reaktion auf die geänderte gesellschaftliche Situation, insbesondere die steigenden Scheidungszahlen sowie die vermehrte
Gründung sogenannter Zweitfamilien einerseits und die geänderte Rollenverteilung in der Ehe sowie die verbesserte Ausbildungs-
und Arbeitssituation der Frauen andererseits (BTDrucks 16/1830, S. 13) hat der Gesetzgeber den Grundsatz der wirtschaftlichen
Eigenverantwortung nach der Scheidung in §
1569 BGB verstärkt (BTDrucks 16/1830, S. 16 f.). Darüber hinaus hat er der besonderen Schutzbedürftigkeit minderjähriger und ihnen
gemäß §
1603 Abs.
2 Satz 2
BGB gleichgestellter Kinder Rechnung getragen, indem er ihren Unterhaltsansprüchen im Mangelfall den ersten Rang (§
1609 Nr. 1
BGB) und den Ansprüchen der sie betreuenden Elternteile den zweiten Rang zugewiesen hat (§
1609 Nr. 2
BGB), womit geschiedene und nachfolgende Ehegatten im Rang nun gleichgestellt sind, solange sie sich einer Kinderbetreuung im
Sinne des §
1609 Nr. 2
BGB widmen. Infolgedessen hat er den Rang des Unterhaltsanspruchs geschiedener Ehegatten im Mangelfall verschlechtert. Allerdings
hat er geschiedenen Unterhaltsberechtigten, sofern die Ehe von langer Dauer war, den gleichen Rang wie kinderbetreuenden nachfolgenden
Ehegatten eingeräumt und ihnen den Vorrang vor nachfolgenden Ehegatten gegeben, soweit diese keine Kinder betreuen.
(2)
Demgegenüber hat der Gesetzgeber §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB keiner Änderung unterzogen. Der Unterhaltsbedarf ist danach weiterhin an den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen. An
diesen unverändert gebliebenen Maßstab hat der Gesetzgeber auch mit dem neu geschaffenen §
1578b BGB angeknüpft, der die Möglichkeit eröffnet, den nachehelichen Unterhalt unabhängig von der Grundlage, auf der er gewährt wird,
im Einzelfall herabzusetzen und zeitlich zu begrenzen. Der Gesetzgeber hat damit unterstrichen, dass der Unterhaltsbedarf
grundsätzlich auch weiterhin zunächst am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse zu bemessen ist. Er hat die Möglichkeit
der Unterhaltsbegrenzung gerade nicht von nach Rechtskraft der Scheidung eintretenden Änderungen der Lebensverhältnisse des
Unterhaltsschuldners wie etwa dem Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter abhängig gemacht. Vielmehr sieht §
1578b BGB vor, dass der Unterhaltsbedarf auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen ist, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen
orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs unbillig erscheint. Die Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs auf den angemessenen
Lebensbedarf orientiert sich insofern ebenfalls an den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen der geschiedenen Ehe im
Sinne des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB, indem sie davon abhängig gemacht worden ist, ob durch die Ehe und deren individuelle Ausgestaltung für den Unterhaltsberechtigten
Nachteile im Hinblick darauf eingetreten sind, nach der Scheidung selbst für seinen Unterhalt sorgen zu können. Beispielhaft
werden in §
1578b Abs.
1 Satz 2
BGB dabei Nachteile aufgezählt, die sich aus der in der Ehe gewählten Rollenverteilung ergeben können, wie etwa die Dauer der
Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der
Ehe sowie die Dauer der Ehe.
cc)
Mit dieser differenzierten Berücksichtigung der jeweiligen Interessen von unterhaltsberechtigten Kindern und geschiedenen
wie nachfolgenden Ehegatten durch Änderung einzelner unterhaltsrechtlicher Normen bei gleichzeitigem Festhalten an den bisher
geltenden Strukturen des Unterhaltsrechts und der Ausrichtung des Geschiedenenunterhalts an den ehelichen Lebensverhältnissen
hat der Gesetzgeber eine schonende Anpassung des nachehelichen Unterhaltsrechts an die veränderten Familienwelten vollziehen
wollen. Wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt, hat er mit seinem Konzept einerseits den veränderten gesellschaftlichen
Realitäten gerecht werden, andererseits aber auch Ehepartner in ihrem Vertrauen auf den grundsätzlichen Bestand einer Ehe
sowie auf die Beibehaltung eines in der Ehe gemeinsam geschaffenen Lebensstandards im Falle ihrer Auflösung angemessen schützen
wollen (BTDrucks 16/1830, S. 33 f.).
b)
Über dieses Konzept setzt sich die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB unter Anwendung der Dreiteilungsmethode hinweg. Sie verlässt die nach §§
1569 ff.
BGB zur Prüfung nachehelicher Unterhaltsansprüche vom Gesetzgeber 1977 vorgegebene und 2007 beibehaltene unterhaltsrechtliche
Systematik und nimmt einen Systemwechsel vor, bei dem sie die in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB enthaltene gesetzgeberische Grundentscheidung durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt.
aa)
Die geänderte Auslegung hebt die gesetzliche Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit vollends auf,
indem sie nachehelich entstandene Unterhaltspflichten gegenüber einem weiteren Ehegatten bereits auf der nach den individuellen
Lebensverhältnissen der geschiedenen Ehe zu bestimmenden Bedarfsebene des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB berücksichtigt, obwohl deren Berücksichtigung gesetzlich erst auf der Ebene der nach den gegenwärtigen Verhältnissen des
Unterhaltspflichtigen zu beurteilenden Leistungsfähigkeit nach §
1581 BGB vorgesehen ist.
Zwar hat die Rechtsprechung bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs auch früher schon bestimmte Entwicklungen der Einkommenssituation
des Unterhaltspflichtigen wie des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt, die erst nach Rechtskraft der Scheidung erfolgt sind,
und damit zum Teil die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in die Bedarfsberechnung mit einbezogen. Begrenzt hat
sie dies jedoch auf Entwicklungen, die schon die Ehe geprägt haben und in ihr angelegt worden sind, die also schon während
der Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartbar waren (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1985 - Ivb ZR 78/84 -, FamRZ 1986, S. 148 <149>). Ein solcher Bezug zur Ehe liegt auch bei der Berücksichtigung einer nach Scheidung aufgenommenen Erwerbsarbeit des
Unterhaltsberechtigten vor, die das Äquivalent oder "Surrogat" einer schon in der Ehe in Form von Familienarbeit erbrachten
Leistung darstellt (vgl. BGHZ 148, 105 ff.). Mit der Einbeziehung auch nachehelich entstandener Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen Ehegatten des Unterhaltspflichtigen
verliert die Rechtsauslegung jedoch jeglichen Bezug zu der in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB normierten Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen und lässt die gesetzliche Unterscheidung
zwischen einerseits dem Unterhaltsbedarf und andererseits der Leistungsfähigkeit außer Acht.
bb)
Die Auslegung setzt sich über das anlässlich der Reform ausdrücklich beibehaltene Unterhaltsmaß des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB (BTDrucks 16/1830, S. 18) hinweg und stützt sich auf einen von ihr selbst geschaffenen, neuen Maßstab. Statt die Bestimmung
des Unterhaltsbedarfs nach den "ehelichen Lebensverhältnissen" der aufgelösten Ehe vorzunehmen, ersetzt sie diesen Maßstab
durch den der "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse" (vgl. BGHZ 171, 206
<215>) und bestimmt damit letztlich den Unterhaltsbedarf nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen und finanziellen Ausstattungen
wie Belastungen der Geschiedenen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhalts. Dabei bezieht sie im Falle der Wiederverheiratung
des Unterhaltspflichtigen die reale Einkommenssituation zweier Unterhaltsverbände in ihrer Gesamtheit, nämlich sowohl diejenige
der geschiedenen als auch diejenige der nachfolgenden Ehe in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten
mit ein und macht hierdurch und darüber hinaus durch die neue Berechnungsmethode der Dreiteilung des Gesamteinkommens der
beiden Unterhaltsverbände die Höhe des Bedarfs des geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht nur von der realen
Einkommens- und finanziellen Belastungssituation des Unterhaltspflichtigen, sondern auch davon abhängig, ob und in welcher
Höhe der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen über Einkommen verfügt.
Die ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe im Sinne des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB werden mit diesem neuen Maßstab, der unter Anwendung der Dreiteilungsmethode zur Berechnung des Unterhaltsbedarfs herangezogen
wird, nicht mehr widergespiegelt. Er löst sich vielmehr in Gänze von seiner gesetzlichen Vorgabe. Zudem steht er in keinem
Bezug zu dem gerade erst geschaffenen §
1578b BGB, der durch die neue Berechnungsweise an Relevanz verliert. Denn wird im Wege der Bedarfsbestimmung nach den "wandelbaren
ehelichen Lebensverhältnissen" mittels der Dreiteilungsmethode bereits der Bedarf des Unterhaltsberechtigten gekürzt, weil
der Unterhaltsverpflichtete geheiratet hat und seine dadurch eingetretene zusätzliche Unterhaltslast bei der Bedarfsberechnung
Berücksichtigung findet, kann §
1578b BGB nur noch Anwendung finden und zu einer weiteren Kürzung des Bedarfs führen, wenn der "angemessene Lebensbedarf" nach §
1578b Abs.
1 Satz 1
BGB noch niedriger anzusetzen ist als der im Wege der Dreiteilung errechnete Bedarf und ehebezogene Gründe eine (weitere) Kürzung
rechtfertigen.
cc)
Die Rechtsprechung zu den "wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen" unter Anwendung der Dreiteilungsmethode bezieht den
Unterhaltsbedarf des nachfolgenden Ehegatten zudem nur solange in die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten
mit ein, wie dies zu einer Verkürzung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten führt. Zwar legt sie der Bedarfsermittlung das
tatsächliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen unter Einbeziehung auch von Steuervorteilen zugrunde, die gegebenenfalls
aus einer nachfolgenden Eheschließung erwachsen (vgl. BGHZ 177, 356 <375 ff.>) und rechnet inzwischen dem nachfolgenden Ehegatten, sofern dieser nicht erwerbstätig ist und nicht Kinder betreut,
fiktiv dasjenige Einkommen an, welches er im Falle der Scheidung seiner eigenen Ehe mit dem Unterhaltspflichtigen zu erzielen
verpflichtet wäre (vgl. BGHZ 183, 197 <212 ff.>), was rechnerisch dem Bedarf des geschiedenen Ehegatten zugute kommt. Wirkt sich die Dreiteilungsmethode aufgrund
dessen oder wegen eines tatsächlich vorhandenen höheren Erwerbseinkommens des nachfolgenden Ehegatten allerdings zugunsten
des geschiedenen Ehegatten aus, wird sein Unterhaltsbedarf mittels der vom Bundesgerichtshof vorgesehenen Kontrollrechnung
auf den sich nach seinen ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Betrag wieder herabbemessen (vgl. BGHZ 177, 356 <376 f.>). Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass der geschiedene Ehegatte infolge der neuen Bedarfsermittlungsmethode
regelmäßig weniger, selten dasselbe, nie aber mehr erhält als im Wege einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmten
Berechnung. Umgekehrt verbleibt dem Unterhaltspflichtigen nach dieser Berechnungsmethode regelmäßig mehr, selten dasselbe
und nie weniger als nach der an den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB orientierten Berechnungsmethode. Gleiches gilt im Verhältnis einander nachfolgender unterhaltsberechtigter Ehegatten. Die
Dreiteilungsmethode gesteht auch ihnen nur solange gleiche Anteile am Gesamteinkommen zu, wie sich dies zulasten des geschiedenen
Ehegatten auswirkt. Umgekehrt ist keine Kontrollberechnung vorgesehen, mit der sichergestellt wird, dass der nachfolgende
Ehegatte infolge der Dreiteilung und der Einbeziehung des Einkommens des vorangegangenen Ehegatten nicht mehr Unterhaltsbedarf
zugestanden bekommt, als wenn der Unterhaltspflichtige zuvor nicht bereits verheiratet gewesen wäre. Zwar mag das nach dem
vom Bundesgerichtshof zugrunde gelegten Modell stimmig sein, jedoch beruht dies auf einer grundsätzlich anderen Bewertung
und Zuordnung der verschiedenen Unterhaltsansprüche als sie die Regelung in ihrem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Verständnis
und der von ihm getroffenen Unterscheidung zwischen Unterhaltsbedarf, Leistungsfähigkeit und Rangfolge im Mangelfall vorsieht.
c)
Dieses neue Rechtsprechungskonzept der Berechnung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten lässt sich mit keiner
der anerkannten Auslegungsmethoden (vgl. dazu BverfGE 93, 37 <81>) rechtfertigen. Es widerspricht dem Wortlaut des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB und seiner systematischen Einbindung in den Normenkontext (aa) sowie seiner Zwecksetzung und der mit ihr verbundenen gesetzgeberischen
Intention (bb).
aa)
(1)
Die neue Rechtsprechung läuft dem klaren Wortlaut des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB zuwider. Dieser gibt zwar für die Verhältnisse, die bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs maßgeblich sein sollen, keinen
bestimmten Zeitpunkt vor. Doch erklärt er die "ehelichen Verhältnisse" zum Maßstab der Bedarfsbemessung und damit diejenigen,
die in der geschiedenen Ehe bestanden haben oder zumindest mit ihr in Zusammenhang stehen. Für deren Beurteilung bieten sich
- wie vom Gesetzgeber vorgesehen (BRDrucks 266/71, S. 79) - deshalb zunächst grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt
der Rechtskraft der Scheidung an, also zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ehe endgültig aufgelöst ist (vgl. BverfGE 108, 351 <366>).
Bezieht die Rechtsprechung bei der Bedarfsermittlung auch Entwicklungen nach Rechtskraft der Scheidung mit ein und geht insofern
von den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aus, muss bei den berücksichtigten Veränderungen
zumindest ein gewisser Bezug zu den "ehelichen Lebensverhältnissen" vorhanden sein, damit die Rechtsauslegung noch vom Wortlaut
des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB gedeckt ist. Dies kann bei Entwicklungen angenommen werden, die einen Anknüpfungspunkt in der Ehe finden, also gleichsam
in ihr angelegt waren, oder die, wie bei einer unvorhersehbaren nachehelichen Einkommensverringerung auf Seiten des Unterhaltspflichtigen,
soweit sie nicht vorwerfbar herbeigeführt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1992 - XII ZR 23/91 -, FamRZ 1992, S. 1045 <1046 f.>), bei Fortbestand der Ehe auch deren Verhältnisse geprägt hätten. Ein Bezug zu den "ehelichen Lebensverhältnissen"
lässt sich jedoch nicht mehr bei Veränderungen herstellen, die gerade nicht auf die Ehe zurückzuführen sind, weil sie nur
und erst dadurch eintreten konnten, dass die Ehe geschieden worden ist, wie dies bei Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen
Ehegatten, die durch erneute Heirat des Unterhaltspflichtigen entstanden sind, der Fall ist. Dabei führt die Bedarfsermittlung
im Wege der Dreiteilung des in den beiden Unterhaltsverbänden insgesamt erzielten Einkommens zur völligen Loslösung von den
"ehelichen Lebensverhältnissen", weil hierdurch der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten auch noch von der Einkommenssituation
des nachfolgenden Ehegatten abhängt. Es überschreitet die Grenzen des Wortlauts von §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB, derartige nacheheliche Änderungen, die nicht ehe-, sondern scheidungsbedingt sind, also die Auflösung der Ehe voraussetzen,
in die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten einzubeziehen.
(2)
Die neue Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB lässt sich auch nicht aus dessen systematischer Einbindung in den Normenkontext herleiten. Sie hebt nicht nur die vom Gesetzgeber
vorgesehene Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB und Leistungsfähigkeit nach §
1581 BGB auf, dessen Anwendungsbereich sie dadurch wesentlich einschränkt, sondern führt überdies zu einer vom Gesetzgeber an dieser
Stelle nicht vorgesehenen Kürzung bereits des Unterhaltsbedarfs des unterhaltsberechtigten Ehegatten, dem die richterliche
Prüfung versagt bleibt, ob der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner nach §
1581 BGB zu beurteilenden gegenwärtigen Verhältnisse, beispielsweise infolge nicht prägender nachehelicher Einkünfte, in der Lage
ist, ihm Unterhalt in Höhe des ermittelten Bedarfs zu gewähren.
Die geänderte Rechtsprechung lässt sich nicht mit der geänderten Rangfolge nach §
1609 BGB begründen, da der Rang eines Unterhaltsanspruchs erst dann relevant wird, wenn die Höhe des Anspruchs gemessen am Unterhaltsbedarf
des Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen schon feststeht und ein Mangelfall vorliegt.
Mit der Änderung der Rangfolge hat der Gesetzgeber insofern nicht Einfluss auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs genommen,
sondern auf das Ausmaß der Realisierung des Anspruchs im Verhältnis zu Unterhaltsansprüchen Anderer gegenüber dem Unterhaltspflichtigen,
wobei die Anspruchshöhe je nach Rang mit ausschlaggebend dafür ist, ob oder in welcher anteiligen Höhe der Anspruch vom Unterhaltspflichtigen
zu bedienen ist. Die Höhe schon durch die neue Berechnungsart zu mindern, kann deshalb zu weiteren Verlusten bei der Realisierung
des Anspruchs führen, die der Gesetzgeber jedoch mit der Änderung der Rangfolge nicht vorgesehen hat.
bb)
(1)
Im System des geltenden Unterhaltsrechts widerspricht die Auslegung dem Zweck des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB, der unverändert dazu dient, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten bei der Bestimmung seines Bedarfs grundsätzlich gleiche
Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gemeinsam erreichten Status zu gewähren (BRDrucks 266/71, S. 79).
Die mit der Kontrollrechnung verbundene richterliche Dreiteilungsmethode belastet den vorangegangenen Ehegatten im Verhältnis
zu der vom Gesetzgeber vorgesehenen Systematik einseitig zugunsten des Unterhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehepartners,
indem sie die Vorteile dieser Berechnungsweise dem Unterhaltspflichtigen und dem nachfolgenden Ehegatten zuweist und deren
Nachteile alleine dem geschiedenen Ehegatten aufbürdet.
(2)
Die Dreiteilungsmethode setzt sich überdies über den Willen des Gesetzgebers hinweg. Dieser hat zwar zur besseren Berücksichtigung
der Interessen von Betroffenen und Zweitfamilien Einschränkungen beim nachehelichen Unterhalt vorgenommen. Die Einschränkungen
hat er jedoch wie bei der Kürzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen nach §
1578b BGB von der Dauer und Ausgestaltung der geschiedenen Ehe und nicht vom Umstand einer erneuten Eheschließung des Unterhaltspflichtigen
abhängig gemacht, oder sie dann eintreten lassen, wenn der Unterhaltspflichtige in Anbetracht seiner real vorhandenen Mittel
nicht in der Lage ist, alle an ihn herangetragenen Unterhaltsansprüche zu befriedigen. Die unterhaltsrechtliche Position des
geschiedenen Ehegatten hat er damit also nicht von vornherein verschlechtern wollen, wie dies die Bedarfsbestimmung nach der
Dreiteilung vorsieht, sondern nur im Falle der Unbilligkeit einer Ausrichtung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen
oder einer zeitlich unbegrenzten Unterhaltsleistung sowie im Mangelfall. Die Feststellung des Gesetzgebers, der geschiedene
Ehepartner habe keinen Vertrauensschutz dahin, dass sich der Kreis der unterhaltsberechtigten Personen nach der Scheidung
nicht mehr erweitere, hat sich auf die Verteilung verfügbarer Mittel in einem solchen Mangelfall nach §
1609 BGB bezogen, für deren Berechnung der Gesetzgeber unter Verweis auf die Berechnung konkurrierender Unterhaltsansprüche von Kindern
eine proportionale Kürzung vorgesehen hat (BTDrucks 16/1830, S. 23 f.), nicht dagegen auf die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs
nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB.
(3)
Die geänderte Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB lässt sich nicht mit dem Ziel der Unterhaltsreform begründen, das Unterhaltsrecht zu vereinfachen (BTDrucks 16/1830, S. 14).
Die geänderte Rechtsprechung erleichtert die Unterhaltsberechnung nicht, sondern erweitert sie um den Rechenschritt der Bedarfsermittlung
im Wege der Dreiteilung, da sie im Rahmen der Kontrollrechnung nach wie vor eine Berechnung des Unterhalts unter Berücksichtigung
der ehelichen Lebensverhältnisse nach der von der Rechtsprechung herkömmlich angewandten Methode vorsieht. Überdies ist nach
der neuen Auslegung auf Seiten des nachfolgenden Ehegatten inzwischen je nach den Umständen des Einzelfalls ein fiktives Einkommen
einzustellen, das durch die Gerichte anhand der Erwerbsbiografie des nachfolgenden Ehegatten festzustellen ist, was ebenfalls
zu keiner Vereinfachung der Berechnung führt.
(4)
Die Auslegung kann schließlich nicht mit dem Argument legitimiert werden, die Dreiteilungsmethode sei bereits seit Inkrafttreten
des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) im Jahre 1977 vorgesehen gewesen. Die Gesetzgebungsmaterialien
und ihre Rezeption durch die Rechtsprechung (vgl. BGHZ 89, 108 <110>) geben keinerlei Hinweis darauf, dass schon nach den damaligen Vorstellungen des Gesetzgebers der Unterhaltsbedarf
des geschiedenen Ehegatten bei Existenz eines nachfolgenden Ehegatten im Wege der Dreiteilung der Gesamteinkünfte ermittelt
werden sollte. Das in der Stellungnahme des Bundesgerichtshofs für diese Annahme angeführte Rechenbeispiel in den Gesetzgebungsmaterialien
hat ersichtlich nicht der Veranschaulichung der Unterhaltsbedarfsermittlung, sondern der Verdeutlichung der Konsequenzen der
in §
1609 BGB damals neu geregelten Rangordnung bei zwei einander nachfolgenden, unterhaltsberechtigten Ehegatten gedient. Mit ihm wurde
keine Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilung der Gesamteinkünfte dargestellt, sondern illustriert, wie bei unterstellten
gleich hohen Bedarfen des geschiedenen wie des nachfolgenden Ehegatten im Mangelfall der damals vorrangige Anspruch des geschiedenen
Ehegatten in vollem Bedarfsumfang bestehen geblieben ist, während sich der nachfolgende Ehegatte mit dem verbleibenden Rest
hat begnügen müssen (BTDrucks 7/4361, S. 33 f.).
d)
Es kann nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung neu geschaffene Konzept zur Bedarfsermittlung
ausdrücklich oder stillschweigend gebilligt hat.
Der Gesetzgeber hat die Bezugnahme auf die "ehelichen Lebensverhältnisse" in §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB nicht nur ausdrücklich aufrechterhalten (BTDrucks 16/1830, S. 18), sondern sich überdies im neu geschaffenen §
1578b BGB ebenfalls auf sie bezogen. Zudem hat der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner Rechtsprechung zu den "wandelbaren Lebensverhältnissen"
erst nach Inkrafttreten des geänderten Unterhaltsrechts erstmals mit Urteil vom 30. Juli 2008 eine Unterhaltspflicht gegenüber
einem nachfolgenden Ehepartner einbezogen (vgl. BGHZ 177, 356 <367 f.>) und dabei zudem erstmals die Bedarfsbestimmung nach der Dreiteilungsmethode vorgenommen.
II.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrer
wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art.
2 Abs.
1 GG. Sie beruht auf der die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitenden Auslegung des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in deren Folge der Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin und
damit ihr Unterhaltsanspruch in einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Maße verkürzt worden sind.
Das Oberlandesgericht hat nach der Dreiteilungsmethode einen Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin in Höhe von 1.621 € ermittelt,
aus dem sich unter Anrechnung ihrer Einkünfte der ausgeurteilte Unterhalt in Höhe von 488 € im Monat ergeben hat. Nach herkömmlicher
Berechnungsmethode unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse hätte die Beschwerdeführerin dagegen einen Unterhaltsbedarf
in Höhe von 1.894 € und demzufolge einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 761 € im Monat gehabt. Das Nettoeinkommen des Klägers
wäre zunächst auf das Einkommen umzurechnen gewesen, welches er ohne erneute Eheschließung bei Veranlagung nach Steuerklasse
I erzielen würde (vgl. BVerfGE 108, 351 <366 f.>). Nach Abzug der im Ausgangsverfahren anerkannten Abzugspositionen sowie nach Erhöhung um die im Ausgangsverfahren
als eheprägend festgestellten Zinseinkünfte hätte sich danach ein Gesamteinkommen des unterhaltspflichtigen Klägers in Höhe
von 2.486 € ergeben. Nach Abzug des prägenden Einkommens der Beschwerdeführerin in Höhe von 958 € hätte sich ihr Unterhaltsbedarf
auf 1.722 € belaufen und sich unter Berücksichtigung bedarfsmindernder Synergieeffekte auf Seiten des Klägers um 10 % auf
rund 1.894 € erhöht. Daraus hätte sich unter Anrechnung ihrer Einkünfte der genannte Unterhaltsanspruch in Höhe von 761 €
ergeben, den zu zahlen der Kläger wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre und der um 273 € im Monat höher gelegen hätte als
der ausgeurteilte Betrag.
Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Für
Unterhaltstitel, die nicht Gegenstand dieses Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind, folgt eine auf die Zukunft beschränkte
Rechtsfolgenwirkung aus §
323 Abs.
3 ZPO beziehungsweise §
238 Abs.
3 FamFG (vgl. BGHZ 148, 368 <376>).
Sofern der Gesetzgeber die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB oder die Art der Unterhaltsberechnung insbesondere bei aufeinanderfolgenden ehelichen Unterhaltsverbänden einer Änderung
unterziehen will, ist es seine Sache, per Gesetz die Kriterien und Berechnungsweisen dafür vorzugeben.
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Entscheidung ist mit 5:3 Stimmen ergangen.