Zurückbehaltungsrecht der Krankenkasse hinsichtlich der vereinbarten Gesamtvergütung bei Verträgen zur hausarztzentrierten
Versorgung
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin berechtigt ist, die nach dem "Vertrag
zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73 b SGB V" (Hausarztvertrag) am 23. März 2011 fällige Schlusszahlung für das Quartal 4/2010 um 25.000.000 EUR zu kürzen.
Die Beteiligten, der Bayerische Hausärzteverband e.V. und die AOK Bayern, sind Partner des Hausarztvertrages.
Nachdem durch Schiedsspruch für den Bereich der bayerischen Betriebskrankenkassen ein Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung
mit einem Fallwert von 76 EUR festgesetzt worden war, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 16. August 2010 mit,
dass sie, falls keine Einigung erreicht werde, mit Wirkung ab 1. Juli 2010 eine Reduzierung des allgemeinen Fallwerts auf
das Niveau der Mitbewerber, d.h. auf 76 EUR, vornehmen werde. Mit Schreiben vom 15. September 2010 teilte die Antragsgegnerin
dem Antragsteller mit, dass sie sich nach dem Scheitern der Verhandlungen über die sog. "Meistbegünstigungsklausel" in § 24
des Hausarztvertrages gezwungen sehe, den im Vertrag bestimmten Fallwert von maximal 84,09 EUR an das Niveau der Mitbewerber
mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 anzupassen. Zwischenzeitlich sei nach Festsetzung durch die Schiedsperson mit Wirkung vom
1. Januar 2010 ein "Vertrag zur Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73 b SGB V" zwischen verschiedenen Betriebskrankenkassen und dem Antragsteller vereinbart worden. Nach §
10 Abs. 9 dieses Vertrages gelte für die Vergütung die Regelung, dass der finanzielle Rahmen von 76 EUR nicht überschritten
werden solle. Nachdem beide Verträge die umfassende hausärztliche Versorgung der Versicherten vorsähen, lägen vergleichbare
Vergütungstatbestände vor, so dass aus der Sicht der Antragsgegnerin die Voraussetzungen für die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel
nach § 24 Hausarztvertrag erfüllt seien. Ab 1. Januar 2010 werde deshalb die AOK Bayern nur noch eine Fallwertobergrenze von
76 EUR gegen sich gelten lassen. Die Überzahlungen für das 1. und 2. Quartal 2010 werde die Antragsgegnerin mit der Schlussrechnung
für das 2. Quartal, fällig am 15. September 2010, verrechnen. Gemäß dieses Schreibens behielt die Antragsgegnerin einen Teilbetrag
von 37.851.631,66 EUR ein. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das Sozialgericht München gab diesem Antrag mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 statt (S 39 KA 672/10 ER). Die Beschwerde wies das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. Januar 2011 zurück (L 12 KA 123/10 B ER). Für das Quartal 3/2010 stellte der Antragsteller am 23. November 2010 die Rechnung für die Schlusszahlung über 72.134.014,36
EUR, die am 13. Dezember 2010 fällig war. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 erklärte die Antragsgegnerin, sie sehe sich wie
bereits angekündigt weiterhin gezwungen, auch im Rahmen der Schlussrechnung für das Quartal 3/2010 den im Vertrag bestimmten
Fallwert in Anwendung der sog. "Meistbegünstigungsklausel" (§ 24 Hausarztvertrag) an das Niveau der Wettbewerber anzupassen.
Aus der Schlussrechnung ergebe sich ein durchschnittlicher Fallwert von 82,25 EUR. Dieser sei an die Fallwertobergrenze von
76 EUR anzupassen, woraus sich ein Einbehalt von 16.179.057,23 EUR ergebe, in dem ein Kürzungsbetrag in Höhe von 265.527,27
EUR infolge zulässiger Rückrechnungen für die Vorquartale 1 und 2/2010 enthalten sei. Am 4. Januar 2011 beantragte der Antragsteller
beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Kürzungsbetrag von 16.179.057,23 EUR der am 13. Dezember 2010
fälligen Schlusszahlung an die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) auszuzahlen. Das SG gab diesem Antrag mit Beschluss vom 6. Juni 2011 statt. Die Beschwerde wurde vom Senat durch Beschluss vom 20. Dezember 2011
zurückgewiesen.
Für das streitgegenständliche Quartal 4/2010 stellte der Antragsteller am 4. April 2011 eine Schlussrechnung über 77.840.819,13
EUR, die am 23. April 2011 fällig war. Die Antragsgegnerin behielt 25.000.000 EUR ein.
Am 20. April 2011 beantragte der Antragsteller beim SG wiederum den Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Kürzungsbetrag von 25.000.000 EUR an die HÄGV zu zahlen. Er trug vor,
dass der Antrag zulässig sei, da auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens verzichtet worden sei. Die Meistbegünstigungsklausel
sei nicht anwendbar, da der Hausarztvertrag mit den Betriebskrankenkassen im Wege eines Schiedsspruchs festgesetzt worden
sei. Im Übrigen sei der Fallwert bei den Betriebskrankenkassen entsprechend der niedrigeren Morbidität der BKK-Versicherten
niedriger als der mit der Antragsgegnerin vereinbarte. Vergleichbare Vergütungstatbestände lägen ebenfalls nicht vor, da zwischen
den Hausarztverträgen erhebliche Unterschiede bestünden. Insbesondere sehe der Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin Einzelleistungen
vor, die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien, die aber den durchschnittlichen Fallwert des Hausarztvertrages maßgeblich
beeinflussten und deren Höhe zusätzlich zur Morbidität begründen und rechtfertigen würden. Dabei handele es sich zum Beispiel
um die Leistungen "prä- und postoperative hausärztliche Betreuung" und "prä- und poststationäre hausärztliche Betreuung",
die in den BKK-Verträgen nicht enthalten seien. Auch die Diabetespauschale und die Kleinkindpauschale sowie verschiedene weitere
Leistungen seien nur im Hausarztvertrag mit der Antragsgegnerin enthalten. Im Übrigen führe der Abschluss eines weiteren Vertrages
über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zu einer automatischen Anpassung, da die Umsetzung - wie auch vom Antragsgegner
eingeräumt - unklar sei. Ein Zurückbehaltungsrecht sei mit dem Charakter des Hausarztvertrages nicht vereinbar. Außerdem befinde
sich die Antragsgegnerin hinsichtlich des Anspruchs auf Anpassung im Annahmeverzug.
Die Antragsgegnerin machte als Einrede ein Zurückbehaltungsrecht analog §
273 BGB im Hinblick auf die nicht erfolgte Vertragsanpassung geltend. Im Einzelnen führte sie aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen
der Meistbegünstigungsklausel vorlägen. Im Übrigen sei jedenfalls deshalb kein Anordnungsanspruch gegeben, weil die Antragsgegnerin
ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen könne. Die Voraussetzungen von §
273 BGB lägen vor. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 14. Januar 2010 aufgefordert, die Anwendung
der Meistbegünstigungsklausel im Hinblick auf den BKK-Vertrag anzuerkennen. Zuletzt habe die Antragsgegnerin mit Schreiben
vom 3. Februar 2011 die Erfüllung ihres Anspruchs auf Vertragsanpassung zumindest ab 1. Juli 2010 angemahnt. Da der Antragsteller
seiner Pflicht zur Vertragsanpassung bisher nicht nachgekommen sei, sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Zahlung des von
der Schlussrechnung für das Quartal 4/2010 einbehaltenen Honorars auch weiterhin zu verweigern. Der Antrag sei schließlich
auch deshalb abzulehnen, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache sei. Würde dem Antrag stattgegeben, hätte die
Antragsgegnerin nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu ihren Gunsten auch nach dem Vortrag des Antragstellers keine Möglichkeit
mehr, die zu Unrecht gezahlten Leistungen zurückzufordern oder ihren Anspruch auf Vertragsanpassung gegen dem Antragsteller
durchzusetzen.
Das SG gab dem Antrag mit Beschluss vom 1. Juli 2011 statt. Es verpflichtete die Antragsgegnerin, den von der Schlusszahlung für
das 4. Quartal 2010 einbehaltenen Kürzungsbetrag in Höhe von 25.000.000 EUR auszuzahlen. Ein Anordnungsanspruch bestehe offensichtlich.
Eine unmittelbare Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel sei vertraglich nicht vorgesehen. Die von der Antragsgegnerin angeführte
analoge Anwendung von §
273 BGB verbiete sich bereits deshalb, weil keine Regelungslücke bestehe. Die Beteiligten seien gehalten, sich über die Anwendung
der Meistbegünstigungsklausel für das Jahr 2010 zu einigen bzw. ein Schiedsverfahren durchzuführen. Eine unzulässige Vorwegnahme
der Hauptsache liege ebenfalls nicht vor.
Die Antragsgegnerin zahlte daraufhin den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 25.000.000 EUR an den Antragsteller.
Gegen den Beschluss des SG vom 1. Juli 2011, zugestellt am 5. Juli 2011, legte die Antragsgegnerin am 5. August 2011 Beschwerde ein. Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 1. Juli 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zurückzuweisen und den Antragsteller zu verpflichten, die von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts
München geleistete Zahlung in Höhe von 25.000.000 EUR an die Beschwerdeführerin zurückzugewähren,
hilfsweise:
den Antragsteller zu verpflichten, den von der Antragsgegnerin in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts München gezahlten
Betrag in Höhe von 25.000.000 EUR auf ein Treuhandkonto einzuzahlen, bis ein Schiedsspruch zur Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel
im Jahr 2010 ergangen ist.
Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Die Antragsgegnerin habe ein Zurückbehaltungsrecht. Dies habe das SG in der angegriffenen Entscheidung verkannt. §
273 BGB sei nach § 61 Satz 2 SGB X auch auf öffentlich-rechtliche Verträge wie den Hausarztvertrag anzuwenden. Eine Regelungslücke sei entgegen der Rechtsauffassung
des SG nicht notwendig. Dieses Zurückbehaltungsrecht sei ein Sicherungs-, kein Befriedigungsrecht. Es sei ein legales Druckmittel
der Antragsgegnerin, um den Antragsteller im Gegenzug für die Erfüllung seines Zahlungsanspruchs zur Erfüllung des gleichberechtigten
Anspruchs auf Vertragsanpassung anzuhalten. Da der BKK-Hausarztvertrag zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten sei, komme spätestens
ab dem Quartal 3/2010 die Meistbegünstigungsklausel zur Anwendung. Damit sei die zwischen den Parteien vereinbarte Hausarztvergütung
anzupassen. Diesen Anspruch habe der Antragsteller bislang nicht erfüllt. Da der Antragsteller bereits die grundsätzliche
Anwendung der Meistbegünstigungsklausel auf den BKK-Hausarztvertrag bezweifle, seien Verhandlungen über das "wie" der Vertragsanpassung
von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Die Antragsgegnerin habe daher inzwischen ein Schiedsverfahren eingeleitet, um ihren
Anspruch auf Vertragsanpassung durchzusetzen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens sei sie berechtigt, die Erfüllung des Zahlungsanspruchs
gemäß §
273 BGB analog zu verweigern. Ein Anordnungsanspruch bestehe nicht. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Eine Vergütungsminderung
als solche sei noch kein "wesentlicher" Nachteil, der ein Abwarten der Hauptsache unzumutbar erscheinen lasse. Irreparable
Rechtsnachteile des Antragstellers seien nicht zu befürchten und auch nicht glaubhaft gemacht worden.
Der Antragsteller legte ein Fax an alle Hausärzte vom 11. Juli 2011 vor, aus dem sich ergibt, dass der von der Antragsgegnerin
überwiesene Betrag am 12. Juli 2011 an die Vertragsärzte ausbezahlt würde. Die Auszahlung des Kürzungsbetrages erfolge jedoch
unter dem Vorbehalt einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung.
Im Übrigen trägt der Antragsteller vor, dass die Behauptung der Antragsgegnerin, er habe Verhandlungen über die Umsetzung
der Meistbegünstigungsklausel abgelehnt, schlicht falsch sei. Er habe vielmehr wiederholt darum gebeten, mit ihm Verhandlungen
über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel zu führen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen. Das Sozialgericht München hat im Beschluss vom 1. Juli
2011 die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung zutreffend bejaht.
Nach §
86 b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung), gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 2
SGG kann eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
getroffen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Die Antragstellerin begehrt die Zahlung des von der Antragsgegnerin einbehaltenen Betrags von 25.000.000 EUR, also den Erlass
einer Regelungsanordnung. Eine Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materielles
Recht, und ein Anordnungsgrund, das Erfordernis einer einstweiligen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, glaubhaft
gemacht wurden.
Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Anordnungsanspruch besteht. Der Antragsteller hat einen Zahlungsanspruch in voller
Höhe der am 2. März 2011 angeforderten Schlusszahlung mit Fälligkeitsdatum 23. März 2011. Dieser Zahlungsanspruch ist nicht
durch die Anwendung der sog. Meistbegünstigungsklausel gemäß §
24 Abs.
1 des Hausarztvertrages reduziert. Der Antragsgegnerin steht auch kein Zurückbehaltungsrecht nach §
273 BGB zu.
Die Meistbegünstigungsklausel führt nicht zu einer automatischen Verringerung des Vergütungsanspruchs des Antragstellers für
die erbrachten Leistungen im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung
im Beschluss vom 17. Januar 2011 (L 12 KA 123/10 B ER) fest und nimmt auf die Ausführungen insoweit Bezug. Eine entsprechende Anpassung erfolgte für das streitgegenständliche
Quartal 4/2010 unstreitig nicht. Damit ist nicht entscheidungserheblich, inwieweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel
erfüllt sind, insbesondere ob die Verträge vergleichbar im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 Hausarztvertrag sind.
Die Antragsgegnerin hat auch kein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Antragsteller, wie das SG zutreffend festgestellt hat.
Zwar ist bei öffentlich rechtlichen Verträgen §
273 BGB grundsätzlich anwendbar (§ 61 S. 2 SGB X). Beim vorliegenden Hausarztvertrag kann jedoch nicht auf §
273 BGB zurückgegriffen werden, weil dem die Natur des Schuldverhältnisses entgegensteht (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, § 273,
Rn. 15 ff.). Ein Zurückbehaltungsrecht scheidet aus, wenn es allgemein dem Wesen der Verpflichtung, die der Schuldner zu erfüllen
hat, widersprechen würde (Staudinger/Bittner, 2009, § 273 Rn. 81). Dies ist beim Hausarztvertrag der Fall. Die hausarztzentrierte
Versorgung ist ein Sonderbereich strukturvertraglich geregelter Leistungen, der vom Grundmodell der gesamtvertraglichen Versorgung
nach §
83 SGB V abweicht und den Bereich der hausärztlichen Versorgung aus dieser ausgliedert. Dennoch entspricht der Hausarztvertrag in
seiner Grundstruktur wie auch in der Funktion einem Gesamtvertrag, wobei an die Stelle der Kassenärztlichen Vereinigungen
und der Landesverbände der Krankenkassen die sektoralen Teilnehmer, die Krankenkassen und die Hausarztverbände, treten und
die Vergütung nach § 12 Hausarztvertrag der Gesamtvergütung entspricht.
Bei Gesamtverträgen besteht kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der nach den §§
85 und 85 a
SGB V vereinbarten Gesamtvergütung. Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung besteht
ein besonderes öffentliches Interesse. Der Gesetzgeber hat deshalb besondere Vorkehrungen getroffen, um einseitige Einflussnahmen
auf die Gesamtverträge zu verhindern. So hat er in §
89 SGB V ein Schiedsamtsverfahren vorgesehen und zudem in §
89 Abs.
1 S. 4
SGB V die Fortgeltung der bisherigen vertraglichen Regelungen bis zu einer Entscheidung des Schiedsamts angeordnet. Ein Leistungsverweigerungsrecht
ist nur in §
75 Abs.
1 S. 3
SGB V für den Fall vorgesehen, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten
hat, nicht nachkommt. Ein Leistungsverweigerungsrecht setzt also eine schwere, nachhaltige, verschuldete Störung vertraglicher
Hauptleistungspflichten voraus. Damit ist bei Gesamtverträgen ein allgemeiner Rückgriff auf §
273 BGB trotz der Verweisungsvorschrift in §
69 Abs.
1 S. 3
SGB V ausgeschlossen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 3.12.2008, L 12 KA 5/08).
Der besonderen, die Gesamtverträge ersetzenden Funktion der Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung hat der Gesetzgeber
dadurch Rechnung getragen, dass er parallel zum Schiedsamtsverfahren nach §
89 SGB V in §
73 b Abs.
4a SGB V ein Schiedsverfahren vorgesehen hat, falls ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nicht zustande kommt. Auch
die Partner des Hausarztvertrages, Antragsteller und Antragsgegnerin, haben dieser besonderen Funktion des Hausarztvertrages
dadurch Rechnung getragen, dass in § 19 Hausarztvertrag eine Schiedsklausel für alle Streitigkeiten, die im Rahmen der Durchführung
des Hausarztvertrages oder seiner Anlagen entstehen, aufgenommen wurde. Dieses Schiedsverfahren ist vor anderen Maßnahmen
vorrangig und schließt deshalb parallel zu den gesamtvertraglichen Vorschriften ein Zurückbehaltungsrecht zur Sicherung vertraglicher
Rechte aus. Dass sich die Parteien bisher nicht über eine detaillierte Regelung des Schiedsverfahrens gemäß Anlage 14 einigen
konnten, ändert an der Wirksamkeit der vereinbarten Regelung nichts. Den Vertragspartnern bleibt es unbenommen, bei einer
fehlenden Einigung über ein durchzuführendes Schiedsverfahren gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wegen dieses der besonderen
Natur des Hausarztvertrages Rechnung tragenden Vorrangs eines Schiedsverfahrens ist ein Zurückbehaltungsrecht bei einer fehlenden
Einigung über die Umsetzung der Meistbegünstigungsklausel ausgeschlossen.
Nachdem der Anordnungsanspruch auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages glaubhaft gemacht wurde, sind an den Anforderungsgrund
nur geringe Anforderungen zu stellen. Der Senat sieht bei dieser Situation einen wesentlichen Nachteil bereits darin, dass
ohne die einstweilige Anordnung auf längere Zeit keine endgültige Verteilung des Honorars auf die teilnehmenden Hausärzte
möglich ist.
Der Beschluss des SG ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil er eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung war. Die streitgegenständliche
Summe wurde zwar nicht zurückgestellt, sondern an die am Hausarztvertrag beteiligten Ärzte ausbezahlt. Diese Auszahlung erfolgte
jedoch unter dem Vorbehalt der Rückforderung, wie sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Telefax vom 11.7.2011 an
alle Hausärzte ergibt. Damit schlagen die Bedenken der Antragsgegnerin, die Zahlung des Betrages sei endgültig, nicht durch.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).