Feststellungsinteresse eines Krankenhauses im sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Mindestmengenregelung des Gemeinsamen
Bundesausschusses im Krankenhaus; Rechtsweg
Tatbestand:
Die Klägerin ist Trägerin des Klinikums F Sie wendet sich gegen die Heraufsetzung der Mindestmengenregelung für Perinatalzentren
des Level 1 von 14 auf 30 ab 1. Januar 2011.
Mit dem Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz, FPG)
vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412) ermöglichte der Gesetzgeber als ein Element der Qualitätssicherung die Einführung von Mindestmengen für die Erbringung bestimmter
Leistungen in zugelassenen Krankenhäusern. §
137 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V) bestimmte in der Fassung des FPG u.a.:
(Abs. 1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren mit der Deutschen
Krankenhausgesellschaft unter Beteiligung der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen
der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten. Dabei sind die Erfordernisse
einer sektor- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung angemessen zu berücksichtigen; dazu ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Vereinbarungen nach Satz 1 regeln insbesondere
(...)
(Nr. 3.) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist,
Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände
(...)
Mit dem 1. Januar 2004 übertrug das Gesetz die Kompetenz für Maßnahmen der Qualitätssicherung im Rahmen von §
137 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (im Folgenden: Beklagter; Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
[GKV-Modernisierungsgesetz, GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190).
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378, gültig ab 1. Juli 2008) wurde §
137 Abs.
1 Satz 3 Nr.
3 SGB V zu §
137 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB V. Die Vorschrift lautet nunmehr im Zusammenhang:
(Abs. 3)
1Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse
über
(...)
(Nr. 2) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist
sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (...)
2Wenn die nach Satz 1 Nr. 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen
entsprechende Leistungen nicht erbracht werden. 3Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus
dem Katalog nach Satz 1 Nr. 2 bestimmen, bei denen die Anwendung von Satz 2 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung
der Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung
von Satz 2.
Im Mai 2004 stellten die Spitzenverbände der Krankenkassen einen Antrag auf Aufnahme einer Mindestmenge von 40 für die Behandlung
von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht (very-low-birth-weight, VLBW, kleiner als 1.500 Gramm) in neonatalen Intensiveinheiten.
Am 20. September 2005 beschloss der Beklagte eine ab 1. Januar 2006 wirksame "Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung
der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" ("NICU-Vereinbarung"). Die Vereinbarung basiert auf §
137 Abs.
1 Satz 3 Nr.
2 SGB V damaliger Fassung und enthält keine Mindestmengen im Sinne von §
137 Abs.
1 Satz 3 Nr.
3 SGB V, jedoch Anforderungen an Infrastruktur, sächliche und personelle Ausstattung sowie Kriterien über die stationäre Aufnahme
von Früh- und Neugeborenen. Aufgestellt wird zudem ein vierstufiges Versorgungskonzept:
- Perinatalzentrum Level 1 für die Versorgung von Frühgeborenen mit einer Reife < 1.250 Gramm und/oder < 29+0 Schwangerschaftswoche
(SSW),
- Perinatalzentrum Level 2 für die Versorgung von Frühgeborenen mit einer Reife von 1.250 - 1.499 Gramm und/oder 29+0 bis
32+0 SSW,
- Perinataler Schwerpunkt (Unreife bei Geburtsgewicht von mindestens 1.500 Gramm, postnatale Therapie absehbar, leistungsfähige
Neugeborenenmedizin in Krankenhäusern mit Geburts- und Kinderklinik),
- Geburtsklinik (Geburt reifer Neugeborener ohne bestehendes Risiko, keine Kinderklinik vorhanden).
Im Mai 2007 nahm der Beklagte die Beratungen zur Einführung einer Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen
wieder auf. Im Juli 2007 beauftragte er das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der
Erstellung eines Literaturevidenzberichts zur Fragestellung "Zusammenhang zwischen der Zahl der behandelten Früh- und Neugeborenen
mit sehr geringem Geburtsgewicht (VLBW) und der Ergebnisqualität", den dieses am 14. August 2008 vorlegte (https://www.iqwig.de/download/V07-01_Abschlussbericht_Menge_und_
Ergebnis_bei_der_Versorgung_von_Fruehgeborenen.pdf).
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 (und mit Wirkung vom 1. April 2009) änderte der Beklagte seine "Vereinbarung über Maßnahmen
zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen" (nunmehr: "Qneu-RL"), indem er u.a. in Abschnitt 1.A. der
Anlage 1 mit Nr. 12 eine Regelmäßigkeitszahl einführte:
Strukturelle Voraussetzung für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von < 1.250 Gramm ist, dass das Zeitintervall
zwischen den Aufnahmen dieser Frühgeborenen in den letzten 12 Monaten durchschnittlich weniger als 30 Tage betragen hat.
Eine entsprechende Regelung wurde für die Perinatalzentren des Levels 2 getroffen (Anlage 1, Abschnitt 2.A., Nr. 10).
Mit Beschluss vom 20. August 2009 strich der Beklagte die im Dezember 2008 eingeführte "Regelmäßigkeitszahl" und führte in
seiner "Vereinbarung gemäß §
137 Abs.
1 Satz 3 Nr.
3 SGB V für nach §
108 zugelassene Krankenhäuser" (Mindestmengenvereinbarung) in Nr. 8 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 eine Mindestmenge von 14 Fällen
pro Jahr für Perinatalzentren des Levels 1 und des Levels 2 ein. Über eine hiergegen bei dem Senat anhängige Klage von 16
deutschen Krankenhäusern ist noch nicht entschieden (L 7 KA 147/11 KL, abgetrennt aus L 7 KA 77/10 KL).
Mit Beschluss vom 17. Juni 2010 änderte der Beklagte die Mindestmengenvereinbarung mit Wirkung vom 1. Januar 2011, erhöhte
(unter I. Nr. 1) die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 auf 30 Fälle pro Jahr und strich (unter I. Nr. 2) die Mindestmenge
für Perinatalzentren des Level 2.
Gegen diesen Beschluss, soweit er in Teil I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 von 14 auf 30 erhöht,
hat die Klägerin am 17. August 2011 Klage erhoben.
Mit Bescheid vom 13. April 2010 teilte das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg
(MUGV) der Klägerin mit:
1) Dem Krankenhaus Klinikum F GmbH wird eine Ausnahme erteilt von der Anwendung des Leistungserbringungsverbots nach §
137 Abs.
3 Satz 2
SGB V bei Unterschreitung der Mindestmenge gemäß Ziffer 8.1 und 8.2 der Anlage 1 zur Mindestmengenvereinbarung des G-BA vom 21.03.2006,
zuletzt geändert am 17.12.2009.
2) Die weitere Fallzahl- und Leistungsentwicklung des Perinatalzentrums im Krankenhaus Klinikum Frankfurt (Oder) GmbH wird
zum 30.06.2012 überprüft. Der Krankenhausträger ist verpflichtet, an dieser Überprüfung mitzuwirken, insbesondere dem MUGV
die für die Überprüfung erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
3) Das MUGV behält sich vor, diesen Bescheid im Ergebnis der Überprüfung gemäß Ziffer 2) zu widerrufen.
Auf Nachfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, in den Jahren 2006 bis 2011 Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht unter
1.250g in folgendem Umfange versorgt zu haben:
2006
|
2007
|
2008
|
2009
|
2010
|
2011
|
17
|
6
|
12
|
9
|
22
|
(hochgerechnet) 16
|
Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin im Wesentlichen an: Sie erfülle die personellen und sachlichen Voraussetzungen
für ein Perinatalzentrum des Level 1. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe auch angesichts des Bescheides des MUGV vom 13. April
2010, denn er stehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Es liege daher in ihrem Interesse, so früh wie möglich Rechtsschutz
in Anspruch zu nehmen. Der angefochtene Beschluss vom 17. Juni 2010 sei aus mehreren Gründen rechtswidrig und damit nichtig.
Frühgeburtlichkeit sei grundsätzlich nicht "planbar" im Sinne von §
137 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB V, sondern verlaufe dynamisch und sei nicht vorhersehbar. Das zeige auch das sehr stark schwankende Zahlenmaterial der Jahre
2006 bis 2011. Zudem sei eine Kausalität zwischen Leistungsmengen und Qualität des Behandlungsergebnisses nicht hinreichend
sicher belegt. Leistungsmengen seien nur ein schwacher Surrogatfaktor für die Vorhersage der Leistungsqualität; maßgeblich
ins Gewicht fielen auch andere Qualitätsanforderungen wie zum Beispiel Qualifikation und Geschick von Ärzten und Pflegekräften,
Prozessqualität und sachliche Ausstattung. Der Beklagte habe insgesamt nur unzureichende Sachaufklärung betrieben, zumal das
IQWiG in seinem Bericht vom 14. August 2008 ausdrücklich erklärt habe, dass aus den Ergebnissen der analysierten Beobachtungsstudien
keine kausalen Zusammenhänge ableitbar seien. Konkrete Mindestmengen seien bei dieser Studienlage nicht begründbar. Erst recht
sei nicht belegt, dass - wie vom Gesetz gefordert - Menge und Ergebnis "in besonderem Maße" von einander abhängig seien. Schlichte
- ohnehin nicht vorhandene - statistische Korrelationen reichten insoweit nicht aus. Im Rahmen der Ergebnisanalyse dürfe zudem
nicht ausschließlich auf die Mortalität als Zielgröße abgestellt werden; hier bestehe die Gefahr einer Überschätzung von Einheiten,
die eine niedrige Mortalität auf Kosten einer hohen Morbidität erzielten. Zu befürchten sei auch eine Fehlsteuerung dergestalt,
dass Kliniken gegebenenfalls nicht mehr um jeden Preis bemüht sein könnten, sehr unreife Frühgeburten zu vermeiden, um die
Mindestmenge zu erreichen. Eine Schwellenwertermittlung sei nicht einmal versucht worden; der Beklagte habe damit seine Pflicht
zur Sachverhaltsaufklärung gravierend verletzt. Die Mindestmenge von 14 sei ebenso willkürlich wie die von 30. Mit der neuen
Mindestmengenregelung sei ein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art.
12 Grundgesetz (
GG) verbunden.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 insoweit rechtswidrig und damit nichtig ist, als er unter
I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht
von weniger als 1250g) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 von 14 auf 30 Fälle erhöht,
hilfsweise den Beschluss des Beklagten vom 17. Juni 2010 insoweit aufzuheben, als er unter I. Nr. 1 die Mindestmenge für Perinatalzentren
des Level 1 (Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 g) mit Wirkung vom 1. Januar
2011 von 14 auf 30 Fälle erhöht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig. Die vorhandene Ausnahmegenehmigung nach §
137 Abs.
3 Satz 3
SGB V stelle die Klägerin schon von der Bindung an die Mindestmenge von 14 frei. Daher bestehe kein Bedürfnis für eine Klage gegen
die Erhöhung der Mindestmenge auf 30. Der Bescheid selbst sehe nur eine Überprüfung der Ausnahmegenehmigung zur Jahresmitte
2012 vor; das Ergebnis sei nicht absehbar. Im Übrigen hält der Beklagte die angegriffene Erhöhung der Mindestmenge von 14
auf 30 für rechtmäßig.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vom
Beklagten eingereichte Normsetzungsdokumentation (zwei Ordner) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung
in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.
A. Der Senat behandelt den vorliegenden Streit eines Krankenhausträgers gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss in Übereinstimmung
mit dem für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat des Bundessozialgerichts als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts
im Sinne der §§
10 Abs.
2,
31 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG; vgl. Urteile des 6. Senats des Bundessozialgerichts vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R; vom 6. Mai 2009, B 6 KA 1/08 R; vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/09 R, jeweils zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 27. August 2010, L 7 KA 11/10 KL ER [Otobacid ®] und vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren] sowie Urteil vom 17. August 2011, L 7 KA 77/08 KL [Mindestmenge Knie-TEP], jeweils zitiert nach juris).
Zwar ist in der Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundessozialgerichts umstritten, nach welchen Kriterien die besondere
Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts (§§
10 Abs.
2,
31 Abs.
2 SGG) von der allgemeinen Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung
(§
51 Abs.
1 Nr.
2 SGG) abzugrenzen ist; beim Großen Senat des Bundessozialgerichts ist insoweit auf Vorlage des dortigen 3. Senats (B 3 KR 36/09 B, Beschlüsse vom 10. März 2010 und 21. Juli 2011) ein Verfahren anhängig, in dem eine grundsätzliche Abgrenzung von krankenversicherungsrechtlicher
und vertragsarztrechtlicher Streitigkeit vorzunehmen ist (GS 1/10).
Im Interesse der Rechtssicherheit hält der Senat derzeit und bis zum 31. Dezember 2011 aber noch an der Zuordnung einer Streitigkeit
wie der vorliegenden zum Vertragsarztrecht fest. Nichts anderes gilt vor allem angesichts der Regelungen in Art. 8 Nr. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, das der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 1. Dezember 2011 beschlossen hat (vgl. BT-Drs. 17/6764
[Gesetzentwurf der Bundesregierung] sowie BT-Drs. 17/7991 [Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und
Soziales]). Mit der Neuregelung wird §
10 Abs.
2 SGG ein Satz angefügt, der den Gegenstand des Vertragsarztrechts konkretisieren will und lautet (in Zukunft §
10 Abs.
2 Satz 2 Nr.
1 SGG): "Zu diesen Streitigkeiten gehören auch Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, soweit
diese Entscheidungen und die streitgegenständlichen Regelungen der Richtlinien die vertragsärztliche Versorgung betreffen."
Hieran gemessen wäre die Klage eines Krankenhausträgers gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss zum Beispiel in Zusammenhang
mit der Mindestmengenvereinbarung nicht mehr dem Vertragsarztrecht, sondern dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen, mit
entsprechenden Konsequenzen für die Besetzung der Richterbank (vgl. §§
12 Abs.
2 und
3,
33 SGG). So führt die Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/6764, S. 26, li.Sp.) auch ausdrücklich an, dass Beschlüsse des Gemeinsamen
Bundesausschusses nach §
137 Abs.
3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V) nicht mehr unter den Begriff des Vertragsarztrechts fielen.
Allerdings gilt die Neuregelung gemäß Art. 23 Abs. 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze erst mit Wirkung vom 1. Januar 2012. Schon deshalb verbietet sich eine Erstreckung auf das vorliegende
Verfahren. Bestätigt sieht der Senat sich insoweit durch die Formulierung in der Gesetzesbegründung (aaO.), die zwar einerseits
von einer "Klarstellung" spricht, andererseits aber wiederholt anführt, diese solle erst "künftig" gelten, also mit Wirkung
ab dem 1. Januar 2012. Nichts anderes ist insoweit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 30.
November 2011 (BT-Drs. 17/7991, S. 21, li.Sp.) zu entnehmen.
B. Für die Streitigkeit ist der Senat erstinstanzlich zuständig. Die Klage richtet sich unmittelbar "gegen Entscheidungen
und Richtlinien" des Beklagten im Sinne von §
29 Abs.
4 Nr.
3 SGG, nämlich gegen einen Verbindlichkeit entfaltenden Beschluss im Sinne der §§
91 Abs.
6,
137 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB V.
C. Ein Sachurteil kann nicht ergehen, denn die Klage ist - anders als die weiteren am 21. Dezember 2011 vom Senat entschiedenen
Klagen 40 anderer deutscher Geburtskliniken - unzulässig.
1. Statthaft ist die Klage allerdings als (Norm-)Feststellungsklage. Der erkennende Senat hat als 7. Senat des LSG Berlin-Brandenburg
und als 7. Senat des früheren LSG Berlin in ständiger Rechtsprechung als Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG auch die (Norm-)Feststellungsklage für zulässig gehalten, wenn sie auf die Feststellung der Gültigkeit bzw. der Nichtigkeit
einer untergesetzlichen Rechtsnorm gerichtet war (vgl. Urteile vom 15. Juli 2009, L 7 KA 30/08 KL [§ 116 b SGB V] und L 7 KA 50/08 KL; Urteil vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]; Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren]; LSG Berlin, Urteil vom 14. Juni 1995, L 7 Ka 6/95 [laborärztliche Leistungen]; zitiert
jeweils nach juris).
Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es sich bei dem hier streitigen Beschluss des Beklagten nach §
137 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB V ("Mindestmengenvereinbarung") nicht um einen Verwaltungsakt handelt, der die Möglichkeit der Anfechtungsklage eröffnet, sondern
um eine gemäß §
91 Abs.
6 SGB V verbindliche untergesetzliche Norm, vergleichbar mit den Richtlinien des Beklagten im Sinne von §
92 Abs.
1 SGB V, die in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt sind und deren Bindungswirkung gegenüber
allen Systembeteiligten ebenso außer Frage steht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21 [sortis]). Als sachgerechte Klageart kommt deshalb zur Vermeidung von verfassungsrechtlich
im Hinblick auf Art.
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG) nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücken nur eine Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG in Betracht, weil das
SGG - von dem seit 1. April 2011 geltenden, aber nur auf Satzungen nach § 22a Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende) bezogenen §
55a SGG abgesehen - offensichtlich lückenhaft ist und Rechtsschutz in Form der Normenkontrolle nicht ausdrücklich vorsieht; eine
§
47 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) entsprechende Norm fehlt noch immer im
SGG, das andererseits in §
29 Abs.
4 Nr.
3 - einer Norm zur funktionellen Zuständigkeit - Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des Beklagten ausdrücklich
voraussetzt und damit einen Bedarf an tauglichem Prozessrecht verursacht.
Diese Rechtsschutzmöglichkeit hat auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R [Clopidogrel], zitiert nach juris; vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]) anerkannt. Danach sind Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Rechtmäßigkeit von Therapiehinweisen,
die der Beklagte zu einer Arzneimitteltherapie abgegeben hat, im Rahmen des §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zulässig; zur Überzeugung des Senats kann für eine Klage gegen die Mindestmengenvereinbarung nach §
137 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 SGB V nichts anderes gelten. Bestätigt sieht der Senat sich insoweit auch durch eine jüngst ergangene Entscheidung des 6. Senats
des Bundessozialgerichts (B 6 KA 29/10 R [Monapax], Urteil vom 14. Dezember 2011). Der Terminsbericht (http://juris.bundessozialgericht.de) hebt ausdrücklich hervor,
dass das Landessozialgericht im Verfahren nach §
29 Abs.
4 Nr.
3 SGG im Rahmen eines Feststellungsantrages über Wirksamkeit oder Ungültigkeit von Rechtsnormen zu entscheiden hat, "zumal bei
Fehlen eines Normenkontrollverfahrens gemäß §
47 VwGO".
2. Der Klage mangelt es jedoch am Feststellungsinteresse im Sinne von §
55 Abs.
1, letzter Halbs.
SGG ("berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung").
Das Feststellungsinteresse ist ein Sonderfall bzw. eine Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Letzteres fehlt
grundsätzlich, wenn das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde oder
wenn das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 16 vor §
51; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Rdnrn. 32, 33, 39 zu §
43). Das Feststellungsinteresse im Besonderen verlangt ein vernünftigerweise gerechtfertigtes, als schutzwürdig anzuerkennendes
Interesse am Ausgang der Sache, das rechtlicher, aber auch bloß wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (vgl. Bundessozialgericht,
Urteil vom 17. Dezember 2006, B 3 KR 5/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17; Urteil vom 2. August 2001, B 7 AL 18/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11; Keller, aaO., Rdnr. 15 a zu § 55). An "baldiger" Feststellung besteht ein Interesse,
wenn eine Gefährdung oder Unsicherheit schutzwürdiger Interessen schon gegenwärtig besteht (Keller, aaO., Rdnr. 18).
Hieran gemessen ist das Feststellungsinteresse der Klägerin gegenwärtig zu verneinen. Ein stattgebendes Urteil würde ihre
rechtliche oder wirtschaftliche Stellung nicht verbessern; gegenwärtig besteht kein schutzwürdiges Interesse am Ausgang der
Sache.
Entscheidend ist zur Überzeugung des Senats insoweit das Vorliegen des Bescheides der für die Krankenhausplanung zuständigen
Landesbehörde vom 13. April 2010. Das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hat
die Klägerin darin gemäß §
137 Abs.
3 Satz 3
SGB V zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung vom Leistungserbringungsverbot nach §
137 Abs.
3 Satz 2
SGB V bei Unterschreitung der Mindestmenge für die Versorgung Frühgeborener im Perinatalzentrum des Level 1 freigestellt. Die Klägerin
darf damit gegenwärtig einschränkungslos auch Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm versorgen
und entsprechende Leistungen gegenüber den Krankenkassen abrechnen. Der Bescheid gilt unbefristet und steht lediglich unter
dem Vorbehalt einer Überprüfung der weiteren Fallzahl- und Leistungsentwicklung zum 30. Juni 2012. Für einen drohenden oder
gar beabsichtigten Widerruf der Ausnahmegewährung ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich; die Klägerin darf vielmehr
nachhaltig auf der Grundlage des Bescheides vom 13. April 2010 planen, sie besitzt schon gegenwärtig Dispositionssicherheit
in hinreichendem Maße.
Angesichts dessen könnte die Klägerin ihre Rechtsstellung mit einer Stattgabe im vorliegenden Verfahren nicht verbessern.
Sie klagt gleichsam "auf Vorrat", ohne dass überhaupt absehbar ist, ob sie jemals Nutzen aus einer Stattgabe ziehen wird.
Ein berechtigtes Interesse an - vom Gesetz so geforderter - "baldiger" Feststellung besteht danach jedenfalls nicht.
D. Vor diesem Hintergrund bleibt auch der Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom
17. Juni 2010 zielt, soweit dieser die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 von 14 auf 30 erhöht hat. Wie oben unter
C. 1. gezeigt, ist das klägerische Begehren sachgerecht als (Norm-)Fest-stellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG zu behandeln. Eine Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1
SGG ist unstatthaft, denn es fehlt an einer anfechtbaren Regelung durch Verwaltungsakt.
E. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §§
154 Abs.
1 VwGO. Der Senat hat die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.