Kläger hat keinen Anspruch auf Aufnahme in den Basistarif einer Versicherung bei fehlendem Kontrahierungszwang i.R.e. Pflegebetreuung
Tatbestand
Für den Kläger, der in einem Pflegeheim lebt, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 09.01.2009 (Az.: 43 XVII H
824) eine Betreuung eingerichtet. Als Ruhestandsbeamter der ehemaligen A genießt der Kläger Krankenversicherungsschutz durch
die Krankenversorgung A1 (im weiteren: A1). Nach den hierfür geltenden Bedingungen werden stationäre Behandlungen sowie ein
Teil der ambulanten ärztlichen Behandlungen zu 100 %, die übrigen ambulanten Behandlungen zu 90 % erstattet. Beförderungskosten
werden ebenfalls zu 90 % erstattet, Zahnbehandlungen, Zahnvorsorge, Zahnersatz und Kieferorthopädie zu 85 %. Arzneimittel
werden teilweise zu 90 %, teilweise zu 100 % erstattet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Akten befindlichen
Tarifbedingungen der A1, Stand: 01.09.2008, Bezug genommen. Die Nebenintervenientin gewährt dem Kläger seit dem 26.02.2009
Krankenhilfe gemäß § 19 III i.V.m. § 48 SGB XII hinsichtlich der nicht zu 100 % erstatteten Krankheitskosten. Mit Schreiben vom 11.05.2009 forderte die Nebenintervenientin
die Betreuerin des Klägers auf, einen Antrag auf Abschluss eines ergänzenden Basistarifs zu stellen. Dies tat die Betreuerin
des Klägers bei der Beklagten mit Schreiben vom 28.05.2009. Der Antrag wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 09.07.2009
abgelehnt. Mit Bescheid vom 14.09.2009 stellte die Nebenintervenientin die Krankenhilfegewährung für den Kläger zum 31.10.2009
ein. Hiergegen legte die Betreuerin des Klägers Widerspruch ein. Sie wurde seitens der Nebenintervenientin aufgefordert, den
Rechtsweg gegen die Beklagte zu beschreiten. Mit Bescheid vom 20.11.2009 stellte die Nebenintervenientin die übrigen Leistungen
gemäß SGB XII ein.
Der Kläger hat in 1. Instanz die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 193 VVG verpflichtet, dem Kläger eine ergänzende Versicherung im Basistarif zu gewähren. Er ist der Auffassung, er sei beihilfeberechtigt
bzw. habe zumindest einen vergleichbaren Anspruch gegen die A1. Der durch die A1 geleistete Krankenversicherungsschutz genüge
nicht der Versicherungspflicht nach § 193 VVG, da in der A1 kein Selbstbehalt im Sinne des § 193 VVG vereinbart worden sei, sondern die Erstattungsprozentsätze einseitig vorgegeben seien. Der Kläger behauptet, gerade auch
bei ihm führe die entstehende Deckungslücke zu einer existenziellen Notlage. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei
verpflichtet, im Rahmen des Basistarifs für den Kläger einen speziellen Tarif zu entwickeln, der speziell auf die Deckungslücken
in der A1 ausgerichtet sei.
Der Kläger und die dem Rechtsstreit beigetretene Nebenintervenientin haben in 1. Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
mit dem Kläger einen Krankenversicherungsvertrag gemäß § 193 V VVG i.V.m. § 12 I a VAG im Umfang der durch die Krankenversorgung A1 (A1) nicht zu erstattenden Krankenkosten abzuschließen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat in 1. Instanz die Auffassung vertreten, die Krankenversicherung der A1 erfülle die Voraussetzungen der Pflichtversicherung
mit der Folge, dass ein Kontrahierungszwang der Beklagten nicht bestehe. Es handele sich bei den Kosten, die nach dem Tarif
der A1 nur zu 90 % erstattet würden, um einen prozentualen Selbstbehalt, wie ihn § 193 III 1 VVG ausdrücklich zulasse. Die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Kläger gehöre nicht zu dem in § 193 V 1 VVG genannten Personenkreis, insbesondere sei er kein Beihilfeberechtigter. Die Beklagte hat sich weiterhin darauf berufen, dass
eine Eingruppierung des Klägers lediglich in die Tarifgruppe BTB des Basistarifs in Betracht komme. Für diese gelten jedoch
höhere Erstattungsprozentsätze als vom Kläger benötigt, so dass es im Falle der Bejahung eines Kontrahierungszwanges in einem
beträchtlichen Umfang zu einer Doppelversicherung komme, was mit dem gesetzlich normierten Bereicherungsverbot nach § 200 VVG nicht zu vereinbaren sei.
Das Amtsgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 25.05.2010 (Az.: 146 C 257/09), der Nebenintervenientin zugestellt am 02.06.2010, abgewiesen und die Auffassung vertreten, der Kläger gehöre nicht zu dem
in § 193 V VVG aufgezählten Personenkreis, insbesondere sei er nicht beihilfeberechtigt. Darüber hinaus genügten die Erstattungsleistungen
der A1 den Anforderungen an eine Pflichtversicherung. Im übrigen bestünden Bedenken im Hinblick auf das Bereicherungsverbot
des § 200 VVG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.05.2010 Bezug genommen. Hiergegen richtet
sich die am 28.06.2010 bei Gericht eingegangene und am 02.08.2010 begründete Berufung der Nebenintervenientin, der der Kläger
nicht entgegengetreten ist.
Die Nebenintervenientin hält an der in 1. Instanz geäußerten Rechtsauffassung fest. Sie behauptet, bei schwer kranken Personen
könne es auch bei einer Kostenerstattung von 90 % leicht zu einer Überschreitung eines selbst zu zahlenden Betrages von 5.000
€ kalenderjährlich kommen. Bei dem Kläger sei es in 2009 zu eines selbst zu tragenden Betrag von mehr als 500 € gekommen.
Sie ist der Auffassung, dass es auf diesen Gesichtspunkt nicht ankomme, da es ein reines Zufallsprodukt sei, ob der Betrag
in einem Jahr überschritten werde oder nicht.
Die Nebenintervenientin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, mit dem Kläger einen Krankenversicherungsvertrag gemäß
§ 193 Abs. 5 VVG i.V.m. § 12 Abs. 1 a VAG im Umfang der durch die Krankenversicherung A1 nicht zu erstattenden Krankenkosten abzuschließen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Gegenseite kostenpflichtig zurückzuweisen.
Auch die Beklagte hält an der in 1. Instanz geäußerten Rechtsauffassung fest. Sie hält das Urteil des Amtsgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie
die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Aufnahme in den Basistarif der Beklagten ergibt
sich nicht aus § 193 VVG n.F..
Gemäß § 193 V Nr. 3 VVG n.F. ist der Versicherer verpflichtet, Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, Versicherung
nach dem Basistarif zu gewähren, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach § 193 III S. 1 VVG n.F. ergänzenden Versicherungsschutz benötigen. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger durch die zu seinen Gunsten bei der A1 bestehende Krankheitskostenversicherung als Beihilfeberechtigter
anzusehen ist bzw. einen dem Beihilfeanspruch vergleichbaren Anspruch hat. Jedenfalls fehlt es an der für den Kontrahierungszwang
der Beklagten nach § 193 V Nr. 3 VVG n.F. normierten weiteren Voraussetzung, dass der Kläger zur Erfüllung der Pflicht nach § 193 III S. 1 VVG n.F. ergänzenden Versicherungsschutz benötigt.
Nach § 193 III 1 VVG n.F. ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen
für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung
umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante
und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5.000
€ begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch
eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5.000 €.
Dem genügt die zugunsten des Klägers bei der A1 bestehende Krankheitskostenversicherung. Insoweit ist zu sehen, dass das Gesetz
selbst keine 100 %ige Abdeckung der Krankheitskosten verlangt, sondern auch Versicherungen, die einen absoluten oder prozentualen
Selbstbehalt vorsehen, grundsätzlich geeignet sind, der Versicherungspflicht nach § 193 III 1 VVG n.F. zu genügen, solange sich dieser Selbstbehalt betragsmäßig nicht über einen Betrag von 5.000 € kalenderjährlich hinaus
auswirkt. Um eine solche Konstellation einer Vollversicherung mit einem prozentualen Selbstbehalt für bestimmte Arten der
Behandlung handelt es sich jedoch vorliegend bei der für den Kläger bestehenden Versicherung. Insoweit ist zu sehen, dass
der streitgegenständliche Tarif Erstattungsansprüche für stationäre Behandlungen zu 100 % und für ambulante Behandlungen je
nach Art der ambulanten Behandlung zu 90 % oder zu 100 % vorsieht. Dieser Versicherungsschutz genügt den Anforderungen des
§ 193 III 1 VVG n.F. bereits vollumfänglich, so dass ergänzender Versicherungsschutz zur Erfüllung der Versicherungspflicht nicht erforderlich
ist. Dass generell oder im speziellen Fall des Klägers zu befürchten wäre, dass der prozentuale Selbstbehalt betragsmäßig
den in § 193 III 1 VVG n.F. genannten Betrag übersteigen konnte, ist trotz des Hinweises der Kammer weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.
Es erscheint der Kammer vor dem Hintergrund, dass nach dem Tarif gerade für diejenigen ambulanten Behandlungen, die mit besonders
hohen Kosten einhergehen, wie etwa ambulante Operationen, ambulante Behandlungen, die zur Behandlung chronischer Erkrankungen
typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg erforderlich sind und daher erhebliche Kosten verursachen, wie etwa Dialyse,
Tbc, Bluter-Behandlung, Chemo-/Strahlentherapie sowie für solche ambulanten Behandlungen, die regelmäßig erforderlich sind
(etwa Früherkennungsuntersuchungen) 100 % erstattet werden. Lediglich die Kosten der übrigen ambulanten Behandlungen werden
nur zu 90 % erstattet, was im Ergebnis einem Selbstbehalt von 10 % für diese ambulanten Behandlungskosten entspricht. Zu einer
Überschreitung des Betrages von 5.000 € kalenderjährlich käme es nur dann, wenn für die nach den Bedingungen der A1 nur zu
90 % erstattungsfähigen ambulanten Behandlungen ein Betrag in Höhe von mehr als 50.000 € kalenderjährlich anfiele, so dass
nach dem bestehenden Versicherungsschutz mehr als 5.000 € kalenderjährlich von dem Kläger selbst zu tragen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
97,
100;101
ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§
708 NR. 11, 711
ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtsstreit - wie sich aus dem vorgelegten Urteil des Sozialgerichts Köln ergibt -
grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.000 €