LSG Hessen, Urteil vom 24.03.2011 - 1 AS 15/10
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen des Anspruchs auf Sozialgeld bei nichterwerbsfähigen Personen; Zeitpunkt der Erhöhung durch einen behinderungsbedingten Mehrbedarf; Verfassungsmäßigkeit
1. Der Anspruch eines voll erwerbsgeminderten Sozialgeldbeziehers auf Mehrbedarf in Höhe von 17vH der Regelleistung entsteht mit dem Zeitpunkt der vom zuständigen Versorgungsamt festgestellten Schwerbehinderung einschließlich des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen G und nicht erst mit Aushändigung des Schwerbehindertenausweises.
2. Eine andere Auslegung liefe dem Schutzzweck des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zuwider, die Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft zu stärken, wenn das Entstehen eines materiellen, dem Behinderungsausgleich dienenden Rechts hinausgeschoben wird, bis die Verwaltung bereit und in der Lage ist, ein entsprechendes Ausweisdokument zu erstellen, ggf. bis ein darüber geführter Rechtsstreit möglicherweise nach Jahren zu Gunsten des behinderten Menschen entschieden ist. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
,
SGB XII § 30 Abs. 1 Nr. 2
,
SGB II § 20 Abs. 1
,
SGB II § 28 Abs. 1 S. 1
,
SGB II § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
,
SGB IX § 69 Abs. 5
Vorinstanzen: SG Gießen 07.12.2009 S 29 AS 6/08
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. Dezember 2009 - S 29 AS 6/08 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

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