Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Antragsteller sind polnische Staatsbürger, welche am 24.07.2009 in das Bundesgebiet einreisten und sich seitdem in G aufhalten.
Die Antragstellerin zu 1 meldete am 31.07.2009 beim Gewerbeamt der Stadt G eine selbstständige Tätigkeit mit dem Gegenstand
"Altenpflege, Reinigungsarbeiten nach Hausfrauenart" an. In der Zeit vom 30.08.2009 bis zum 21.09.2009 erbrachte sie Betreuungsleistungen
für einen Privathaushalt in K, wofür sie 950,00 EUR erhielt. Danach kehrte sie zu ihrer Familie nach G zurück. Am 23.10.2009
erteilte das zuständige Ausländeramt des Landkreises G eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz mit dem Vermerk "Diese Bescheinigung ist bis zum 22.01.2010 gültig. Aufenthaltszweck: Arbeitssuche". Gegen die Befristung
legten die Antragsteller Widerspruch ein.
Am 01.10.2009 beantragten die Antragsteller beim Dienstleistungszentrum für Arbeit G Leistungen nach dem SGB II. Dieser Antrag
wurde mit Bescheid vom 21.10.2009 abgelehnt. Ein Anspruch bestehe gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht, weil sich das Aufenthaltsrecht
der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Widerspruch
ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009 zurückgewiesen wurde. Die dagegen vor dem Sozialgericht Dresden erhobene
Klage unter dem Aktenzeichen S 17 AS 91/10 ist noch anhängig.
Ebenfalls am 01.10.2009 beantragten die Antragsteller beim Sozialgericht Dresden den Erlass einer einstweiligen Anordnung
(Aktenzeichen S 12 AS 4778/09 ER). Das SG lud den Landkreis G bei und verpflichtete diesen mit Beschluss vom 14.11.2009, den Antragstellern vorläufig und darlehensweise
Sozialhilfe für die Zeit vom 30.10.2009 bis 31.03.2010 zu gewähren, wobei die Regelsatzleistungen auf 80 % begrenzt wurden.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht ist unter dem Aktenzeichen L 3 AS 769/09 B ER anhängig.
Mit Bescheid vom 15.02.2010 verfügte das Ausländeramt des Landkreises G die Rücknahme der in den Freizügigkeitsbescheinigungen
vom 23.10.2009 ausgesprochenen Befristungen, den Verlust des Rechts auf Einreise und ständigen Aufenthalt in der BRD, die
Ungültigkeitserklärung und Einziehung sowie die Abgabe dieser Freizügigkeitsbescheinigungen. Des Weiteren wurden die Antragsteller
zum Verlassen der BRD aufgefordert und die Abschiebung bei nicht fristgerechter Ausreise angedroht. Die sofortige Vollziehung
der Regelungen wurde angeordnet. Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller Widerspruch ein und stellten zudem beim Verwaltungsgericht
Dresden einen Antrag gemäß §
80 Abs.
5 VwGO. Mit Beschluss vom 09.03.2010 stellte das Verwaltungsgericht Dresden fest, dass die Widersprüche der Antragsteller hinsichtlich
Ziffer 2 des Bescheids vom 15.02.2010 aufschiebende Wirkung hätten. Des Weiteren wurde die aufschiebende Wirkung der Widersprüche
hinsichtlich der Ziffer 3 und 4 des Bescheids vom 15.02.2010 wiederhergestellt und hinsichtlich Ziffer 5 des Bescheids angeordnet.
Mit weiterem Eilantrag zum Sozialgericht Dresden vom 01.03.2010 begehrten die Antragsteller die Verlängerung der bis zum 31.03.2010
befristeten einstweiligen Anordnung zu den gleichen Bedingungen. Mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss vom 29.03.2010
hat das SG den Antragsgegner vorläufig verpflichtet, den Antragstellern darlehensweise für die Zeit vom 01.04.2010 bis 31.09.2010 Sozialhilfe
in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Hiergegen richtet sich die am 15.04.2010 erhobene Beschwerde des Antragsgegners. Der Leistungsausschluss
für die Antragsteller ergebe sich bereits aus § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII. Hiernach hätten Ausländer, deren
Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 29.03.2010 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Dresden vom 29.03.2010 mit Bescheid vom 27.05.2010
den Antragstellern zu 1 und 2 monatliche Leistungen i.H.v. 416,83 EUR gezahlt (323,00 EUR Regelleistung zuzüglich Kosten der
Unterkunft i.H.v. 99,65 EUR abzüglich eines Warmwasseranteils i.H.v. 5,82 EUR). Den Antragstellern zu 3 und 4 wurden Leistungen
i.H.v. 146,27 EUR gezahlt (215,00 EUR Regelleistung zuzüglich eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung i.H.v. 21,50
EUR zuzüglich Kosten der Unterkunft i.H.v. 99,65 EUR und abzüglich Warmwasseranteil i.H.v. 3,88 EUR und Kindergeld i.H.v.
186,00 EUR) und dem Antragsteller zu 5 Leistungen i.H.v. 124,77 EUR (215,00 EUR Regelleistung zuzüglich Kosten der Unterkunft
i.H.v. 99,65 EUR abzüglich 3,88 EUR Warmwasseranteil und abzüglich 186,00 EUR Kindergeld) gezahlt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten
Behördenvorgänge des Antragsgegners.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß §
86b Abs.
3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß
§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch
der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden
soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Außerdem kann das Gericht dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend
grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Ast. nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er im Haupt- sacheverfahren
erreichen kann. Die summarische Prüfung kann sich insbesondere bei schwierigen Fragen auch auf Rechtsfragen beziehen (Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b RdNr. 16c; vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - L 9 B 192/08 KR ER), wobei dann die Interessen- und Folgenabwägung stärkeres Gewicht gewinnt (Binder in Hk-
SGG, 2. Aufl., §
86b RdNr. 42). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dann, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare,
anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt werden
können und wenn sich das Gericht in solchen Fällen an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und
Rechtslage abschließend geprüft werden muss. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich, ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05). Letzteres bestätigend hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 weiter ausgeführt, dass das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition umso
weniger zurückgestellt werden darf, je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes verbunden sind. Art
19 Abs.
4 Grundgesetz verlange auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders
nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in
der Lage wäre.
Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage
des Antragstellers - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder
unmittelbar betroffener Dritter - unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das
Hauptsacheverfahren zu verweisen (Finkelnburg u.a., Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008,
RdNr. 108 m.w.N.; ähnlich: Krodel, NZS 2002, 234 ff). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile
oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen
vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne
einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Keller, aaO., § 86b RdNr. 27a).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer Wechselbeziehung
zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden
Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich
aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (HessLSG, Beschluss vom 29.09.2005 - L 7 AS 1/05 ER; Keller, aaO., § 86b RdNrn. 27 und 29 m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet,
so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes
Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen
an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem
Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten
der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist.
Gemessen hieran haben die Antragsteller sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zur Vermeidung
von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des
SG vom 29.03.2010. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist Folgendes auszuführen:
Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen können.
Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe
bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Der Anspruch
der Antragsteller auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII ist nicht gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen, da ihnen kein
Anspruch nach dem SGB II zusteht. Denn insoweit fehlt es an der für den Bezug dieser Leistungen nötigen Erwerbsfähigkeit.
Als polnische Staatsbürger sind sie gemäß § 8 Abs. 2 SGB II nur erwerbsfähig, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung
erlaubt ist oder werden könnte. Notwendig ist hierfür eine über die abstrakte rechtliche Möglichkeit hinausgehende Aussicht
auf Erteilung der Genehmigung oder Erlaubnis (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B -, RdNr. 7 m.w.N.). Dieser Frage kann nur im Wege weiterer tatsächlicher Ermittlungen nachgegangen werden, deren Umfang
den Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengen würde und diesen unzumutbar verlängerten. Bei der gebotenen summarischen
Prüfung ist daher von fehlender Aussicht auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnis oder Genehmigung auszugehen (vgl. SächsLSG,
Beschluss vom 17.12.2009 - L 7 AS 416/09 B ER -, nicht veröffentlicht).
Auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - bislang nur als Pressemitteilung und noch nicht in Volltext veröffentlicht) ergibt sich nichts anderes. Danach ist die
Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind, auf diejenigen in Deutschland
lebenden Ausländer, die sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, S. 564) berufen können, nicht anwendbar:
"Nach Art. 1 des EFA ist jeder der Vertragsschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die
sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende
Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen
der sozialen und der Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen
sind.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht. Seiner Anwendbarkeit steht weder vorrangig anzuwendendes
anderes Bundesrecht noch Gemeinschaftsrecht entgegen. Die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 1 EFA liegen
auch insoweit vor, als es sich bei der beanspruchten Regelleistung nach § 20 SGB II um Fürsorge im Sinne des EFA handelt.
Hierzu zählt nicht nur die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, sondern auch die begehrte Leistung
nach dem SGB II. Deswegen kommt es nicht darauf an, dass die Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Europarat nach wie vor
nur das zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretene Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als unter den Geltungsbereich des Abkommens fallendes Fürsorgegesetz gemeldet hat." (aus der BSG-Pressemitteilung vom 19.10.2010
zu B 14 AS 23/10 R).
Der Anspruch aus dem EFA ist jedoch auf Bürger der Staaten beschränkt, die das EFA ratifiziert haben, dies sind Belgien, Dänemark,
Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal,
Schweden, Spanien, Türkei und das Vereinigte Königreich. (Quelle: Internetseite des Europarats, www.coe.int). Polen ist diesem
Abkommen jedoch nicht beigetreten, weshalb es bei der Anwendbarkeit der Ausschlussregelung verbleibt.
Die Antragsteller sind nicht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII von Leistungen des SGB XII ausgeschlossen. Nach
dieser Vorschrift haben diejenigen Ausländer keinen Anspruch auf Sozialhilfe, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck
der Arbeitssuche ergibt. Hierzu hat der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 14.10.2008, L 7 B 293/08 SO ER, sowie vom 17.12.2009, L 7 AS 416/09 B ER, folgende Ausführungen gemacht, an denen er auch nach erneuter Prüfung festhält:
"§ 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII steht in Übereinstimmung mit Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4b der Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet
der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004 (RL 2004/38/EG). Danach können im nationalen Recht
Personen und ihre Familienangehörigen vom Bezug sozialer Leistungen ausgeschlossen werden, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht
allein auf den Zweck der Arbeitsuche gründet; Unionsbürger, die in das Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates eingereist sind,
um Arbeit zu suchen, dürfen nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und
dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des § 23 Abs. 3 Satz
1 SGB XII zum 07.12.2007 in die nunmehr geltende Fassung Art. 24 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 b der RL 2004/38/EG umgesetzt
(BT-Drucks. 16/2711, S. 10), so dass diese Vorschrift jedenfalls mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Ob §
23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII bzw. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG darüber hinaus mit den Vorgaben des primären Gemeinschaftsrechts
vereinbar sind (vgl. hierzu mit unterschiedlichen Ergebnissen LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008, Az. L 7 AS 3031/08 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.06.2007, L 20 B 59/07 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 13.09.2007, Az. L 9 AS 44/07 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.08.2007, Az. L 9 AS 447/07 ER; alle zitiert nach Juris und m. w. N.) kann vorliegend dahin stehen. Insbesondere kann offen bleiben, ob Art. 24 Abs.
2 RL 2004/38/EG mit Art. 18 und Art. 12 EG (konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
- Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 24.12.2002, C 325/33 ff.) vereinbar ist, wobei letztere Vorschrift jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Bereich des Vertrages
unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrages verbietet und nach Art. 18 Abs. 1 EG jeder Unionsbürger vorbehaltlich der
im Vertrag und in den Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet
der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten."
Hinsichtlich der Antragsteller greift der in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII normierte Leistungsausschluss nicht. Auch
hier greifen die vom Senat in o.g. Entscheidung angestellten Überlegungen:
"Nach Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG darf zwar gegen Unionsbürger grundsätzlich keine Ausweisung verfügt werden, wenn sie Arbeitnehmer
oder Selbständige sind oder in das Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates eingereist sind, um Arbeit zu suchen; im letzteren Fall
dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen jedoch nur so lange nicht ausgewiesen werden, wie sie nachweisen können,
dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. (...). Nach §
284 Abs.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) darf nämlich ein Arbeitgeber einen Unionsbürger rumänischer Staatsangehörigkeit nur einstellen, wenn die Arbeitserlaubnis/EU
oder Arbeitsgenehmigung/EU erteilt ist und der Unionsbürger darf ein Beschäftigungsverhältnis nur bei deren Vorliegen eingehen.
Da den Bf. eine Arbeitserlaubnis oder -genehmigung/EU nicht erteilt worden ist, haben sie keine begründete Aussicht, eingestellt
zu werden, so dass, soweit nicht ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen gegeben ist, eine Ausweisung grundsätzlich möglich
wäre. Auch aus den Regelungen des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügigG/EG) lässt sich
nach summarischer Prüfung kein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für arbeitsuchende Unionsbürger herleiten. Zwar bestimmt
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigG/EG, dass Unionsbürger, die sich zur Arbeitssuche aufhalten wollen, gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt
sind und nach Abs. 1 der Vorschrift haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf
Einreise und Aufenthalt. § 4 Satz 1 FreizügigG/EG regelt jedoch weiter, dass (u. a.) nicht erwerbstätige Unionsbürger wie
die Antragsteller. das Recht auf Einreise und Aufenthalt nur haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz
und ausreichende Existenzmittel verfügen." Das ist hier gerade nicht der Fall.
Somit ist den Antragstellern mangels Vorliegen des in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII normierten Ausschlussgrundes jedenfalls
so lange ihr aufenthaltsrechtlicher Status nicht geklärt ist bzw. bis angesichts ihres Angewiesenseins auf Sozialhilfe ihre
Ausweisung veranlasst worden ist, Sozialhilfe zu gewähren. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Leistungsberechtigung
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII an den tatsächlichen Aufenthalt im Inland anknüpft (Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, Lehr-
und Praxiskommentar, 8. Aufl. 2008, § 23 RdNr. 5) und somit sogar Ausländern, die sich illegal im Inland aufhalten, Leistungen
der Sozialhilfe (in eingeschränktem Umfang) zu gewähren sind. Dabei kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahinstehen,
ob die Antragsteller im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 12 EG grundsätzlich
Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe in gleichem Umfange wie inländische Unionsbürger haben oder ob ihnen mangels Vorliegen
eines Aufenthaltsrechtes Leistungen in dem in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beschriebenen Umfang zustehen.
Die vorliegende Problematik ist in erster Linie ausländerrechtlich und nicht sozialrechtlich zu lösen. Solange die vom Landkreis
G verfügte Aufenthaltsbeendigung nicht vollziehbar ist, bleibt der tatsächliche Aufenthalt der Antragsteller im Inland maßgeblich.
Insgesamt erscheint es dem Senat angemessen, den Antragstellern die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt unter Einschluss
der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren, die jeweiligen Regelsätze im Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch zunächst auf 80 % zu beschränken. Damit wird einerseits den Antragstellern das zum
Lebensunterhalt Unerlässliche zur Verfügung gestellt und andererseits der Grundsatz gewahrt, dass im Eilverfahren die Hauptsache
nicht vorweggenommen werden darf (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 RdNr. 26). Anhaltspunkte dafür, dass die im Ausführungsbescheid vom 27.05.2010 festgestellten Leistungen unrichtig berechnet
sein könnten, sind nicht vorgetragen worden und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Ohnehin haben die Antragsteller nichts anderes beantragt, da sie mit ihrem vor dem Sozialgericht gestellten Antrag die Verlängerung
der vorangegangenen einstweiligen Anordnung zu den gleichen Bedingungen beantragt haben. Diese vorangegangene Anordnung enthielt
hinsichtlich der Regelleistung eine Beschränkung auf 80 %. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Regelleistungen nach dem
SGB XII im Unterschied zur Vorgängerregelung des Bundessozialhilfegesetzes, welches einen geringeren Regelsatz und ergänzende
Leistungen für einmalige Bedarfe enthielt, einen erheblichen Ansparanteil enthalten, um einmalige Bedarfe, wie z. B. Ersatzbeschaffungen,
zu decken. Angesichts dessen, dass der Antragsgegner auf ausländerrechtlichem Wege die Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller
in der Bundesrepublik Deutschland anstrebt, kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dieser Ansparanteil entfallen,
weil Ersatzbeschaffungen angesichts der begrenzten Aufenthaltsdauer in der Regel nicht anfallen dürften.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in analoger Anwendung. Das geringfügige Unterliegen der Antragsteller, das letztlich auf einer den Antrag der Antragsteller
ausdehnenden Interpretation desselben durch das SG beruht, rechtfertigt keine andere Kostenentscheidung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).