Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld bei Eintritt eines erneuten Insolvenzereignisses
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 01.02.2003 bis 24.04.2003.
Das erste Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vereins für Bewegungsspiele L e.V. (im Folgenden: der Arbeitgeber) wurde
am 01.01.2000, 08.00 Uhr, durch Beschluss des Amtsgerichts Leipzig (AG) vom selben Tage eröffnet (93 IN 1636/99). Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. A bestellt. Der vom Insolvenzverwalter Dr. A vorgelegte Insolvenzplan, der
den Erhalt des Arbeitgebers gewährleisten sollte (wegen des Inhalts wird auf Blatt 80 bis 113 der Akte des Landessozialgerichts
[LSG] verweisen), wurde mit Beschluss des AG vom 20.04.2000 gerichtlich bestätigt und die Überwachung des Insolvenzplans durch
den Insolvenzverwalter Dr. A für die Dauer von zwei Jahren ab rechtskräftiger Bestätigung angeordnet. Mit Beschluss vom 01.12.2000
wurde nach Rechtskraft des Insolvenzplans und der Prüfung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters das Insolvenzverfahren
eingestellt. Zugleich wurde in dem Beschluss vom 01.12.2000 nach §
260 Insolvenzordnung (
InsO) die Überwachung des Insolvenzplans für die Dauer von zwei Jahren ab rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahren (Rechtskraftvermerk
vom 25.01.2001) unter Übertragung dieser Aufgabe auf den bisherigen Insolvenzverwalter angeordnet. Die Überwachung der Erfüllung
des Insolvenzplanes wurde mit Beschluss des AG vom 05.12.2002 wegen des Endes der Überwachungszeit per 30.11.2002 aufgehoben
(Rechtskraftvermerk vom 15.01.2003). Nach §
268 Abs.
1 Nr.
2 InsO betrage die maximale Dauer der Überwachung drei Jahre ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Im rechtskräftigen Insolvenzplan
vom 17.04.2000 sei die Dauer der Überwachung durch die Gläubiger aber auf zwei Jahre ab Verfahrensaufhebung begrenzt worden.
Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei am 01.12.2000 erfolgt. Danach sei die Überwachung der Planerfüllung per 30.11.2002
durch Zeitablauf beendet. Derzeit sei auch kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig, so dass die Überwachung
auch nicht aus diesem Grund habe verlängert werden müssen. Mit Schreiben vom 09.12.2002 bestätigte der bisherige Insolvenzverwalter,
dass ihm als einzige fällige, noch nicht erfüllte Insolvenzforderung die des Herrn M M bekannt sei. Er habe aber keine Bedenken,
dass die Überwachung durch Zeitablauf per 30.11.2002 beendet sei.
Der Arbeitgeber beantragte durch seinen Schatzmeister M am 03.12.2003 beim AG wegen Zahlungsunfähigkeit die erneute Eröffnung
des Insolvenzverfahrens (401 IN 2632/03). Mit Beschluss vom selben Tage wurde Rechtsanwalt St, der spätere Insolvenzverwalter, mit der Erstellung eines Gutachtens
beauftragt und mit weiterem Beschluss am nachfolgenden Tage zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit weiterem Antrag
vom 23.12.2003 beantragte die AOK Sachsen - Die Gesundheitskasse die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (405 IN 2816/03). Dieses Insolvenzeröffnungsverfahren wurde mit dem bereits anhängigen und zum führend erklärten Insolvenzverfahren verbunden
(Beschluss vom 05.01.2004). Am 30.01.2004 legte der vorläufige Insolvenzverwalter sein Gutachten vor, das zum Ergebnis gelangte,
dass Zahlungsunfähigkeit (§
17 Abs.
2 InsO) und darüber hinaus Überschuldung (§
19 Abs.
2 Satz 1
InsO) vorliege. Die Arbeitsentgeltrückstände betrugen 309.818,64 EUR und die Beitragsrückstände gegenüber den Einzugsstellen 367.938,30
EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 61 bis 122 der kopierten Insolvenzverfahrensakte 401 IN 2632/03 Bezug genommen. Mit Beschluss des AG vom 02.02.2004 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers erneut ein Insolvenzverfahren
eröffnet und Rechtsanwalt St zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger war vor dem ersten Insolvenzverfahren als Vertragsamateur (Abteilung Fußball) im Sinne der bis 31.12.2001 geltenden
§§ 15 bis 15f der Spielordnung des Deutschen Fußballbundes (DFB) beim Arbeitgeber beschäftigt. Er beantragte am 16.02.2000
bei der Beklagten die Gewährung von Insg für die Zeit vom 01.10.1999 bis 31.12.1999. Die Beklagte bewilligte die begehrte
Leistung mit Bescheid vom 08.03.2000 in Höhe von 12.016,99 DM.
Der Kläger war erneut beim Arbeitgeber als Vertragsspieler (§ 8 der ab 01.01.2002 geltenden Spielordnung des DFB) aufgrund
eines befristeten Vertrages vom 16.05.2002 für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.06.2003 (Saison 2002/2003) beschäftigt.
Mit Schreiben des Arbeitgebers vom 24.04.2003 wurde das Arbeitsverhältnis "mit sofortiger Wirkung" gekündigt. Gleichzeitig
wurde dem Kläger die Fortsetzung des Vertrages mit der Maßgabe angeboten, das Arbeitsentgelt auf eine monatliche Aufwandsentschädigung
von 400,00 EUR zuzüglich einer Beteiligung an den Zuschauereinnahmen (ab dem 2001. Besucher) zu beschränken. Die dagegen zum
Arbeitsgericht Leipzig erhobene Klage (16 Ca 3934/03) endete durch Klagerücknahme, der ein außergerichtlicher Vergleich vom 18.03.2004 mit dem Inhalt vorausgegangen war, dass
das Vertragsverhältnis mit dem Arbeitgeber als Gemeinschuldner aufgrund dessen Kündigung vom 24.04.2003 zum 24.04.2003 beendet
und ein Vertragsverhältnis zum Insolvenzverwalter nicht begründet worden sei.
Bereits am 25.02.2004 hatte der Kläger erneut die Gewährung von Insg bei der Beklagten beantragt. Der Insolvenzverwalter wies
für den Kläger in der Insg-Bescheinigung vom 23.04.2003 für Februar 2003 ein ausstehendes Nettoarbeitsentgelt von 1.374,59
EUR, für März 2003 ein solches von 2.009,35 EUR und für die Zeit vom 01.04.2003 bis 24.03.2003 ein solches von 1.640,68 EUR
aus. Mit Bescheid vom 09.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insg ab. Durch das AG sei am 02.02.2004 erneut ein
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden. Ein weiteres Insolvenzereignis beim selben Arbeitgeber
könne nur zu einem Insg-Anspruch führen, wenn nach dem ersten Insolvenzverfahren die Zahlungsfähigkeit wieder hergestellt
worden sei. Wann von einer wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit auszugehen sei, müsse nach den jeweiligen Gesamtumständen
des Einzelfalles beurteilt werden. Die Tatsache, dass die laufenden Verbindlichkeiten erfüllt würden, rechtfertige jedenfalls
für sich allein noch nicht die Annahme wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit. Gleiches gelte für den Fall, dass zwischen den
jeweiligen Insolvenzereignissen ein längerer zeitlicher Abstand liege. Der Arbeitgeber sei nach dem 01.01.2000 nicht wieder
zahlungsfähig geworden. Der Insolvenzverwalter St habe festgestellt, dass nach der Durchführung des ersten Insolvenzverfahrens
in den folgenden Jahren Fehlbeträge erwirtschaftet worden seien und somit nicht von einer wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit
auszugehen sei. Ein erneuter Anspruch auf Insg bestehe nicht.
Dagegen legte der Kläger am 25.06.2004 Widerspruch ein. Der Arbeitgeber habe bis einschließlich Januar 2003 die Arbeitsentgeltansprüche
durch regelmäßige Zahlungen erfüllt. Zwischen beiden Insolvenzverfahren lägen drei Jahre, in welchen die Zahlungsfähigkeit
des Arbeitgebers wiederhergestellt gewesen sei, bevor er im Jahr 2003 erneut zahlungsunfähig geworden sei. Es bestünden daher
zwei eigenständige, einen Anspruch auf Insg begründende Insolvenzereignisse. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 30.09.2004, dem Kläger zugestellt am 01.10.2004, zurück. Hierbei machte sie sich die Begründung des angegriffenen Bescheides
vom 09.06.2004 zu eigen und führte ergänzend aus, grundsätzlich könne erneute Zahlungsfähigkeit dann angenommen werden, wenn
sich die finanzielle Situation des Schuldners so gebessert habe, dass er wieder kreditwürdig geworden sei. Das erfordere in
der Regel, dass der Arbeitgeber auch bezüglich der Altschulden eine Regelung treffe, die der Sanierung des Unternehmens Rechnung
trage. Es reiche nicht aus, dass an den Kläger regelmäßig Gehalt gezahlt worden sei. Entsprechend dem aktuellen Gutachten
des Insolvenzverwalters vom 30.01.2004 weise der Arbeitgeber Lohn-/Gehaltsrückstände und Beitragsrückstände mit jeweils sechsstelligem
Wert auf. In der Zeit vom 01.07.2000 bis 30.06.2002 habe er Jahresfehlbeträge von jeweils etwa einer Million EUR erwirtschaftet.
Forderungen aus dem Insolvenzplan hätten auch nach Beendigung des Insolvenzplanverfahrens am 30.11.2002 fortbestanden.
Am 01.11.2004 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben und seinen Anspruch auf Insg weiterverfolgt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Bundessozialgericht (BSG) habe
in seinem Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 §
183 Nr. 3) zu §
183 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) nur entschieden, dass die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens bei angeordneter Planüberwachung nicht allein den Schluss
rechtfertige, dass die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers beendet worden sei und ein neues Insolvenzereignis eintreten könne.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sei ein zweites Insolvenzverfahren noch während der vom Insolvenzgericht
angeordneten Planüberwachung des ersten Insolvenzverfahrens eingeleitet worden. Das BSG habe in der genannten Entscheidung
aber ausdrücklich festgestellt, dass damit von ihm keine Entscheidung zu der Frage getroffenen werde, ob von einer Wiederherstellung
der Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden könne, wenn die Planüberwachung später wieder aufgehoben werde. Im vorliegenden Fall
sei das erste Insolvenzverfahren aus dem Jahr 2000 durch einen Insolvenzplan gestaltet worden. Die durch das AG angeordnete
Überwachung des Insolvenzplanes habe am 30.11.2002 geendet. Da das zweite Insolvenzereignis, das zweite Insolvenzverfahren
des Arbeitgebers (eröffnet am 02.02.2004), nach dem Ende der Überwachung des Insolvenzplanes eingetreten sei, liege eine Fallgestaltung
vor, die vom BSG noch nicht entschieden worden sei. Es sei hier von der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers
auszugehen. Nach Angaben des Insolvenzverwalters Dr. A sei der Insolvenzplan aus dem ersten Insolvenzverfahren erfüllt worden.
Die Quotenforderung der SAT Media Fernsehprojektierungsgesellschaft mbH (im Folgenden: S-GmbH) sei in eine Darlehensforderung
umgewandelt und bis zum 01.07.2003, also über das Ende der Überwachung des Insolvenzplanes hinaus, tilgungsfrei gestellt worden.
Somit hätten am 30.11.2002 keine sofort fälligen Verbindlichkeiten für den Arbeitgeber bestanden. Wollte man für die Annahme
von wiedererlangter Zahlungsfähigkeit die Voraussetzung aufstellen, dass überhaupt keine Verbindlichkeiten vorliegen dürften,
so würde man damit mehr verlangen als von einem bislang nicht insolvent gewordenen Unternehmen. Eine andere Rechtsauffassung
würde der Schutzbedürftigkeit der Versicherten widersprechen. Es sei gerechtfertigt, einem Versicherten nur einmal Insg zu
zahlen, wenn tatsächlich nur ein einziges Insolvenzereignis vorliege. Der Versicherte, der wisse, dass er bei einem insolventen
Unternehmen beschäftigt sei, nehme bewusst das Risiko in Kauf nehmen, Gehaltsansprüche nicht durchsetzen zu können. Hier lägen
mehr als drei Jahre zwischen den beiden Zeiträumen, für die Insg beantragt worden sei. In der Zeit nach Aufhebung des ersten
Insolvenzverfahrens seien offenbar vom Arbeitgeber regelmäßige Gehaltszahlungen an die Lizenzspieler geleistet worden. Infolge
der Einstellung des Insolvenzverfahrens und der Beendigung der Überwachung des sich anschließenden Insolvenzplanverfahrens
hätten die Beschäftigten des Arbeitgebers davon ausgehen dürfen, dass der Verein saniert worden sei und es für sie kein Risiko
darstelle, weiterhin dort beschäftigt zu sein. Dass tatsächlich Fehlbeträge erwirtschaftet worden seien, hätten die Spieler
des Vereins nicht wissen können bzw. müssen. Unter den gegebenen Verhältnissen sei er, der Kläger, vernünftigerweise nicht
verpflichtet gewesen, sich einen neuen Verein zu suchen. Er sei durch seinen Verbleib beim Arbeitgeber kein unangemessenes
Risiko eingegangen. Zudem sei auch der Insolvenzverwalter St von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ausgegangen, da
er im außergerichtlichen Vergleich einen Anspruch auf Insg bescheinigt habe.
Das SG hat mit Urteil vom 14.11.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit
könne nicht ausgegangen werden. Nach dem Gutachten des Insolvenzverwalters St vom 30.01.2004 habe der Arbeitgeber vom 01.07.2000
bis zum 30.06.2002 jeweils Jahresfehlbeträge im Umfang von ca. einer Million EUR erwirtschaftet, so dass der Arbeitgeber nicht
in der Lage gewesen sei, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Eine Besserung der finanziellen Situation nach dem Insolvenzereignis
vom 01.01.2000 sei somit nicht erkennbar und von einer wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit könne nicht ausgegangen werden.
Der Arbeitgeber habe über den Stichtag hinaus, zu dem die im Insolvenzplan vereinbarten Quoten zu zahlen gewesen seien, der
S-GmbH einen Betrag in Höhe von 408.799,78 EUR geschuldet. Diese Darlehensschuld sei bis zum 01.07.2003 tilgungsfrei gestellt
worden, so dass auch nach Beendigung der Überwachung des Insolvenzplanes am 30.11.2002 offene Forderungen gegenüber Gläubigern
bestanden hätten. Ein Kennenmüssen der Zahlungsunfähigkeit durch den Kläger sei nicht erforderlich. Auch die regelmäßige Zahlung
von Gehalt an den Kläger stehe dem nicht entgegen, da sonstige Zahlungsverpflichtungen gerade nicht eingehalten worden seien.
Gegen das ihm am 29.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.12.2006 beim LSG Berufung eingelegt und unter Bezugnahme
auf die Klagebegründung ergänzend ausgeführt, Beklagte und SG hätten nur darauf abgestellt, dass der Arbeitgeber nach dem ersten Insolvenzereignis in der Zeit vom 01.07.2000 bis 30.06.2002
noch Fehlbeträge in Höhe von etwa einer Million EUR erwirtschaftet und eine Darlehensschuld gegenüber der S-GmbH gehabt habe,
ohne zu würdigen, dass die Darlehensschuld bis zum 01.07.2003 tilgungsfrei gestellt worden sei. Das SG sei auf die Argumentation in der Klagebegründung nicht eingegangen, dass hier eine Fallgestaltung vorliege, die vom BSG noch
nicht entschieden worden sei, nämlich die Frage, ob von einem zweiten Insolvenzereignis ausgegangen werden könne, wenn dieses
erst nach Aufhebung der Planüberwachung des ersten Insolvenzverfahrens eintrete. Immerhin sei das zweite Insolvenzereignis
hier erst nach Aufhebung der Planüberwachung eingetreten. Das SG habe auch zu Unrecht die Tatsache missachtet, dass der Arbeitgeber in der fraglichen Zeit seine laufenden Verbindlichkeiten
habe erfüllen können (alle Gehaltszahlungen an die Lizenz- und Vertragsspieler). Der Arbeitgeber habe somit alle fälligen
Forderungen erfüllt. Es sei unzulässig, im Wege einer ex-post-Betrachtung die Höhe der erwirtschafteten Fehlbeträge festzustellen.
Sachgerecht sei es vielmehr, vom damaligen Standpunkt aus die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit zu prüfen und hierbei
entscheidend darauf abzustellen, dass die fälligen Forderungen erfüllt worden seien. Außerdem sei zu beachten, dass dann,
wenn der Arbeitgeber und die S-GmbH vertraglich vereinbart hätten, eine Forderung in eine Darlehensforderung umzuwandeln und
bis zum 01.07.2003 tilgungsfrei zu stellen, der zuvor aufgestellte Insolvenzplan diesbezüglich keine andere Regelung habe
treffen können.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.
Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem
Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 01. Februar 2003 bis 24. April 2003 entsprechend der Insolvenzgeldbescheinigung des
Insolvenzverwalters zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Ablehnung des beantragten Insg sei rechtmäßig. Der Arbeitgeber sei nach dem Insolvenzereignis
vom 01.01.2000 (aufgrund dessen der Kläger für die Zeit von Oktober 1999 bis Dezember 1999 Insg erhalten habe) nicht wieder
zahlungsfähig geworden, so dass kein neues, einen Insg-Anspruch begründendes Insolvenzereignis eingetreten sei. Es werde auf
die Ausführungen im Verwaltungsverfahren und auf die Gründe des SG-Urteils Bezug genommen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 29.05.2008 (B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9). Das BSG vertrete danach die Auffassung, dass bei andauernder Überwachung der Planerfüllung durch
den Insolvenzverwalter die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nicht die Annahme rechtfertige, die Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dieses Urteil stehe nicht der im vorliegenden
Rechtsstreit vertretenen Auffassung entgegen. Sie, die Beklagte, gehe weiter davon aus, dass die Wiedererlangung der Fähigkeit
des Arbeitgebers, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen erfüllen zu können, auch nach Beendigung des durch den Insolvenzverwalter
überwachten Insolvenzplanverfahrens nicht habe erreicht werden können. So habe ihr der Insolvenzverwalter Dr. A im Verfahren
93 IN 1636/99 auf Anfrage mit Schriftsatz vom 29.01.2004 mitgeteilt, dass eine Quotenforderung der S-GmbH über 408.799,78 EUR (richtig
müsse es wohl heißen DM, vgl. Anlage 6, Seite 7 zum Insolvenzplan: 8.175.995,56 DM x 5 % = 408.799,78 DM) bestehe. Nach seiner
Information sei es Anfang 2002 zu einem Darlehensvertrag zwischen dem Arbeitgeber und der S-GmbH mit dem Inhalt gekommen,
dass die Quotenforderung in eine Darlehensforderung der S-GmbH umgewandelt worden sei, die bis zum 01.07.2003 tilgungsfrei
gestellt worden sei. Die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplanes im Verfahren 93 IN 1636/99 habe offenbar wegen dieser Umstände nach dem Ende der Überwachungszeit mit Ablauf des 30.11.2002 aufgehoben werden können.
Unabhängig davon habe der Arbeitgeber auch über den Stichtag hinaus, zu dem die im Insolvenzplan vereinbarten Quoten zu zahlen
gewesen seien, der S-GmbH einen Betrag in Höhe der auf die S-GmbH entfallenden Quote geschuldet. In dem Gutachten zum zweiten
Insolvenzverfahren (401 IN 2632/03) vom 30.01.2004 sei daher die S-GmbH mit einem Darlehen i. H. v. von 226.032,90 EUR (408.799,78 DM) als Gläubigerin verzeichnet.
Daraus werde ersichtlich, dass der Insolvenzplan vom 17.04.2000 jedenfalls hinsichtlich dieser Forderung nicht erfüllt worden
sei. Nach dem Gutachten vom 30.01.2004 habe der Arbeitgeber noch im Laufe des vom Insolvenzverwalter überwachten Insolvenzplanverfahrens
(93 IN 1636/99) weitere erhebliche wirtschaftliche Fehlbeträge erwirtschaftet. Die Ursachen dafür seien u. a. in der Aufrechterhaltung des
Lizenzspielerbereichs und im Eingehen ungesicherter Verbindlichkeiten zu suchen. Unerheblich sei, dass der Insolvenzverwalter
St dem Kläger in einem außergerichtlichen Vergleich vom 18.03.2004 einen Anspruch auf Insg bescheinigt habe. Dieser Vergleich
binde sie, die Beklagte, nicht. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter diesen Vergleich insoweit umgesetzt als er die Insg-Bescheinigung
vom 24.03.2004 ausgefüllt habe. Dass der Verwalter somit offensichtlich von einer Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit
des Arbeitgebers nach dem Ende der Planüberwachung ausgegangen sei, ergebe sich daraus nicht. Der Insolvenzverwalter habe
lediglich die Eröffnung des Verfahrens 401 IN 2632/03 mit Beschluss vom 02.02.2004 bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten, die Leistungs- und die Betriebsakte der Beklagten und die kopierte
Insolvenzverfahrensakte 401 IN 2632/03 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das die Klage abweisende Urteil des SG und der den Insg-Antrag des Klägers vom 25.04.2004 ablehnende Bescheid der Beklagten vom 09.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 30.09.2004 sind rechtswidrig und aufzuheben. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Insg für die Zeit vom 01.02.2003
bis 24.04.2003. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus der von den Beteiligten unbestrittenen und vom Senat als zutreffend
zugrunde gelegten Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters St.
A. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Insg ergibt sich jedoch nicht bereits aus §
183 Abs.
2 SGB III. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit
aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten.
Ein solcher Anspruch kommt unter den hier gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Kläger hatte bereits aufgrund des
ersten Insolvenzereignisses, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.01.2000, Insg erhalten (Bescheid vom 08.03.2000).
Aus §
183 Abs.
2 SGB III kann auch kein erneuter Anspruch auf Insg mit Rücksicht auf das Vertrauen auf eine in Wahrheit nicht bestehende Insg-Absicherung
wegen vermeintlicher Wiederherstellung der Solvenz hergeleitet werden. Denn §
183 Abs.
2 SGB III soll Vertrauen nur mit Rücksicht auf die Weiterarbeit oder Arbeitsaufnahme in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses gewährleisten
(BSG, Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 16 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9). Der Kläger wusste aber, dass über das Vermögen des Arbeitgebers bereits im Jahre 2000
ein Involvenzverfahren eröffnet worden war. Die rechtsirrige Annahme, dass ein schon zuvor eingetretenes Insolvenzereignis
keine Sperrwirkung für zukünftige Insolvenzereignisse bewirke, wird von §
183 Abs.
2 SGB III nicht erfasst.
B. Der Anspruch des Klägers ergibt sich jedoch aus §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III.
Anspruch auf Insg hat nach §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III ein Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses
noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Insolvenzereignis ist nach §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB III die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers.
Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG vom 01.01.2000 (93 IN 1636/99) hatte der Kläger - wie schon ausgeführt - Insg bereits erhalten. Aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das AG
am 02.02.2004 (401 IN 2632/03) kann der Kläger entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und des SG einen erneuten Anspruch auf Insg herleiten, da die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 01.01.2000 keine Sperrwirkung
entfaltet und deswegen dem Insg-Anspruch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht entgegensteht.
Ein neues Insolvenzereignis tritt nach der Rechtsprechung des BSG sowohl zum Konkursausfallgeld (Kaug) als auch zum Insg nicht
ein und kann folglich auch Ansprüche auf Kaug bzw. Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis
beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie
der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen
Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen
wieder erfüllt (BSG, Urteil vom 11.01.1989 - 10 RAr 7/87 - SozR 4100 § 141b Nr. 43 S. 164; Urteil vom 27.08.1998 - B 10 AL 7/97 R - SozR 3-4100 § 141e Nr. 3 S. 8 f.; Urteil vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3 m.w.N.; Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 11 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9).
Dass sich allein aus der Bestätigung des vom Insolvenzverwalter überwachten Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens
durch das Insolvenzgericht noch nicht die Beseitigung des zunächst eingetretenen Insolvenzfalls mit der Folge der Möglichkeit
des Entstehens neuer Ansprüche gegen die Insg-Versicherung ergibt, hat das BSG bereits mehrfach entschieden (Urteil vom 21.11.2002
- B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 158 ff. = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; ablehnend Heinrich, NZI 2006, 83, 84 f.; zustimmend Hase, AuB 2003, 154; Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 13 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9; ablehnend Grüter, EWiR 2009, 217 f.; zustimmend Braun, SGb 2009, 437 ff.). Es hat ausgeführt, dass die materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzplanes nur die am Insolvenzplanverfahren Beteiligten
(Schuldner, Insolvenzgläubiger, Absonderungsberechtigte) beträfen und dass auch die Beteiligung des Insolvenzgerichts am Insolvenzplanverfahren
keinen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit schaffen könne (Urteil vom 21.11.2002 -
B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 159 f. = SozR 3-4300 §
183 Nr. 3, mit Hinweisen auf §§
231,
254,
255 InsO; Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 13 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9). Das BSG hat in seinem Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 158 ff. = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3) im Hinblick darauf, dass im damals zu beurteilenden Fall der Schuldner bereits beim ersten
Fälligkeitstermin zur Begleichung der nach dem Plan geschuldeten Forderung außer Stande war, offen gelassen, ob nach Einleitung
eines Insolvenzplanverfahrens ein Entfallen der Sperrwirkung des früheren Insolvenzereignisses unter besonderen Umständen
auch bereits vor der Planerfüllung in Betracht kommen kann (Urteil vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 162 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Diese Rechtsprechung hat das BSG in dem Sinne weiterentwickelt, dass von einer Fortdauer
der aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen ist, wenn die
im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauert (Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100,
282, Rn. 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9). Maßgeblich dafür war die Erwägung, dass bei vorgesehener und andauernder Planüberwachung
trotz Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§
258 InsO) der weiter gegebene Zusammenhang mit dem einmal eröffneten Insolvenzverfahren dadurch dokumentiert werde, dass Aufgaben
und Befugnisse des Insolvenzverwalters und gegebenenfalls des Gläubigerausschusses sowie die Aufsicht des Insolvenzgerichts
insoweit fortbestünden. In einer solchen Situation komme die Wiedererlangung der Fähigkeit des Schuldners, seine fälligen
Geldschulden im Allgemeinen erfüllen zu können, nicht in Betracht.
Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt an. Denn wird die Überwachung im
gerichtlich bestätigten Insolvenzplan vorgesehen, ist diese Überwachung die Aufgabe des Insolvenzverwalters (§
261 Abs.
1 Satz 1
InsO). Die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die Aufsicht des Insolvenzgerichts bestehen
insoweit fort (§
261 Abs.
1 Satz 2
InsO). Zu diesem Zweck ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen
anzustellen (§
261 Abs.
1 Satz 3 i. V. m. §
22 Abs.
3 Satz 1
InsO). Der Schuldner hat dem Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten (§
261 Abs.
1 Satz 3 i. V. m. §
22 Abs.
3 Satz 2
InsO). Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung dieser Aufgaben zu unterstützen; zur Durchsetzung
seiner Aufgaben verfügt der Insolvenzverwalter über erhebliche Rechte nach § 261 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 22 Abs. 3 Satz 3
und den §§
97,
98,
101 Abs.
1 Satz 1,
2, Abs.
2 InsO. Dies belegt, dass das Amt des Insolvenzverwalters - wenngleich in modifizierter Form - fortbesteht, und deswegen von einer
Einheit zwischen Insolvenzverfahren und Insolvenzplanverfahren auszugehen ist.
Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze ist gleichwohl hier der Anspruch auf Insg zuzuerkennen,
obwohl der Arbeitgeber als Gemeinschuldner seine Zahlungsfähigkeit tatsächlich nicht wiedererlangt hat (I). Dass der Insg-Anspruch
gleichwohl besteht, ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht (II).
I. Der Arbeitgeber war bei der Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens am 01.01.2000 insolvent und ist dies auch bis zur
Beendigung der Überwachung des Insolvenzplanverfahrens geblieben (1). Er war auch zu keinem Zeitpunkt danach bis zur Eröffnung
des zweiten Insolvenzverfahrens am 02.02.2004 in der Lage, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (2).
1. Die Insolvenz des Arbeitgebers war bis zur Beendigung der Überwachung des dem ersten Insolvenzverfahren nachfolgenden Insolvenzplanverfahrens,
die mit Ablauf des 30.11.2002 eintrat (Beschluss des AG vom 05.12.2002), schon aufgrund der vom BSG im Urteil vom 29.05.2008
(B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9) vertretenen und vom Senat geteilten Rechtsauffassung noch nicht beendet.
2. Der Arbeitgeber war auch zu keinem Zeitpunkt nach der Beendigung des ersten Insolvenzplanverfahrens mit Ablauf des 30.11.2002
bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 02.02.2004 in der Lage, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu
erfüllen.
a) Grund für die erste Insolvenz war der Umstand, dass der Arbeitgeber, nachdem er nur eine Saison (1993/1994) in der 1. Bundesliga
gespielt hatte, ab der Saison 1993/1994 durch seine Rückkehr in die 2. Bundesliga und den nachfolgenden Abstieg in die Regionalliga
ab der Saison 1998/1999 nicht mehr in der Lage war, die sich aus der ambitionierten Fortsetzung des Lizenzfußballbetriebes
ergebenden Kosten zu decken. Denn der Arbeitgeber versuchte unter erheblichen Kosten zunächst erfolglos aus der 2. Bundesliga
wieder in die 1. Bundesliga und später sodann erfolglos aus der Regionalliga (Nordost) wieder in die 2. Bundesliga aufzusteigen.
Mit dem Abstieg aus der 2. Bundesliga entfielen die Einnahmen aus den Fernsehrechten in Höhe von 4.000.000,00 DM und die Lizenzspieler
waren berechtigt, ohne Transferentschädigung zu anderen Vereinen zu wechseln.
Hieraus ergab sich folgende Fehlbetragsentwicklung:
Spielsaison Jahresfehlbetrag 1995/1996 0 1996/1997 1.467.270,95 DM 1997/1998 2.508.117,66 DM 1998/1999 2.957.056,22 DM bis
31.12.1999 3.226.000,00 DM
Der Arbeitgeber versuchte, sich aus dieser dramatischen finanziellen Entwicklung durch den Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga
zu befreien, und hoffte vergeblich auf den Wiederaufstieg in der Saison 1999/2000. Nur im Falle des Wiederaufstiegs hätte
der Arbeitgeber wieder Einnahmen aus den Fernsehrechten in Höhe von geschätzten 4.700.000,00 DM erwarten können. Auch stand
in Aussicht, dass die Deutsche Post AG für den Fall des Wiederaufstiegs als Sponsor mit einer Zuwendung von 5.000.000,00 DM
bereitstehen würde. Infolge der Regionalligareform (Reduzierung der vier Regionalligastaffeln auf die Regionalligastaffeln
Süd und Nord) hatte der neunte Platz des Arbeitgebers in der Spielsaison 1999/2000 für die nachfolgende Spielsaison den Abstieg
in die 4. Liga - Oberliga Nordost Staffel Süd - zur Folge (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/VfB Leipzig; siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Regionalliga
1999/2000). Zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs in der 3. Liga bis zum 30.06.2000 wurde vom Insolvenzverwalter Dr. A ein
mittels Grundschuld gesichertes Massedarlehen über 1.350.000,00 DM bei der DePfa Deutsche Bau- und Boden Bank AG (später Aareal
Bank AG) aufgenommen.
b) Unbeeindruckt von dieser Entwicklung versuchte der Insolvenzverwalter Dr. A gleichwohl mit dem Insolvenzplan eine wirtschaftliche
Gesundung des Arbeitgebers unter Aufrechterhaltung des Lizenzfußballbereichs herbeizuführen. So sollten sich die Haupteinnahmequellen
in der Saison 2000/2001 aus folgenden Rechnungsposten ergeben: Spielbetriebseinnahmen aus Meisterschaftsspielen: 714.000,00
DM Spielbetriebseinnahmen aus dem DFB Pokalspiel: 42.000,00 DM Hauptsponsor: 250.000,00 DM Bandenwerbung: 1.400.000,00 DM
Fernseh-/Hörfunkwerbung: 640.000,00 DM
Der Insolvenzverwalter Dr. A prognostizierte für die Saison 2000/2001 Einzahlungen von 4.297.000,00 DM bei Auszahlungen von
3.919.000,00 DM. Dies sollte einen Mittelzufluss von 387.000,00 DM ergeben. Hinzukommen sollten Einzahlungen aus Spielerabgängen
in Höhe von 300.000,00 DM und Auszahlungen von 18.000,00 DM für Investitionen in das Spielervermögen, mithin ein Mittelzufluss
von 282.000,00 DM. Ausgezahlt werden sollten 391.000,00 DM für die Tilgung von Verbindlichkeiten (91.000,00 DM Zinsen für
den Massekredit und 300.000,00 DM als erster Teilbetrag auf die Insolvenzplanquote von insgesamt 847.561,06 DM). Insgesamt
sollte am Ende der Spielsaison 2000/2001 ein Finanzmittelbestand von 388.000,00 DM vorhanden sein (vorhandene 119.000,00 DM
und hinzugekommene 269.000,00 DM).
Im Falle der Liquidierung des Arbeitgebers würden - so der Insolvenzverwalter Dr. A - die Vermögenswerte nicht einmal ausreichen,
um die Masseschulden und die Massekosten zu decken (§§
54,
55 InsO). Auf die zum 01.01.2000 vorhandenen Forderungen von 16.895.643,53 DM würde hingegen eine Quote von 15 % für Kleingläubiger
und 5 % für die anderen Gläubiger gezahlt. Weiter hat der Insolvenzverwalter Dr. A ausgeführt: "Es ist zu erwarten, das die
[S-GmbH] wegen ihrer Forderung von 8.175.995,56 DM, d. h. wegen der Quote von 406.299,77 DM, keine Erfüllung verlangen wird,
so dass in dieser erheblichen Höhe eine Entlastung bei der Liquidität zu erwarten ist." Vor diesem Hintergrund stimmten die
Gläubiger dem Insolvenzplan zu. Eine gerichtliche Überprüfung, mit der der Beschluss des AG angefochten wurde, blieb vor dem
Landgericht Leipzig und dem Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 21.06.2000) erfolglos.
Die Feststellungen des Insolvenzverwalters St in seinem Gutachten vom 30.01.2004 zeigten jedoch folgende Fehlbetragsentwicklung
auf:
Spielsaison Jahresfehlbetrag 2000/2001 931.543,21 EUR (= 1.821.940,10 DM) 2001/2002 1.107.181,29 EUR (= 2.165.458,38 DM)
Dabei zeigte sich, dass die Lizenzfußballabteilung und die Verwaltung folgende deutlich negative Ertragsentwicklung hatten,
die auch nicht durch andere Bereiche kompensiert werden konnte:
2000/2001 Lizenzabteilung und Handel (nur Ertrag) Verwaltung andere Bereiche Ertrag 794.333,09 EUR 28.787,07 EUR 206.760,99
EUR Aufwand 1.446.493,74 EUR 317.260,84 EUR 197.169,78 EUR Differenz./. 652.160,65 EUR./. 288.473,77 EUR 9.591,21 EUR 2001/2002
Ertrag 876.529,67 EUR 29.824,44 EUR 719.237,67 EUR Aufwand 1.853.982,04 EUR 386.344,01 EUR 492.447,02 EUR Differenz./. 977.452,37
EUR./. 356.519,57 EUR 226.790,65 EUR
Im Zeitpunkt der Beendigung der Überwachung des Insolvenzplanverfahrens hatte der Arbeitgeber bereits wieder nach Eröffnung
des ersten Insolvenzverfahrens (01.01.2000) in den nachfolgenden zwei Spielsaisons einen Fehlbetrag von 1.583.471,77 EUR (=
3.097.001,59 DM) erwirtschaftet, zu dem ein vom Insolvenzverwalter im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens vom 30.01.2004
noch nicht ermittelter weiterer Fehlbetrag aus der anteiligen Spielsaison 2002/2003 hinzukam. Der von der K GmbH Steuerberatungsgesellschaft
zum 30.06.2003 erstellte Jahresabschluss (vom 25.03.2004; dort irrtümlich mit 25.03.2003 angegeben) ergab in der Gewinn- und
Verlustrechnung für die gesamte Spielsaison 2002/2003 einen Fehlbetrag von 762.171,69 EUR (1.490.678,26 DM). Bei einer anteiligen
Berücksichtigung von 5/12 dieses Betrags für die Zeit von Juli bis Ende November 2002 belief sich der Gesamtfehlbetrag aus
der (bilanzierungstechnisch) ab Juli 2000 beginnenden Spielsaison 2000/2001 bis etwa zur Mitte der Spielsaison 2002/2003 auf
insgesamt 1.901.042,95 EUR (= 3.718.116,83 DM).
Der Arbeitgeber hat durch sein weiteres Wirtschaften nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, das nur von dem Prinzip Hoffnung
getragen war, noch während des Insolvenzplanverfahrens Verbindlichkeiten angehäuft, die im Kern darauf hinausliefen, durch
eine fortgesetzte erhebliche Neuverschuldung über den Aufstieg in die Regionalliga doch noch zur wirtschaftlichen Konsolidierung
zu kommen. Sehr anschaulich wird diese Handlungsmaxime im Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Arbeitgebers,
Prof. Dr. K (damals K GmbH Steuerberatungsgesellschaft), vorgestellt in der Mitgliederversammlung des Arbeitgebers am 26.03.2004,
skizziert (zitiert nach dem darüber erstellten Wortprotokoll, Seite 13 f. [Blatt 71 f. LSG-Akte], mit geringfügigen orthografischen
Korrekturen): "Die übernommenen Altverbindlichkeiten zum 30.6.2000 betrugen 2.095.000 EUR Die Zahl die eben im Raum stand
ist die Insolvenzquote von 372.000 EUR. Im Laufe des Insolvenzverfahrens sind weiter 1,7 Millionen EUR Verbindlichkeiten entstanden.
Der Insolvenzverwalter Herr Dr. A zum damaligen Zeitpunkt hat versucht im Laufe des Insolvenzverfahrens den Verein in die
eingleisige Regionalliga zu führen. Er hat eine sportliche Ambition verfolgt. Die Kosten dieser sportlichen Ambition sind
2 Millionen EUR Schulden. Und hätte ich sie gesehen im Januar und wahrgenommen, hätte ich dieses Amt nicht übernommen oder
entschieden, wir müssen wieder einen Insolvenzantrag stellen Zusätzlich kam ein weiteres positives Ereignis hinzu, nämlich
es gab einen Vertrag vom 28. September 2000, dieser Vertrag ist nicht ausgehandelt worden vom Aufsichtsrat, vom Vorsand, sondern
im Wesentlichen von Herrn Dr. A eingeleitet mit der K -Gruppe. Dieser Vertrag sah vor ein sogenanntes Vermarktungskonzept,
ein Sportrechtekonzept, wie es üblich ist in der Branche, das im Prinzip dafür gesorgt hat, wir werden auch die Altverbindlichkeiten
wieder abtragen können. Denn das erklärte Ziel war und ist der VfB soll in den bezahlten Fußball wieder zurückkehren. Dieser
Optionsvertrag sieht vor, dass 74,5 % einer gegründeten Vermarktungsgesellschaft, eine Vermarktungs-GmbH, die 100% Tochter
des Vereins ist, und sich auch in Liquidation befindet, darauf gibt es eine Option - DFB-Status. Dafür zahlt die K -Gruppe
pro Jahr 127.000 EUR netto. Zusätzlich wurde ein Darlehnsvertrag gemacht, wo bis zu 383.000 EUR pro Saison gezahlt werden,
ggf. auch mehr. Die Idee war folgende, die einem jeden Sportrechtevertrag unterliegt, die K -Gruppe zahlt uns pro Jahr eine
Optionsgebühr für diese Vermarktungsgesellschaft - Geld was wir nicht zurückzahlen müssen. Zusätzlich wird ein Darlehn gegeben.
Dieses Darlehn dient der Unterdeckung des Budgets. Jetzt fragt man sich, wie kann man so einen Vertrag abschließen? Jedes
Jahr erhöht sich die Verschuldung, wie werden die Schulden jemals getilgt. Die Idee dieses Vertrags war, und das ist absolut
üblich, das ist Standard, dass man hier diese ganzen Zahlungsströme, die man bekommen hat, aufrechnet gegen eine Kaufpreiszahlung.
Die hier vereinbart worden war mit 1,7 Mio. EUR. ohne Aufstieg und 3,5 Mio. EUR bei Aufstieg in die 2. Liga. D.h. haben wir
einen Erfolgsfall, geht die ganze Sache auf. Wir als Aufsichtsrat und das Präsidium selbstverständlich haben an den Erfolgsfall
geglaubt. Wir sind davon ausgegangen, wir haben es sozusagen geschafft, wir haben jetzt einen Sportrechtevermarkter. So jetzt
sagen Sie die Bonität von Herrn K, die ist doch recht fraglich. zu dem Zeitpunkt war die Kinowelt an der Börse, Hr. K Milliardär.
Die Sportwelt hat 20 Vereine unter Vertrag gehabt. was passiert, wenn wir keinen Erfolg haben. Dafür haben wir Risikovorsorge
getroffen. Denn in dem Vertrag steht drin, für den Fall dass wir es nicht schaffen, kann das Darlehn wenn s gekündigt wird,
maximal mit 50.000 EUR zurückgezahlt werden pro Jahr. D.h. eine ganz lange Tilgung, ohne Zinsen, ganz lang gestreckt, weil
keiner an den Misserfolg geglaubt hat. Dafür waren wir abgesichert, das halte ich für ausreichend. Wo wir nicht abgesichert
waren, und das ist eingetreten, dass die Bonität des Herrn K sich ändert. Nur noch mal, zu dem Zeitpunkt des 28.09.2000 hatte
der Insolvenzverwalter uns 2 Mio. hinterlassen an Schulden und er hat uns auch ne Mannschaft hinterlassen, und Sie haben gejubelt,
dass es diese Mannschaft dieses Jahr schafft aufzusteigen. Die Alternative, diesen Vertrag nicht abzuschließen, hätte bedeutet
Insolvenzantrag zu stellen. Wir haben im ersten Jahr - und da geht s los - schon wieder 931.000 EUR Verlust gemacht. Nur wenn
sie jetzt noch mal zurückblättern, wo kommt der Verlust her, wo ist er finanziert. Der Verlust ist finanziert durch eine Darlehnsaufnahme
von Herrn K und Herrn B [Anm. des Senats: der damalige Präsident des Arbeitgebers], den ich in dieser Ebene einfach gleich
setze, weil er permanent ähnlich wie Herr K, bloß ohne vertragliche Regelung, Geld in den Verein getan hat. D.h. wir haben
aufgrund dieser Darlehnsystematik und der Optionsgebühr ca. 800.000 EUR Darlehn aufgenommen ... Was wir als Darlehn nehmen,
produzieren wir als Aufwand, denn der Idealfall war, wir legen dem Herrn K ein Budget vor und der Herr K segnet das Budget
ab und sagt jawohl ihr macht eigentlich einen Verlust von 900.000 EUR, dafür gebe ich euch ein entsprechendes Darlehn und
später im Erfolgsfall verrechnet sich das Ganze. Das war die Systematik. Dementsprechend hat er auch einen Rangrücktritt erklärt
für dieses Darlehn, dementsprechend waren wir auch nicht überschuldet ... Das erste Geschäftsjahr ist so stabil verlaufen,
dass wir genau den Verlust erzielt haben, der von K vom Darlehn aufgenommen wurde. natürlich haben wir im Jahr 2001/2002 immer
wieder die gleiche Thematik. Wir haben versucht aufzusteigen, wir haben es nicht geschafft. Wir haben dann im April versucht
über die DKB mit einem weiteren Darlehn den Etat zu schließen mit dem Versuch wieder nach dieser Saison wieder endlich sozusagen
eine ordentliche Vermögensplanung zu haben. Und sind dann jetzt in die aktuelle Saison gekommen. wir haben optimistisch geplant
und wir haben im Ergebnis zu optimistisch geplant.
Im Jahr 2003 war wieder abzusehen, dass die Budgetplanung nicht vollständig eingehalten werden konnte. Es ist nicht so, dass
nur mit überteuerten Spielern das Budget überschritten worden ist. Es ist z. B. einfach der Zinsaufwand nicht richtig geplant
gewesen. Es ist dann am 30.4. zu einer Kündigung der Spieler gekommen."
Seit 1998 versuchte der Unternehmer K über die Sportwelt Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: S-B-GmbH) Rundfunkübertragungsrechte
im Fußballbereich zu vermarkten. Die S-B-GmbH engagierte sich mit großem finanziellen Aufwand bei tief gesunkenen Traditionsvereinen,
um gemeinschaftlich von einer etwaigen Rückkehr des Erfolges profitieren zu können (http://de.wikipedia.org/wiki/Michael K%C3%B6lmel).
Die S-B-GmbH schloss am 28.09.2000 (Urkunden-Nummer 649 der Notarin St, F a. M) mit der im Jahre 2000 gegründeten VfB L Vermarktungsgesellschaft
mbH (im Folgenden: V-GmbH), einer 100 %-igen Tochter des Arbeitgebers, auf die dieser seine sämtlichen audiovisuellen Vermarktungs-
und Verwertungsrechte übertragen hatte, einen Optionsvertrag. Die Einräumung des Rechts, 74,5 % der Anteile an der V-GmbH
zu erwerben, wurde mit 128.000,00 EUR jährlich vergütet. Der Kaufpreis betrug unter Anrechnung der Optionsvergütung 1.790.000,00
EUR. Zugleich wurde am selben Tag zwischen dem Arbeitgeber und der S-B-GmbH ein Darlehensvertrag vereinbart, wonach die S-B-GmbH
dem Arbeitgeber ausschließlich zum Ausgleich einer Unterdeckung im Bereich des professionellen Fußballspielbetriebes ein Darlehen
von bis zu 383.468,91 EUR (750.000,00 DM) pro Saison zur Verfügung stellen sollte. Die Auszahlung der jeweiligen Jahres-Darlehensbeträge
war an die Bedingung der jährlichen Vorlage eines mit dem Darlehensgeber abgestimmten Budgets für den Spielbetrieb geknüpft.
Das Darlehen wurde innerhalb der Saison in Raten auf Anforderung des Arbeitgebers nur nach vorheriger Vorlage und im Rahmen
eines monatlichen Liquiditätsplanes ausgezahlt. Die S-B-GmbH hat später das Optionsrecht auf die MK Sportmediengesellschaft
mbH übertragen. Die Zahlungen aus den vorgenannten Verträgen bildeten das finanzielle Rückgrat des Arbeitgebers (ungeachtet
der Zuwendungen sonstiger Sponsoren, z. B. Darlehen des damaligen Präsidenten des Arbeitgebers von 286.908,19 EUR, Darlehen
des Unternehmers B von 197.324,77 EUR und der Aufnahme eines Darlehens bei der Deutschen Kreditbank AG von 750.821,56 EUR
[Angaben nach dem Jahresabschluss zum 30.06.2003]). Wirtschaftliches Ziel war es aus der Sicht der K -Gruppe, der ersten Herrenmannschaft
des Arbeitgebers den Aufstieg in die 3. Liga zu ermöglichen, um sodann die Heimspiele der ersten Herrenmannschaft im Zentralstadion
in L, an dem die K -Gruppe über die EMKA Immobilien-Beteiligungs-GmbH beteiligt war (http://de.wikipedia.org/wiki/Michael
K% C3%B61mel), nach Maßgabe eines noch abzuschließenden Mietvertrags auszutragen. Im Ergebnis handelt es sich damit bei wesentlichen
Teilen der Finanzierung des Arbeitgebers letztlich um eine mehrere Jahre laufende riskante Wette auf den zukünftigen sportlichen
Erfolg im Lizenzfußballbereich, die sowohl der Arbeitgeber als auch die K -Gruppe verloren haben.
c) Dem steht zwar gegenüber, dass die fälligen Forderungen aus dem Insolvenzplan im Wesentlichen erfüllt wurden, der in seinem
gestaltenden Teil vorsah:
Gläubiger berücksichtigte Forderungen Planquote zu erbringende Zahlungen Kleingläubiger (einschließlich Lieferanten) mit Forderungen
bis 2.000,00 DM je Gläubiger 26.338,78 DM 15 % 3.950,82 DM Lieferanten 1.306.820,73 DM 5 % 65.341,04 DM öffentliche Gläubiger
2.816.230,22 DM 5 % 140.811,51 DM Darlehensforderungs-Gläubiger 250.000,00 DM 5 % 12.500,00 DM sonstige Gläubiger davon S-GmbH
davon Spieler M M 12.496.253,80 DM 5 % 624.812,69 DM 8.175.995,56 DM 408.799,78 DM 87.655,82 DM 4.382,79 DM Gesamtsumme 16.895.643,53
DM 847.416,06 DM
Daraus folgt aber nicht, dass der Arbeitgeber seine Zahlungsfähigkeit während des Insolvenzplanverfahrens ausnahmsweise schon
wiedererlangt hat. Dies gilt selbst dann hier nicht, wenn man die vom BSG im Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 162 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3) angedeutete Möglichkeit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit im Insolvenzplanverfahren
als eröffnet ansehen und (entgegen BSG, Urteil vom 29.05.2008 - B 11 a AL 57/06 R - BSGE 100, 282, Rn. 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 9) eine Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit vor Beendigung des - wie hier - überwachten
Insolvenzplanverfahrens nicht völlig ausschließen würde.
Die S-GmbH wandelte ihre durch den Insolvenzplan festgestellte Forderung von 408.799,78 DM, also knapp die Hälfte der vom
Arbeitgeber zu erbringenden Quote, im Einverständnis mit dem Arbeitgeber in ein Darlehen um. Die Quote auf die Forderung des
Gläubigers M war ausweislich des Schreibens des Insolvenzverwalters Dr. A vom 09.12.2002 an das AG (entgegen seiner Mitteilung
vom 18.10.2002 an das AG) noch nicht erfüllt. Deren weiteres Schicksal ist unklar. Der Arbeitgeber hat jedoch die noch aus
dem Insolvenzplan gegenüber der S-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten zu keinem Zeitpunkt erfüllt. In dem schon erwähnten Jahresabschluss
zum 30.06.2003 ist unter "Sonstige Verbindlichkeiten" weiterhin das Darlehen mit zwischenzeitlich 232.616,38 EUR (454.958,09
DM) als offener Posten ausgewiesen. Da die S-GmbH auf die C.A.M.P. TV Fernsehgesellschaft mbH (im Folgenden: C-GmbH) verschmolzen
worden war (Bayerische Landeszentrale für neue Medien, 28. Sitzung des Medienrats am 26.05.2009, Seite 16: http://www.blm.de/files/pdf1/Bericht
der Geschftsleitung 1.pdf) - Gesellschafter und Programmleiter der C-GmbH war R B, der 1998/1999 Präsident des Arbeitgebers
war (http://de.wikipedia.org/wiki/Ralph Burkei) -, wurde die aus dem Insolvenzplan stammende Forderung in der Tabelle nach
§
38 InsO vom Insolvenzverwalter St (Stand 22.10.2008) als Darlehen der C-GmbH mit nunmehr 258.126,56 EUR (504.851,67 DM) ausgewiesen.
Aus alledem folgt, dass der Arbeitgeber bis zur Beendigung des Insolvenzplanverfahrens nicht nur nicht in der Lage war, etwa
knapp die Hälfte der noch aus dem Insolvenzplan bestehenden Verbindlichkeiten zu erfüllen (Forderung der S-GmbH), sondern
sich derart weiter verschuldet hat, dass auch nicht einmal an eine ansatzweise Tilgung der im Verlauf des Insolvenzverfahrens
und des Insolvenzplanverfahrens aufgenommenen Darlehen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu denken war.
Bei einer derartigen Situation kommt es für die Frage der Beendigung der Insolvenz schon während des Insolvenzplanverfahrens
nicht darauf an, ob aufgelaufene fällige Forderungen durch nachfolgende vertragliche Abreden, hier durch die Umwandlung der
Forderungen in ein Darlehen wirtschaftlich betrachtet gestundet werden, wenn die gesamte Finanzplanung defizitär bleibt und
die Fähigkeit, aus eigener Kraft am Markt bestehen zu können, nicht vorhanden ist. Dadurch, dass die Forderungen der S-GmbH
aus dem Insolvenzplan in ein Darlehen umgewandelt wurden, wurde die ohnehin angespannte Liquiditätssituation des Arbeitgebers
zwar nicht zusätzlich belastet. Gleichwohl handelt es sich bei der Forderung der S-GmbH um eine wesentliche Forderung, deren
Erfüllung dem Arbeitgeber auf Dauer nicht möglich war, wenn er den dringendsten anderen Verpflichtungen nachkommen wollte,
um die vornehmlich darlehensfinanzierte Unterdeckung des jährlichen Spielbudgets auszugleichen. Die Zuwendungen der K -Gruppe
durften ohnehin nicht eingesetzt werden, um Altverbindlichkeiten abzutragen. Aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters St
geht hervor, dass der Arbeitgeber nicht einmal unter Berücksichtigung der Zahlungen der K -Gruppe in der Lage war, einen ausgeglichenen
Haushalt zu gewährleisten, sondern aufgrund eines völlig ineffizienten bzw. nicht vorhandenen Managements und fehlender Wirtschaftlichkeitsprüfungen
beständig zusätzlich Verluste aufbaute. Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers schon während des Insolvenzplanverfahrens
wäre daher allenfalls dann anzunehmen gewesen, wenn es dem Arbeitgeber in dieser Zeit gelungen wäre, wieder in die 3. oder
gar die 2. Liga aufzusteigen und dadurch werthaltige audiovisuelle Vermarktungs- und Verwertungsrechte zu erlangen, die dafür
hätten verwendet werden können, Verbindlichkeiten zu tilgen und den Spielbetrieb nicht mehr über ungedeckte Darlehen zu finanzieren,
um so den beständigen Schuldenaufbau zu beenden.
Insoweit kommt es aufgrund der dramatischen finanziellen Entwicklung des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzplanverfahrens
zum 30.11.2002 nicht darauf an, ob der der S-GmbH bzw. der C-GmbH zustehende Anspruch aus dem Insolvenzplanverfahren weiterhin
nicht fällig war.
d) Nach der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens verschlechterte sich aufgrund der zuvor ausführlich geschilderten fortwirkenden
Rahmenbedingungen die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers beständig und spitzte sich krisenhaft zu, als die K -Gruppe ab
Juli 2003 ihre Zahlungen einstellte. Die bis dahin noch geleisteten Zahlungen der K -Gruppe reichten schon nicht mehr aus,
um die Unterdeckung des Spielbudgets auszugleichen. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Insolvenzverwalters St anlässlich
der Mitgliederversammlung des Arbeitgebers am 26.03.2004. So waren schon im Dezember 2002 Vereinskonten gepfändet worden.
Das Hauptzollamt hatte für verschiedene Sozialversicherungsträger Pfändungen vorgenommen (im Mai 2003 sollten schon 180.000,00
EUR vollstreckt werden). Auch das Finanzamt führte Pfändungen wegen rund 146.000,00 EUR durch. Am 06.02.2003 war auf Betreiben
der Spieler M und D aufgrund vollstreckbarer Ausfertigungen von Zahlungstiteln ein Termin zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung anberaumt worden. Am 05.02.2003 war der anberaumte Termin dadurch abgewendet worden, dass ein (angeblicher) Erstattungsanspruch
gegen den Insolvenzverwalter Dr. A abgetreten und eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen wurde, die ihrerseits nicht
eingehalten wurde. Im April 2003 mussten die Arbeitsverträge der Vertragsamateure gekündigt werden, so auch der des Klägers,
weil die Arbeitsentgelte nicht mehr gezahlt werden konnten.
In derselben Mitgliederversammlung des Arbeitgebers vom 26.03.2004 führte der Schatzmeister M aus (zitiert nach dem darüber
erstellten Wortprotokoll, Seite 22 f. [Blatt 75 f. LSG-Akte], mit geringfügigen orthografischen Korrekturen): "Als ich hier
diese Funktion übernommen habe, hatte der Verein, obwohl er angeblich durch diese Kreditaufnahme der DKB entschuldet war,
kurzfristige Verbindlichkeiten von 500.000 EUR und, um dass mal gleich vorweg zu sagen, dass die Stadt uns nicht unterstützt
sondern nur schwätzt, das hat sich schon am ersten Tage erwiesen, an dem ich das übernommen habe. Weil alle Zusagen, die auf
der Sitzung im Kristallpalast, als die DKB-Geschichte gemacht wurde, von Seiten der Stadt oder von Seiten von K oder von Seiten
von anderen in dieser Richtung gemacht worden sind, sind sämtlich nicht eingehalten worden. Weil, sonst hätten wir von diesen
500.000 EUR, die ich dann ganz mühsam versucht habe, in kleinen Verhandlungen mit Stadtwerken, mit Wasserwerken, mit diesem
und mit jenem, Wenn diese Zusagen, die von Herrn T und anderen in dieser Sitzung gegeben wurden, u.a. auch von Kaminski und
von den anderen eingehalten worden wären, dann wären von diesen 500.000 EUR allerhöchstens 50 oder 100 übriggeblieben. Und
dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, überhaupt dort was Vernünftiges zu machen. Wir konnten zwar nicht anders handeln,
aber wir haben trotzdem auch Schuld. Ich weiß, dass ich falsch gehandelt habe. Ich wusste es seit Dezember letzten Jahres
[Anmerkung des Senats: gemeint ist das Jahr 2002]. Ich wusste im Dezember letzten Jahres, dass wir das nicht mehr packen können.
Und wir haben uns von einer Geschichte zur anderen gehangelt und dann kamen diese Änderungskündigungen [Anmerkung des Senats:
April 2003] und ich habe gedacht, na ja vielleicht mit sehr viel Glück und Wegverhandeln und sonst was können wir das Ganze
noch mal schaffen. Aber 3 Tage, 5 Tage später hatten wir schon wieder einen Haushalt, wo die Spielergehälter schon im Haushalt
auf 900.000 EUR sich entwickelt hatten. Und es war völlig klar, dass da überhaupt nichts ging. Und es war auch völlig klar,
das wir uns auf K nicht verlassen konnten, dass wir Luftbuchungen über 100-Tausende von Einnahmen aus Freundschaftsspielen
mit irgendwelchen Bundesligisten und, dass das alles nicht kommen würde. Trotzdem haben wir versucht, uns weiterzuhangeln.
Und, ich sag das jetzt so offen, ich habe in der Presse damals nie was dazu gesagt, weil jede Äußerung dazu geführt hätte,
dass wir sofort platt gewesen wären. Im Juli oder August hat das Arbeitsamt schon mal einen Insolvenzantrag gestellt. Das
ist dadurch verhindert worden, dass wir ein Darlehn von 100.000 EUR aufgenommen haben, für das eine Reihe von Präsidiums-
und Aufsichtsratsmitgliedern und einige andere privat gebürgt haben. Damit konnten wir innerhalb von einem Tag das bezahlen,
deswegen ist das nicht in die Presse und nicht in die Öffentlichkeit gegangen. Aber es war völlig klar, es war nur eine Frage
von Wochen oder so, dann kommt diese Krankenkasse, dann kommt jener usw. Gut, ich habe mich nicht getraut die Konsequenzen
zu ziehen, weil ich, obwohl ich jeden Tag gesagt habe, wir müssen Insolvenz anmelden, damit wir wenigsten noch irgendwelche
Masse haben, um daraus was Neues zu entwickeln, die Verantwortung nicht übernehmen wollte, wirklich für diesen zweiten Untergang
des VfB, noch dazu sozusagen alleine, und gesagt habe, vielleicht schaffen wir es, lasst uns versuchen, lasst uns dieses,
lasst uns jenes machen. Und ich habe mich da von Woche zu Woche selber breitgeschlagen. Ich bin dann also, wie die Presse
richtig sagt, wahrscheinlich ein Ja-Sager, aber eben weil ich diese Verantwortung auf der anderen Seite auch nicht übernehmen
wollte. Dann kam die Situation, dass wir mit diesen Schweizer Investoren verhandelt haben. Und da sage ich euch, dass war
völliger Quatsch. Das war vom ersten Tag an völliger Quatsch. Das waren Angebote, wie diese Nigerianer, denen man 500.000
überweisen muss, um 5 Mio. zu kriegen. Weil der dann nur so aus Nigeria rauskommt. Aber auch da, versetzt euch mal in die
Situation und da war ich nicht mehr der einzige, der das so gesehen hat, versetzt euch mal in unsere Situation, wenn wir in
dem Augenblick Insolvenz angemeldet hätten, wo B immer wieder gesagt hat, ja da kommen 8 Mio. da kommen 10 Mio. Also haben
wir es weiter vor uns hingeschoben, bis zum 3. Dezember. Bis zu einem Zeitpunkt, wo wirklich absolut überhaupt nichts, wir
hatten seit über 2 Monaten keine Zahlungen mehr gemacht, es war überhaupt keine Möglichkeit mehr irgendwas zu machen, und
es wäre auch verantwortungslos gegenüber den Spielern gewesen."
Der erneute Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren hätte schon viel früher, ja sogar schon im Dezember 2002 gestellt
werden müssen, weil die Überschuldung des Arbeitgebers im Sinne des §
19 Abs.
2 InsO in der bis 17.10.2008 geltenden Fassung schon damals vorgelegen hat. Nach §
19 Abs.
2 InsO liegt Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der
Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den
Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. In seinem Gutachten vom 30.01.2004 kam der Insolvenzverwalter St zu dem Ergebnis,
dass Verbindlichkeiten in Höhe von 3.835.324,57 EUR (nach Abzug der valutierten Sicherungsrechte der absonderungsberechtigten
Gläubiger) nur eine freie Masse von 128.715,37 EUR (nach Liquidationswerten) gegenüberstand. Diese Relation war angesichts
der Entwicklung der Fehlbeträge je Spielsaison seit dem Jahr 2000 auch Ende 2002/Anfang 2003 nicht wesentlich anders. Ende
2002 war auch erkennbar, dass das seit 2000 verfolgte Konzept, durch die Eingehung großer Verbindlichkeiten zum Zwecke des
Liga-Aufstiegs profitabel werden zu können, nicht aufgegangen war. Aus dem Gesetzeswortlaut des §
19 Abs.
2 Satz 2
InsO folgt jedoch zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner
Organe als auch die objektive - grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan)
herzuleitende - Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraussetzt (Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 09.10.2006 - II ZR 303/05 - juris Rn. 3). Die zur Feststellung der Überschuldung erforderliche Fortführungsprognose ist aber negativ, wenn sich die
überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass das Unternehmen mittelfristig, d.h. in einem betriebswirtschaftlich überschaubaren
Zeitraum, keine Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden
können (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11.02.2010 - 5 U 60/09 - juris Rn. 54). Davon ist im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der oben dargestellten wirtschaftlichen Entwicklung
des Arbeitgebers schon Ende 2002 unschwer auszugehen. Unter Berücksichtigung der Maßstäbe des BGH (vgl. nur Beschluss vom
13.06.2006 - IX ZB 238/05 - juris Rn. 6) dürfte damals zudem auch schon Zahlungsunfähigkeit vorgelegen haben.
II. Gleichwohl ist die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 02.02.2004 ein hinreichendes Insolvenzereignis, um einen
erneuten Anspruch auf Insg begründen zu können.
Endet - wie hier - die Überwachung des Insolvenzplanverfahrens vor dem Beginn des Insg-Zeitraums, ist §
183 Abs.
1 Satz 1
SGB III unter Beachtung der RL 80/987/EWG in der hier maßgeblichen Fassung der RL 2002/74/EG (Abl. L 270, 10) richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass auch
ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreicht, einen Anspruch auf Insg auszulösen,
wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden Insolvenzverfahren zu einem
Gesamtverfahren zusammengefasst sind.
1. Das BSG hat sich zu diesem hier vorliegenden Sachverhalt noch keine abschließende Meinung gebildet.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 21.11.2002 (B 11 AL 35/02 R - BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 §
183 Nr.
3) ausgeführt, der Auslegung des §
183 Abs.
1 SGB III stünden auch nicht die Mindestanforderungen der Richtlinie des Rates vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (RL 80/987/EWG, Abl. L 283, 23) entgegen. Allerdings entspreche es dem in Art. 2 Abs. 1 EWGRL 80/987 definierten Begriff der Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitgebers, dass u. a. an die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates
vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger angeknüpft
werde. Das BSG (aaO.) hat den Erwägungen zur Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002
zur Änderung der RL 80/987/EWG (Abl. L 270, 10) entnommen, dass die Vorschriften der Richtlinie der aktuellen Rechtsentwicklung im Insolvenzrecht nicht
entgegenstehen sollten, und auf Nr. 5 der Erwägungen in der RL 2002/74/EG hingewiesen, wonach die Mitgliedstaaten zur Bestimmung
der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung vorsehen könnten, "dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren
Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln".
Diesem Ziel entsprechend beschreibe Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG in seiner aktuellen Fassung das für die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers maßgebende Insolvenzverfahren nunmehr als "Gesamtverfahren",
das die Insolvenz des Arbeitgebers sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübe,
zur Folge habe. Die durch die Neufassung bewirkte Öffnung des Begriffs Zahlungsunfähigkeit belege, dass unbeschadet der durch
die Richtlinie festgelegten Mindestanforderungen von einem einheitlichen Insolvenzereignis jedenfalls dann ausgegangen werden
könne, wenn ein Insolvenzplan aufgestellt und genehmigt werde und die Aufhebung des Insolvenzplanes mit der gleichzeitigen
Anordnung der Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§
260 ff.
InsO angeordnet werde. Wenn während des Zeitraums der Planüberwachung ein neuer Insolvenzantrag gestellt werde, werde damit die
auch im Zeitpunkt der Einstellung des vorherigen Insolvenzverfahrens noch anzunehmende Zahlungsunfähigkeit nur erneut offenkundig.
Ob sich an der Beurteilung des Verfahrens als Gesamtverfahren im Sinne der Richtlinie etwas ändere, wenn nach Genehmigung
eines Insolvenzplanes und Einstellung des Insolvenzverfahrens keine Planüberwachung angeordnet ist oder diese später wieder
aufgehoben wird, hat das BSG ausdrücklich offen gelassen.
2. Aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der RL 80/987/EWG in der Fassung der RL 2002/74/EG ergibt sich, dass jedenfalls ab deren Inkrafttreten auch für die Auslegung des
SGB III und damit für den hier streitigen Insg-Zeitraum (a) zwingend die dort genannten, formell definierten Insolvenzereignisse
anspruchsbegründend sind (b), sofern nicht ein Fall der nach Art. 10 RL 80/987/EWG zulässigen Missbrauchabwehr vorliegt (c) oder der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, mehrere
formell selbständige Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenzufassen (d).
a) Die RL 80/987/EWG ist hier für die Auslegung des nationalen Rechts in der maßgeblichen Fassung der RL 2002/74/EG anzuwenden. Art. 3 RL 2002/74/EG
bestimmt, dass die RL am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, mithin am 08.10.2002, in
Kraft tritt. Der Umstand, dass die Mitgliedstaaten spätestens bis zum 08.10.2005 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften,
die erforderlich sind, um die RL umzusetzen, zu erlassen haben, steht einer sofortigen Anwendung nicht im Wege, weil die nachfolgend
genannten Vorschriften bereits zuvor im
SGB III und im Arbeitsförderungsgesetz inhaltlich umgesetzt waren. In der
InsO ist im Übrigen der Fall nicht vorgesehen, dass an die Stelle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sogleich das Insolvenzplanverfahren
tritt. Insofern war es nicht nötig, weitere Insolvenzereignisse in §
183 SGB III aufzunehmen. Zudem war hier zuerst das Insolvenzverfahren, dem sich ein Insolvenzplanverfahren und dann ein weiteres Insolvenzverfahren
anschloss.
b) Nach Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats
vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen
Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion
ausübt, zur Folge hat, und wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde a) die Eröffnung
des Verfahrens beschlossen hat oder b) festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig
stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Nach Art.
3 Satz 2 RL 80/987/EWG sind die Ansprüche, deren Befriedigung die Garantieeinrichtung übernimmt, die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt
für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt. Art.
4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RL 80/987/EWG erlaubt den Mitgliedstaaten die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen der Dauer nach zu begrenzen. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 RL 80/987/EWG darf die Dauer einen Zeitraum, der die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und die damit verbundenen Ansprüche auf
Arbeitsentgelt umfasst und der vor und/oder nach dem Zeitpunkt gemäß Art. 3 liegt, nicht unterschreiten.
aa) Zum Hintergrund der in Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG neu geschaffenen Regelungen wird im Kommissionsvorschlag vom 15.01.2001 zur Änderung der RL 80/987/EWG ausgeführt (KOM [2000] 832 - 2001/0008 [COD]): "4. ERÖRTERUNG DER PROBLEME UND LÖSUNGSVORSCHLÄGE 4.1. Geltungsbereich und
Begriffsbestimmungen: Notwendigkeit einer Anpassung an die gewandelten Verhältnisse 4.1.1. Begriff der Zahlungsunfähigkeit.
Dieser Begriff sollte weiter gefasst und gleichzeitig stärker in Einklang mit anderen Gemeinschaftsrichtlinien gebracht werden.
Erweiterung des Begriffes
Die Richtlinie 80/987/EWG gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne der in der
Richtlinie verwendeten Definition geworden sind.
Artikel 2 der Richtlinie in der zur Zeit geltenden Fassung definiert die Zahlungsunfähigkeit durch Bezugnahme auf die nach
den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers
zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger.
In seinem Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-479/937 hat der Gerichtshof diesen Begriff wörtlich ausgelegt und
entschieden, dass die Richtlinie für alle Arbeitnehmer gilt, deren Arbeitgeber nach dem für sie geltenden nationalen Recht
einem Verfahren zur Liquidation ihres Vermögens unterliegen können.
Nach Auffassung der Kommission ist angesichts dieser engen Auslegung eine Anpassung des gemeinschaftsrechtlichen Zahlungsunfähigkeitsbegriffs
erforderlich, die zum einen dem sozialen Zweck der Richtlinie sowie den jüngsten Entwicklungen des Insolvenzrechts in den
Mitgliedstaaten Rechnung trägt und die zum anderen für eine stärkere Kohärenz mit anderen Gemeinschaftsrichtlinien sorgt.
Der wesentliche soziale Zweck der Richtlinie besteht darin, im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die nicht erfüllten
Lohn- und Gehaltsansprüche von Arbeitnehmern zu schützen; dieses Ziel würde verfehlt, wenn es zulässig wäre, von diesem Schutzbereich
die nicht erfüllten Ansprüche von Arbeitnehmern auszunehmen, deren zahlungsunfähige Arbeitgeber keinem Verfahren zur gemeinschaftlichen
Befriedigung ihrer Gläubiger (Liquidationsverfahren) unterzogen werden können oder die den verschiedensten sonstigen, immer
häufiger anzutreffenden Insolvenzverfahren unterliegen, die aber keine Liquidationsverfahren sind (Vergleichsverfahren, Betriebssanierungsverfahren,
Zahlungseinstellung oder ähnliche Verfahren, deren Zweck es ist, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern).
Wenngleich in den nationalen Umsetzungsvorschriften ein weiterer als der in der Richtlinie 80/987/EWG verwendete Zahlungsunfähigkeitsbegriff
für den Eintritt des Garantiefalls zugrunde gelegt wird, sollte doch auch im Gemeinschaftsrecht eine Definition verankert
werden, die dem sozialen Zweck der Richtlinie und der Entwicklung des Insolvenzrechts stärker entspricht.
Abstimmung auf andere Richtlinien Die Frage der Entwicklung des Insolvenzrechts und ihrer Auswirkungen auf das Arbeitsrecht
wurde bereits im Zuge der Überarbeitung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen
der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (im folgenden: "Richtlinie Unternehmensübergang")
angegangen.
Mit der Richtlinie 98/50/EG hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in die Richtlinie Unternehmensübergang weniger starre Regelungen
zugunsten der Unternehmen aufgenommen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Nach der geänderten Fassung
der Richtlinie ist es den Mitgliedstaaten nach wie vor freigestellt, ob sie die Artikel 3 und 4 der Richtlinie (Wahrung der
Ansprüche der Arbeitnehmer) auf Unternehmensübergänge im Rahmen von Liquidations-Verfahren anwenden wollen. Gleichzeitig wurde
eine neue, flexiblere Regelung eingeführt, die alle Unternehmen begünstigt, die sich in einem Insolvenzverfahren (sei es nun
ein Liquidations- oder ein sonstiges Verfahren) befinden: Die Mitgliedstaaten können insbesondere vorsehen, dass die vor dem
Übergang fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen insbesondere dann
nicht auf den Erwerber übergehen, wenn das Zahlungsunfähigkeitsverfahren den Arbeitnehmern nach dem Recht des betreffenden
Mitgliedstaats einen Schutz gewährt, der dem von der Richtlinie 80/987/EWG vorgesehenen Schutz zumindest gleichwertig ist.
Im Interesse der Kohärenz sollte die gemeinschaftsrechtliche Definition des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit dieser neuen
Sachlage angepasst werden. Es ist nämlich dafür zu sorgen, dass die zugunsten der Unternehmen, deren Unternehmenseinheit übergeht,
eingeführte flexible Regelung durch den von der Richtlinie 80/987/EWG gewährleisteten Mindestschutz für die Arbeitnehmer ergänzt
wird.
Die Kommission schlägt vor, die neue Definition des Zahlungsunfähigkeitsbegriffs aus Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG)
Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren zu übernehmen. Diese Begriffsbestimmung erfasst Konkursverfahren (Liquidation)
und sonstige kollektive Insolvenzverfahren."
In Nr. 5 der Erwägungen der RL 2002/74/EG, die erstmals im Entwurf des "Gemeinsamen Standpunktes" des Rates (EG) Nr. 30/2002
vom 18.02.2002 (2002/C 119 E/01) in der Fassung formuliert wird, wie sie in der RL 2002/74/EG in Kraft getreten ist, heißt
es: "Zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer ist es angebracht, die Definition der Zahlungsunfähgkeit
der aktuellen Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten auf diesem Sachgebiet anzupassen und mit diesem Begriff auch andere
Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten, um zu bestimmen,
ob die Garantieeinrichtung zu einer Zahlung verpflichtet ist, vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer
Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren
handeln."
bb) Dies bedeutet, dass der europäische Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren gemeinschschaftsrechtlich
erweitern wollte, die geeignet sind, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen, er andererseits aber auch
dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnen wollte, eine Mehrheit von formell eigenständigen Insolvenzverfahren als
ein einheitliches Insolvenzverfahren (Gesamtverfahren) im Sinne der RL zu behandeln. Dies bedeutet wiederum im Umkehrschluss,
dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis im Sinne der RL 80/987/EWG geeignet ist, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Ansonsten hätte es der Nr. 5 der Erwägungen überhaupt
nicht bedurft. Dies deckt sich auch mit dem Text der Richtlinie. Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG stellt in seiner hier maßgeblichen Fassung - unbeschadet des Umstandes, dass das innerstaatliche Verfahren die nach nationalem
Recht zu bestimmende Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt - wie auch schon in der zuvor geltenden Fassung nicht auf einen
materiell zu bestimmenden Begriff der Insolvenz ab. Vielmehr wird in Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG formuliert, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein Arbeitgeber als insolvent gilt. Mithin lässt die RL 80/987/EWG es genügen, dass eines der beiden formell definierten Ereignisse eintritt, um den Anspruch gegen die Garantieeinrichtung
auszulösen. Die RL 80/987/EWG muss daher auch nicht ausdrücklich regeln, ab wann ein Arbeitgeber wieder solvent ist, um ein nachfolgendes erneutes Insolvenzereignis
als anspruchsbegründend anzusehen.
c) Allerdings folgt daraus nicht zwingend, dass dann, wenn zwei oder mehrere der in Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG genannten Ereignisse beim selben Rechtsträger aufeinander folgen, gemeinschaftsrechtlich immer ein neuer Anspruch gegen die
Garantieeinrichtung entsteht. Besonders deutlich wird dies in dem Fall, dass eine natürliche Person als Unternehmensträger
bei andauernder Insolvenz wiederholt wechselnde Unternehmen eröffnet, die jeweils alsbald ihre geschäftliche Tätigkeit mangels
Zahlungsfähigkeit wieder einstellen müssen und eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Gesamtverfahrens) mangels Masse nicht
in Betracht kommt. Es würde dem Zweck der RL 80/987/EWG zuwiderlaufen, wenn ein Arbeitgeber regelmäßig erneut dieselben Arbeitnehmer im Rahmen der Gründung eines neuen Unternehmens
einstellen könnte und sowohl der Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer die Gewissheit hätten, dass jedenfalls die Ansprüche
auf Arbeitsentgelt für drei Monate von der Garantieeinrichtung (hier der Insg-Versicherung nach dem
SGB III) abzudecken wären. Folgerichtig sieht §
183 Abs.
2 SGB III vor, dass nur ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen
hat, Anspruch auf Insg für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses hat. Hiernach
hätte ein Arbeitnehmer beim zuvor dargestellten Sachverhalt einer Mehrheit von formellen Insolvenzereignissen keinen neuen
Anspruch auf Insg, wenn man mit der Rechtsprechung des BSG von der Sperrwirkung des einmal eingetretenen Insolvenzereignisses
bei fortbestehender Zahlungsunfähigkeit ausgeht. Gemeinschaftsrechtlich handelt es sich dabei, soweit §
183 Abs.
2 SGB III in der Auslegung des BSG einen Anspruch auf Insg nicht eröffnet, sondern ausschließt, um eine durch Art. 10 RL 80/987/EWG eingeräumte Möglichkeit, "die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen." Ein Missbrauch kann danach
durch §
183 Abs.
2 SGB III verhindert werden, wenn die Insolvenz andauert und ein neues, grundsätzlich formell beachtliches Insolvenzereignis nach Art.
2 Abs. 1 RL 80/987/EWG eintritt.
Die in diesem Spannungsviereck von gemeinschaftsrechtlicher formeller Betrachtung der Insolvenz, größtmöglichem Schutz des
redlichen vorleistungspflichtigen Arbeitnehmers, materieller Betrachtung der Insolvenzfortdauer nach dem
SGB III und Verhinderung von Missbräuchen zu beantwortende Frage ist - bezogen auf den hier streitigen Sachverhalt - folgende: Unter
welchen Voraussetzungen ist ein Arbeitnehmer schutzwürdig, der im selben oder in einem anderen Betrieb des insolventen Unternehmensträgers
weiterarbeitet, wenn es zu einem für den Arbeitnehmer erkennbaren formellen Insolvenzverfahren kommt, das - wie hier - nach
seiner Eröffnung vom Insolvenzgericht (der zuständigen Behörde im Sinne des Art. 2 Abs. 1 RL 80/987/EWG) gerade zu dem Zweck aufgehoben wird, dem Unternehmensträger die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, und wenn das
nachfolgende überwachte Insolvenzplanverfahren - wie hier - ebenfalls formell ordnungsgemäß beendet wird. Nach Auffassung
des erkennenden Senats kann dem Arbeitnehmer aus seiner nicht selten sehr eingeschränkten Perspektive nicht angesonnen werden,
die Liquidität des Unternehmens zu beurteilen, um daran sein Verhalten, insbesondere eine mögliche Kündigung auszurichten,
wenn er davon ausgehen darf, dass aufgrund einer für ihn in den Einzelheiten nicht durchschaubaren Prüfung der bisherige Arbeitgeber
seine wirtschaftlichen Betätigung ohne behördlich verantwortete Überwachung fortsetzen kann, ohne dass es zur Liquidation
des Unternehmens gekommen ist. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass das Insolvenzgericht nur in einem sehr eingeschränkten
Umfang eine inhaltliche Richtigkeitsprüfung und -gewähr übernimmt (Braun, SGb 2009, 437, 439; dazu, wann nach §
231 Abs.
1 Nr.
3 InsO ein Insolvenzplan bei Fortführung offensichtlich nicht erfüllbar ist, vgl. Lüer in Uhlenbruck,
InsO, 13. Aufl., §
231 Rn. 34; Rattunde in Leonhardt/Smid/Zeuner,
InsO, 3. Aufl., §
250 Rn. 16). Insoweit darf davon ausgegangen werden, dass die Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzplans nicht vorsätzlich einer
Lösung zustimmen werden, die ihren wirtschaftlichen Interessen schadet. Zudem übt der Insolvenzverwalter, der aus tatsächlicher
Sicht regelmäßig maßgeblich an der Erarbeitung eines Insolvenzplans beteiligt ist, als besonderes Rechtspflegeorgan ein Amt
aus (h. M.: Andres in Andres/Leithaus,
InsO, §
80 Rn. 4; App in Frankfurter Kommentar zur
InsO, 6. Aufl., §
80 Rn. 26 m. w. N. zur Rechtsprechung des BGH; App, aaO., Rn. 27 ff. zu weiteren Theorien über die Rechtsnatur des Insolvenzverwalters;
siehe ferner Uhlenbruck in ders.,
InsO, 13. Aufl., §
80 Rn. 78 ff.). Auch darf der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ein Neugläubiger (§
265 InsO) nach Abschluss des Insolvenzplanverfahrens bei fortbestehender Insolvenz erneut einen Insolvenzantrag stellen wird. Vor
diesem Hintergrund muss sich der einzelne Arbeitnehmer darauf verlassen können, dass die formell ordnungsgemäße Beendigung
des überwachten Insolvenzplanverfahrens ohne einen zeitgleich oder zumindest sehr zeitnah dazu gestellten erneuten Insolvenzantrag
bedeutet, dass er vom Schutz der Insg-Versicherung erfasst wird. Eine Modifizierung der formellen gemeinschaftsrechtlichen
Betrachtung durch ein materielles Verständnis der Insolvenz im Sinne des
SGB III wäre als Form der Missbrauchsabwehr durch Art. 10 RL 80/987/EWG insoweit nicht gedeckt und auch nicht erforderlich. Denn der nationale Gesetzgeber kann unter Berufung auf den Erwägungsgrund
Nr. 5 in der RL 2002/74/EG selbst deutlich machen, dass ein einem Insolvenzplanverfahren nachfolgendes erneutes Insolvenzverfahren
lediglich Teil des vorangegangenen ersten Insolvenzverfahrens und des sich ihm anschließenden Insolvenzplanverfahrens ist
und der Arbeitnehmer daher nicht darauf vertrauen darf, dass er bei Arbeitsentgeltausfällen einen Anspruch gegen die Insg-Versicherung
hat. Hierdurch hat der Richtliniengeber zugleich zu erkennen gegeben, dass derartige Konstellationen wie die hier streitige
gerade keine Sachverhalte sind, die durch im Einzelnen in der Richtlinie nicht geregelte allgemeine Missbrauchsabwehrvorschriften
des nationalen Rechts zu bewältigen sind.
d) Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat bisher für den hier vorliegenden Sachverhalt nicht angeordnet und die näheren Voraussetzungen
bestimmt, unter denen ein zweites Insolvenzverfahren, das einem ersten Insolvenzverfahren mit angeschlossenem und formell
beendetem Insolvenzplanverfahren erst mit zeitlichem Abstand folgt, nur unselbständiger Teil des ersten Insolvenzverfahrens
ist.
3. Die hier vertretene, gemeinschaftsrechtlich abgeleitete Auffassung wird durch folgende Gesichtspunkte zusätzlich gestützt.
a) Es handelt sich bei der Anordnung eines Gesamtverfahrens um eine wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidung von nicht
bloß untergeordneter Tragweite. Es obliegt allein dem Gesetzgeber, ob er die Arbeitnehmer bei (zumindest scheinbar) aussichtsreichen
Unternehmenssanierungen zu einem Verbleib im Unternehmen ermutigen will oder in Kauf nimmt, dass die Belegschaft bei der ersten
erneuten Krise dem Unternehmen den Rücken kehrt und sich arbeitslos meldet, um in den Genuss von Arbeitslosengeld zu kommen.
Zudem kann nur mit der gesetzgeberischen Klarstellung, dass das dem überwachten Insolvenzplanverfahren nachfolgende zweite
Insolvenzverfahren (eventuell nach Maßgabe bestimmter Voraussetzungen) ein Teil des ersten Insolvenzverfahrens und des sich
anschließenden Insolvenzplanverfahrens bleibt, der Arbeitnehmer sein Verhalten im Wissen darum, dass an die Weiterbeschäftigung
keine Insg-Ansprüche geknüpft sind, zumutbar darauf einstellen. Nur dann kann er sich darauf verlassen, dass er, wenn er bei
der ersten wahrscheinlichen oder bereits eingetretenen Verzögerung der Zahlung des Arbeitsentgelts kündigt und sich arbeitslos
meldet, nicht mit der Feststellung von Sperrzeitfolgen zu rechnen hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre eine den Insg-Anspruch
wegen andauernder Insolvenz ausschließende rein materielle Betrachtung nach aufgehobenem Insolvenzverfahren und formell ordnungsgemäß
beendetem Insolvenzplanverfahren eine unbefriedigende Lösung, die den Arbeitnehmer unangemessen belasten würde.
b) Schließlich kommt hinzu, dass der Insolvenzverwalter und die Gläubiger, wenn sie eine Fortführung des Unternehmens wünschen
und wollen, dass die Arbeitnehmer erneut abgesichert sind, auch den Weg einer übertragenden Sanierung gehen könnten, indem
für das insolvente Unternehmen ein neuer Unternehmensträger geschaffen wird. Insoweit bestimmt §
260 Abs.
3 InsO ausdrücklich, dass im Falle der im Insolvenzplan angeordneten Überwachung sich die Überwachung auch auf die Erfüllung der
Ansprüche erstreckt, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil gegen eine juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit
zustehen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegründet worden ist, um das Unternehmen oder einen Betrieb des Schuldners
zu übernehmen und weiterzuführen (Übernahmegesellschaft). Gerade eine gesetzgeberische Klarstellung, dass auch in einem derartigen
Fall ein Gesamtverfahren vorliegt, würde jedenfalls Zufälligkeiten vorbeugen.
4. Nach alledem kann eine ausdrückliche, unter Bezugnahme auf Gemeinschaftsrecht erfolgende gesetzgeberische Entscheidung
de lege lata nur dann unterbleiben, wenn der bisherige Unternehmensträger weiterhin unter der Aufsicht des Insolvenzverwalters
steht, der die Einhaltung des Insolvenzplans überwacht. Hier muss ein verständiger Arbeitnehmer auch jetzt schon davon ausgehen,
dass eine Fortdauer des Amtes des Insolvenzverwalters mit erheblichen Befugnissen für neue Geschäftstätigkeiten nach der Aufhebung
des Insolvenzverfahrens die Einheit des Gesamtverfahrens begründet. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zwar ist im gestaltenden Teil des Insolvenzplans die "Überwachung der Planerfüllung gem. §
260 InsO" für die Dauer von zwei Jahren vorgesehen und es sind nach §
263 InsO die zustimmungsbedürftigen Geschäfte definiert worden. Jedoch wurde mit Beschluss des AG vom 05.12.2002 die Beendigung der
Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter per 30.11.2002 festgestellt. (Rechtskraftvermerk vom 15.01.2003).
Der hier streitige Insg-Zeitraum liegt danach (01.02.2003 bis 24.04.2003). Unerheblich ist hingegen, dass das Arbeitsverhältnis
zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber noch während der Überwachungszeit begründet wurde. Infolgedessen steht dem Kläger
der Anspruch auf Insg zu.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).