Gründe:
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt die Vergütung eines von ihm erstatteten Gutachtens nach dem Justizvergütungs-
und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem am Sozialgericht Augsburg (SG) unter dem Aktenzeichen S 13 R 848/07 geführten rentenrechtlichen Klageverfahren erstellte der Bf gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) am 23.10.2008 ein nervenärztliches Gutachten. Das Gutachten ging am 05.11.2008 ohne Begleitschreiben beim SG ein. Mit dem auf dem Gutachten angebrachten Eingangsstempel des SG ist der Eingang von drei Akten und einer "Bescheinigung" vermerkt. In dem für "Rechnung" vorgesehenen Feld des Eingangsstempels
wurde nichts eingetragen.
Auf telefonische Nachfrage des Bf am 17.05.2010 wurde diesem mit Schreiben der Kostenbeamtin des SG vom 26.05.2010 mitgeteilt, dass eine Rechnung für das Gutachten nicht eingegangen sei. Der Anspruch auf Entschädigung hätte
binnen drei Monaten geltend gemacht werden müssen und sei daher erloschen.
Mit Schreiben vom 07.06.2010 hat sich der Bf an den Präsidenten des SG gewandt. Er reiche jedes Mal eine Rechnung zusammen mit dem Gutachten ein. Er halte es für eine absolute Unverschämtheit,
ihm zu unterstellen, keine Rechnung eingereicht zu haben. Als Beleg hat er die Kopie einer auf den 29.10.2008 datierten Rechnung
für das von ihm erstellte Gutachten beigelegt.
Das SG hat mit Beschluss vom 24.06.2010 festgestellt, dass der Bf keinen Anspruch auf Vergütung für das Gutachten vom 23.10.2008
habe. Der Vergütungsanspruch sei erloschen, da er nicht binnen drei Monaten geltend gemacht worden sei; ein Antrag auf Wiedereinsetzung
sei nicht gestellt worden und wäre im Übrigen auch unbehelflich, da der Bf selbst den rechtzeitigen Versand der Rechnung behauptet
habe. Zugestellt worden ist der Beschluss dem Bf am 13.07.2010.
Dagegen hat der Bf mit Schreiben vom 16.07.2010, beim SG eingegangen am 19.07.2010, Beschwerde eingelegt. Er habe bisher allen seinen Gutachten immer die Rechnung beigefügt. Ihm
könne nicht der Vorwurf gemacht werden, nicht rechtzeitig reklamiert zu haben; früher habe er zum Teil monatelang auf die
Zahlung des Gerichts gewartet. Er beantrage Wiedereinsetzung. Er bitte zudem um Klärung, was die Bedeutung des Hinweises "eine
Bescheinigung" unter dem Eingangsstempel des Gerichts auf dem Gutachten bedeute. Weiter hat er eine eidesstattliche Erklärung
seiner medizinischen Fachkraft vom 16.07.2010 beigelegt, wonach sie das Gutachten getippt, die Rechnung erstellt, dem Bf zur
Unterschrift vorgelegt und im Anschluss daran verpackt und versandt habe.
Nachfragen des Berichterstatters beim SG haben ergeben, dass mit der "Bescheinigung", deren Eingang unter dem Eingangsstempel auf dem Gutachten des Bf vermerkt ist,
die aber in den Akten nicht mehr enthalten ist, die vom Sachverständigen auszufüllende Anwesenheitsbescheinigung des Begutachteten
gemeint sein dürfte. Derartige Bescheinigungen seien - so die Auskunft des SG -üblicherweise nicht archiviert worden.
II. Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Der Bf hat keinen Anspruch mehr auf Vergütung seiner Tätigkeit als Sachverständiger für das Gutachten vom 23.10.2008.
Ein rechtzeitig gestellter Vergütungsantrag liegt nicht vor. Wiedereinsetzung war nicht zu gewähren.
1. Beschwerdegegenstand
Gegenstand der Beschwerde ist der Beschluss des SG vom 24.06.2010. Mit diesem Beschluss hat das SG ausdrücklich eine richterliche Kostenfestsetzung nach
§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG getroffen, wie dies auch schon mit Schreiben des SG vom 10.06.2010 angekündigt worden war. Weiter ist mit diesem Beschluss - und zwar mit den letzten zwei Sätzen der Begründung
- eine Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG erfolgt; im Schreiben des Bf vom 07.06.2010
ist ein konkludenter Wiedereinsetzungsantrag zu sehen.
2. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG, deren Statthaftigkeit in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann, auch was die
richterliche Kostenfestsetzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG betrifft (vgl. Keller, in: juris Praxis Report vom 25.03.2010,
Anmerkung zu LSG Mainz 6. Senat, Beschluss vom 03.09.2009, Az.: L 6 R 303/09 B), ist bereits am sechsten Tag nach Zustellung des Beschlusses beim SG eingegangen und damit unzweifelhaft fristgerecht erhoben worden. Eine kürzere Rechtsmittelfrist als von zwei Wochen gibt
es in Fällen wie dem hier zu entscheidenden nicht, wobei sich eine zweiwöchige Rechtsmittelfrist vorliegend nur aus § 2 Abs. 2 Satz 4 JVEG, nicht aber aus dem vom SG angeführten § 33 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ergeben könnte.
Keiner endgültigen Klärung bedarf die Frage, ob bei einer Beschwerde gemäß § 4 Abs. 3 JVEG gegen die richterliche Kostenfestsetzung,
wie sie hier u.a. vorliegt, die Monatsfrist des §
173 Satz 1
SGG zu beachten ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.09.2009, Az.: L 6 R 303/09 B) oder ob die Beschwerde fristungebunden ist und nur der Verwirkung unterliegt (so Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011,
Rdnr. 4.14; Zimmermann, JVEG, 1. Aufl. 2005, § 4 Rdnr. 21). Für letzteres und gegen die Maßgeblichkeit der Monatsfrist des
§
173 Satz 1
SGG sprechen systematische Gründe. Anderenfalls, nämlich unter Zugrundelegung der Fristenregelung des
SGG, müsste konsequenterweise auch der Ausschluss der Beschwerde gemäß §
178 SGG angenommen werden. Dies hat das LSG Rheinland-Pfalz in einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 29.01.2008, Az.: L 4 B 13/08 SB) unter Hinweis darauf vertreten, dass eine Beschwerdemöglichkeit in speziellen kostenrechtlichen Regelungen (explizit
zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -, was aber auf das JVEG übertragbar wäre) nur in Verfahrensordnungen denkbar sei, die diese Beschwerdemöglichkeit nicht
ihrerseits ausschließen würden, und die Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs folglich eine Verfahrensfrage sei, die je nach
Gerichtszweig spezialgesetzlich in dessen Prozessordnung geregelt sei. Dass dies zu weit geht, hat das LSG Rheinland-Pfalz
selbst im Beschluss vom 03.09.2009, Az.: L 6 R 303/09 B, erkannt und sich auf die Regelungen des
SGG nur noch insofern gestützt, als es daraus die Fristgebundenheit der Beschwerde abgeleitet hat. Gegen eine solche Fristgebundenheit
spricht aber Vieles. Insbesondere ist in der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 3 JVEG, nämlich § 16 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG), ausdrücklich die Fristungebundenheit der Beschwerde vorgegeben. Irgendwelche Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber mit
der Neuformulierung in § 4 Abs. 3 JVEG diese Fristungebundenheit abschaffen wollte, geben die Gesetzesmaterialien nicht her
(siehe Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 177 ff). Es ist lediglich eine redaktionelle Umformulierung erfolgt, sodass weiterhin
von einer Fristungebundenheit auszugehen ist. Hätte der Gesetzgeber eine Beschwerdefrist einführen wollen, hätte er dies ausdrücklich
regeln müssen (vgl. Meyer/Höver/Bach, aaO., Rdnr. 4.14; Zimmermann, aaO., § 4 Rdnr. 21). Diese Auslegung ist im Sinne der
Einheitlichkeit der Rechtsordnung geboten, da auch in Beschwerdeverfahren nach § 66 Gerichtskostengesetz (GKG) eine Beschwerdefrist nicht vorgesehen ist (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 157; Meyer, Gerichtskosten der streitigen
Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 12. Aufl. 2010, § 66 Rdnrn. 47, 54). Auf die Regelung des § 66 GKG wird im Übrigen auch in den Gesetzesmaterialien zu § 4 JVEG unter dem Gesichtspunkt der Angleichung der Vorschriften hingewiesen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 179).
Keiner abschließende Klärung bedarf auch die Frage, wie damit umzugehen ist, wenn - wie hier - in einem sozialgerichtlichen
Beschluss zum einen eine richterliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG - mit einer wohl fristungebundenen Beschwerdemöglichkeit
- und zum anderen eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG - mit der zweiwöchigen Beschwerdefrist
des § 2 Abs. 2 Satz 4 JVEG - erfolgt ist. Vieles spricht dafür, in einem solchen Fall den Umfang der beschwerdegerichtlichen
Überprüfung danach zu bestimmen, wann die Beschwerde erhoben worden ist. Dies würde bedeuten, dass bei Beschwerdeeinlegung
nach Ablauf der Frist des § 2 Abs. 2 Satz 4 JVEG der erstinstanzliche Beschluss der beschwerdegerichtlichen Prüfung insoweit
entzogen wäre, als er zur Wiedereinsetzung ergangen ist; im Übrigen wäre die richterliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs.
1 Satz 1 JVEG voll Gegenstand der Beschwerdeentscheidung. Eine fristunabhängige volle Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung
nur deshalb zuzulassen, weil eine äußerlich einheitliche Entscheidung mit zwei Regelungsgegenständen ergangen ist, erscheint
dem Senat nicht richtig. Denn damit würde die Fristenregelung für die Beschwerde gegen einen ablehnenden Wiedereinsetzungsbeschluss,
die eine schnelle Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei einer rein verfahrensrechtlichen und daher eher zügig zu klärenden
Frage gewährleistet, konterkariert. Dass die gesetzlichen Fristvorgaben nicht in der Praxis leer laufen, ist durch eine präzise
Rechtsmittelbelehrung sicher zu stellen. Darin ist klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass eine zweiwöchige Beschwerdefrist
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 JVEG nur insofern besteht, als mit der Entscheidung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt
worden ist, darüber hinaus aber keine Rechtsmittelfrist besteht.
3. Begründetheit der Beschwerde
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Vergütungsanspruch ist erloschen, ohne dass ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand bestünde.
3.1. Rechnung zu spät gestellt
Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die Honorarforderung geltend gemacht wurde.
Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend
gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG
im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.
Vorliegend ist das Gutachten vom 23.10.2008 am 05.11.2008 beim SG eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Vergütungsanspruchs ist am 05.02.2009 (Donnerstag)
abgelaufen. Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung
der Vergütungsforderung bedarf es nicht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, z.B. Senatsbeschluss vom 16.09.2008,
Az.: L 15 SF 144/08).
Ein erstmaliger Eingang der Rechnung des Bf beim SG ist erst mit dem Eingang des Schreibens des Bf vom 07.06.2010 am 09.06.2010 belegt. Mit diesem Schreiben hat der Bf eine
Kopie seiner auf den 29.10.2008 datierten Rechnung übersandt. Dieser Eingang der Rechnung ist erst weit nach Ablauf der dreimonatigen
Frist für die Rechnungseinreichung erfolgt.
Ein früherer Rechnungseingang und zwar noch innerhalb der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, der im Vollbeweis
nachzuweisen wäre, ist nicht belegt. Vollbeweis bedeutet, dass die für die Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen. Erst wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger
Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung für das Vorliegen der Tatsachen sprechen,
kann das Gericht diese Tatsachen als gegeben annehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil
vom 27.03.1958, Az.: 8 RV 387/55). Das Gericht muss vom Vorliegen der Tatsachen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen
können (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.1978, Az.: 8 RU 66/77). Bestehen noch Zweifel, die nicht ausgeräumt werden können, geht die Frage der Aufklärbarkeit nach den Grundsätzen der objektiven
Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch geltend macht.
Nicht im dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen ist die Behauptung des Bf, dass die Rechnung dem Gutachten vom 23.10.2008
beigelegt gewesen und damit ein rechtzeitiger Zugang erfolgt sei. Tatsächlich ist in den Gerichtsakten des SG eine Rechnung nicht enthalten. Weiter ist auf dem Eingangsstempel, der auf dem Gutachten vom 05.11.2008 angebracht ist, nicht
vermerkt, dass eine Rechnung beigelegt gewesen ist, obwohl dafür ein besonders ausgewiesenes Feld im Stempelaufdruck zur Verfügung
steht. Dafür, dass die zusammen mit dem Gutachten eingegangenen Unterlagen vollständig erfasst worden sind, spricht, dass
die Anlagen explizit aufgezählt worden sind. Darunter sind zwar drei Akten und eine "Bescheinigung" aufgeführt, nicht aber
eine Rechnung. Die Frage, ob dem Gutachten eine Rechnung beigelegt war, ist auch - darauf ist im Beschluss des SG vom 24.06.2010 ausdrücklich hingewiesen worden - Gegenstand einer zeitnahen Nachfrage des Vorsitzenden der Rentenkammer des
SG bei der Geschäftsstelle gewesen. Sie ist mit dem Hinweis darauf beantwortet worden, dass eine Rechnung noch nicht eingegangen
sei. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass mit der auf dem Gutachten vom 23.10.2008 als eingegangen verzeichneten "Bescheinigung"
die Rechnung des Bf gemeint sein könnte. Ganz abgesehen davon, dass in den Geschäftsstellen der Gerichte der Unterschied zwischen
Rechnungen, für die im Eingangsstempel sogar ein eigenes Feld zum Abhaken vorgegeben ist, und Bescheinigungen sehr wohl bekannt
ist, ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit der "Bescheinigung" die Anwesenheitsbescheinigung des zu Begutachtenden bei der
Untersuchung durch den Sachverständigen gemeint, die der Gutachter dem Gericht ausgefüllt zurückzugeben hat. Dass diese Bescheinigung
nicht mehr in den Akten enthalten ist, ist plausibel damit zu erklären, dass derartige Bescheinigungen nach Abrechung der
dem Begutachteten entstandenen Kosten nicht aufbewahrt und archiviert worden sind.
Anderweitige aktenkundige Hinweise darauf, dass die Rechnung zusammen mit dem Gutachten übersandt worden wäre, gibt es nicht.
So hat der Sachverständige beispielsweise sein Gutachten nicht mit einem Begleitschreiben versehen, in dem die beigefügten
Anlagen und damit auch eine Rechnung aufgelistet gewesen wären.
Der Vortrag des Bf, dass er regelmäßig Gutachten, und zwar rund 100 pro Jahr, erstelle und bei allen Gutachten immer die Rechnung
beigefügt habe, ist nicht geeignet, den Nachweis der Beifügung und des Eingangs der Rechnung im hier zu entscheidenden Fall
zu erbringen. Eine übliche Vorgehensweise - unterstellt die Richtigkeit der Angaben des Bf - mag zwar für eine gewisse Wahrscheinlichkeit
sprechen, dass dies auch in einem konkreten Fall entsprechend geschehen ist. Mehr kann dies aber nicht belegen, insbesondere
kann damit nicht der Vollbeweis der Mitübersendung in einem konkreten Fall erbracht werden.
Ebenso wenig kann die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Bf den zweifelsfreien Nachweis erbringen, dass die
Rechnung dem Gutachten beigelegt gewesen ist. Abgesehen davon, dass der Beweiswert von eidesstattlichen Versicherungen bei
der Erbringung des Zugangsnachweises ohnehin oft nur eingeschränkt ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 23.12.2005,
Az.: VI B 110/05), wecken die vorliegenden Umstände erhebliche Zweifel daran, dass die Rechnung tatsächlich dem Gutachten beigefügt gewesen
ist (vgl. das oben Ausgeführte). Diese Zweifel kann die eidesstattliche Versicherung nicht ausräumen. Die Zweifel am Beweiswert
der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung hat der Senat nicht nur aus grundsätzlichen Überlegungen heraus, sondern wegen
der Umstände des konkreten Einzelfalls. Es mag zwar durchaus sein, dass sich die Mitarbeiterin an die Erstellung und Absendung
des streitgegenständlichen Gutachtens noch zu erinnern meint. Der Senat fragt sich aber, ob ihre Erinnerung tatsächlich so
präzise sein kann. Denn die eidesstattliche Erklärung ist erst am 16.07.2010 und damit über eineinhalb Jahre nach der behaupteten
Erstellung der Rechnung und Übersendung des Gutachtens abgegeben worden. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass
sich die Mitarbeiterin nach so langer Zeit, in der nach den Angaben des Bf in seiner Praxis über 150 Gutachten erstellt worden
sein dürften, noch an die genauen Abläufe gerade bei dem einen, nämlich dem streitgegenständlichen Gutachten erinnern kann.
Es ist zu vermuten, dass die Mitarbeiterin aufgrund der Tatsache, dass nach den Angaben des Bf regelmäßig - der Bf spricht
von "immer" und "bei allen vorherigen Gutachten" - die Rechnung beigefügt wird, die Schlussfolgerung gezogen hat, dass dies
auch bei dem hier streitigen Fall so geschehen sein muss, und daher die Erklärung in der vorliegenden Form abgegeben hat,
ohne absichtlich täuschen zu wollen.
Nicht ankommen kann es auf die Frage, ob der fehlende Nachweis des Rechnungseingangs vielleicht nicht auf ein Vergessen bei
der Versendung durch den Bf, sondern auf ein Übersehen und versehentliches Vernichten bei Gericht zurückzuführen ist. Denn
wenn der Nachweis des Eingangs bei Gericht nicht geführt werden kann, kann sich die Frage nicht stellen, ob eine Vernichtung
nach Eingang bei Gericht in Betracht kommt. Solange der Eingang nicht nachgewiesen ist, ist die Frage eines potentiellen Verlustes
zu einem späteren Zeitpunkt rein spekulativ und ohne rechtliche Bedeutung. Der Senat hält daher die Argumentation im Beschluss
des Senats vom 25.03.2009, Az.: L 15 SF 44/09 B, fortgeführt in den Beschlüssen vom 02.03.2010, Az.: L 15 SF 52/10 B E, und vom 10.03.2010, Az.: L 15 SF 183/09, nicht mehr aufrecht. Im Übrigen würde ein Untergang der Rechnung - bei nachgewiesenem Eingang bei Gericht - nicht in den
Risikobereich des Rechnungsstellers fallen. Auch insoweit distanziert sich der Senat von der im Beschluss des Senats vom 25.03.2009
vertretenen Rechtsauffassung. Mit Eingang in den Machtbereich des Empfängers geht auch das Risiko des Untergangs auf diesen
über.
3.2. Keine Wiedereinsetzung
Das SG hat im Ergebnis zu Recht dem Bf keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist einem Berechtigten, der ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach § 2 Abs. 1
JVEG gehindert gewesen ist, vom Gericht auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er innerhalb von
zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung
begründen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs.
2 Satz 2 JVEG nicht mehr beantragt werden.
Mit Schreiben vom 07.06.2010 hat der Bf konkludent einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Vom Vortrag einer unverschuldeten
Fristversäumung ist auch dann auszugehen, wenn ein Antragsteller angibt, die Frist überhaupt nicht versäumt zu haben, da er
alles fristgemäß erledigt habe. Eine Fristversäumung kann nicht nur dadurch eintreten, dass eine erforderliche Handlung nicht
rechtzeitig vorgenommen wird, sondern auch dadurch, dass der Betroffene selbst zwar alles rechtzeitig unternimmt, dann aber
durch Umstände außerhalb seines Einflussbereichs oder infolge der Einschaltung Dritter die Einhaltung der Frist vereitelt
wird. Ein geradezu typischer Fall, in dem eine Wiedereinsetzung zu prüfen ist, ist es, wenn ein Antrag rechtzeitig zur Post
gegeben wird, dann aber wegen Umständen im Verantwortungsbereich der Post die Einhaltung der Frist vereitelt wird (vgl. Bundesverfassungsgericht
- BVerfG -, Beschluss vom 29.12.1994, Az.: 2 BvR 106/93; BSG, Urteil vom 30.09.1996, Az.: 10 RAr 1/96; BFH -, Beschluss vom 23.12.2005, Az.: VI B 110/05; Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 03.02.2011, Az.: I ZB 74/09). Nicht viel anders stellt sich der Fall hier dar: Der Bf behauptet, alles getan zu haben, um den rechtzeitigen Eingang der
Rechnung zu bewirken; ein rechtzeitiger Eingang lässt sich aber nicht nachweisen. Das Institut der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand kommt in solchen Fällen grundsätzlich in Betracht.
Gleichwohl scheidet vorliegend eine Wiedereinsetzung aus. Der im Schreiben vom 07.06.2010 liegende Wiedereinsetzungsantrag
ist erst am 09.06.2010 und damit nach Ablauf der Jahresfrist des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG, die ab dem Ende der versäumten dreimonatigen
Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs zu laufen begonnen und am 05.02.2010 (Freitag)
geendet hat, beim SG eingegangen.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG ausgeschlossen. Auf die Frage, ob Wiedereinsetzungsgründe
gegeben gewesen wären, insbesondere auch ob die eidesstattliche Versicherung ausreichend gewesen wäre, um die eine Wiedereinsetzung
begründenden Tatsachen glaubhaft zu machen, kommt es nicht an. Dass sich der Bf nicht früher an das SG gewendet hat, fällt in seinen eigenen Verantwortungsbereich.
Der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung
(§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 und § 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG und § 2 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 4 Abs. 8 JVEG).