Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Rechtswidrigkeit des niedersächsischen Honorarverteilungsmaßstabs für 2005 wegen
fehlender Bildung arztgruppeneinheitlicher Regelleistungsvolumen
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars im Quartal II/2005.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten
Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) teil.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 setzte die Beklagte das auszuzahlende Honorar des Klägers im Quartal II/2005 auf 60.519,14
Euro fest. Grundlage hierfür war der zwischen der Beklagten und den Krankenkassen (KKen) bzw ihren Verbänden vereinbarte und
zum 1. April 2005 in Kraft getretene Honorarverteilungsvertrag (HVV). Dieser sah in Anl 2 die Einführung von Regelleistungsvolumen
(RLV) in Form arztgruppenspezifischer Grenzwerte vor, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum
im jeweiligen Kalendervierteljahr erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des HVV vereinbarten
festen Punktwert zu vergüten sind.
Nach § 3 Abs 2 Nr 2 der Anl waren für die darin genannten Arztgruppen mit mehr als 20 Mitgliedern jeweils drei Untergruppen
mit unterschiedlichen Fallpunktzahlen (FPZ) zur Berechnung der RLV zu bilden. Maßstab für die Bestimmung der FPZ war der durchschnittliche Fallwert einer Arztpraxis in Punkten für RLV-relevante Leistungen in den Referenzquartalen III/2003 bis II/2004. Arztpraxen mit Fallwerten von bis zu 15 % über bzw unter
dem Arztgruppendurchschnitt bildeten die Untergruppe 2 (U2), Arztpraxen mit höheren Fallwerten die Untergruppe 3 (U3) und
die Praxen mit niedrigeren Fallwerten die Untergruppe 1 (U1). Für die Fachgruppe des Klägers (Fachärzte für Innere Medizin
mit Versorgungsschwerpunkt Pneumologie) ergab dies je nach Alter der Patienten folgende FPZ:
Untergruppe 1 = 654,0/1.097,8/1.224,9
Untergruppe 2 = 761,3/1.305,6/1.389,2
Untergruppe 3 = 766,2/1.366,0/1.481,6.
Ergänzend hierzu sah der HVV in Anl 3 Regelungen für die Verteilung der begrenzten Gesamtvergütung vor. Nach § 14 der Anl waren die Leistungen des RLV mit einem Regelleistungspunktwert von 3,4424 Cent zu vergüten. Hingegen konnten die das RLV überschreitenden Leistungen mit einem abgesenkten Punktwert vergütet werden, mindestens aber mit 0,1 Cent. Weiter war in
§ 14 Abs 3 der Anl geregelt, dass - soweit das Honorarkontingent einer Fachgruppe nicht ausreicht, um den Regelleistungspunktwert
und die übrigen im HVV vorgesehenen Mindestpunktwerte auszahlen zu können - eine gleichmäßige Quotierung der für diese Leistungsbereiche
ursprünglich anerkannten Punktzahlanforderungen erfolgt, bis die jeweiligen Punktwerte erreicht werden.
Der Widerspruch des Klägers gegen den auf dieser Grundlage für das Quartal II/2005 erlassenen Honorarbescheid - im Wesentlichen
gerichtet gegen die Einführung von Untergruppen mit unterschiedlichen FPZ zur Berechnung des RLV - blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 14. März 2006).
Der Kläger hat am 3. April 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und dort geltend gemacht, die Vorgaben im HVV der Beklagten verstießen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Die mit der Untergruppenbildung verbundenen unterschiedlichen FPZen für Fachärzte der gleichen Fachausrichtung seien sachlich
nicht zu rechtfertigen und daher unzulässig. Hinzu komme, dass der HVV der Beklagten eine einheitliche Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung
enthalte, sodass diejenigen Fachärzte, denen - wie der Kläger - aufgrund der Einstufung in die Untergruppe 1 die niedrigsten
FPZen zugebilligt würden, benachteiligt seien. Dies sei mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Möglichkeit von Fallzahlsteigerungen unterdurchschnittlich abrechnender Arztpraxen nicht zu vereinbaren.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. September 2010 abgewiesen. Die Bildung von Untergruppen im HVV der Beklagten sei nicht zu
beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür sei S 2 der Anl 1 zum Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) gemäß §
85 Abs
4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) zur Festlegung von Regelleistungsvolumina (Beschluss vom 29. Oktober 2004, DÄ 2004, A-3129 ff). Danach könnten weitere Differenzierungen
oder Zusammenfassungen der in der Anl 1 genannten Arztgruppen vereinbart werden. Im Übrigen sei es nach § 3 Abs 2 der Anl
2 zum HVV der Beklagten möglich, die Untergruppeneinstufung zu ändern. Die pauschalierende Einstufung der Beklagten in verschiedene
Untergruppen sei daher rechtmäßig.
Gegen dieses Urteil (zugestellt am 15. Oktober 2010) hat der Kläger am 15. November 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung
im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2006 aufzuheben
2. die Beklagte zu verurteilen, über seinen Honoraranspruch im Quartal II/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats
erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG Hannover für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der
Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Das SG hat die Klage gegen den angefochtenen Bescheid zu Unrecht abgewiesen. Der HVV der Beklagten, auf dessen Grundlage der Honorarbescheid
des Klägers für das Quartal II/2005 ergangen ist, ist rechtswidrig.
1. Die statthafte und im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Neubescheidungsklage (§
54 Abs
1 S 1 iVm §
131 Abs
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Eine Unterteilung homogener Arztgruppen (Untergruppen 1 bis 3) bei der Verteilung
der Gesamtvergütungen, wie sie der HVV der Beklagten vorgibt, ist mit den gesetzlichen Vorgaben in §
85 Abs
4 S 7
SGB V nicht zu vereinbaren.
2. Nach §
85 Abs
4 S 7
SGB V (hier anzuwenden idF des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003, BGBl I 2190) sind bei der Verteilung der
Gesamtvergütungen "arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen
mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)." Aus der Rechtsprechung des BSG hierzu ergibt sich, dass mit dieser Regelung vor allem zwei Kernvorgaben verbunden sind, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer
Grenzwerte und fester Punktwerte. Hinzu kommt gemäß der Vorgabe in §
85 Abs
4 S 8
SGB V für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen eine Vergütung mit abgestaffelten Punktwerten.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zum GMG soll den Vertragsärzten hierdurch Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze
und -einkommen gegeben werden. Die Bestimmung fester Punktwerte (anstelle sogenannter floatender Punktwerte) stellt dabei
eine zentrale und strikte Vorgabe dar. Die arztgruppenspezifischen Grenzwerte müssen hingegen nicht einheitlich in der Form
festgelegt werden, dass der gesamten Arztgruppe das gleiche RLV zugewiesen wird. Vielmehr kann dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügen, die eine arztgruppeneinheitliche
Festlegung nur bei den FPZen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so
zu praxisindividuellen Grenzwerten führt. In jedem Fall muss in dieses Merkmal aber ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung
einfließen. Hierfür reicht es nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet wird. Vielmehr
muss die Honorarverteilung auf arztgruppeneinheitlichen FPZen aufbauen (vgl zu alledem BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54 mwN).
Dabei obliegt es nach der Regelung in §
85 Abs
4a S 1 2. Halbs
SGB V dem BewA, den Inhalt der nach dem
SGB V zu treffenden Vorgaben bei der Festlegung der arztgruppeneinheitlichen Grenzwerte zu bestimmen. Dieser hat mit dem Beschluss
vom 29. Oktober 2004 (DÄ 2004, A-3129) vorgegeben, in der Honorarverteilung der KÄVen RLV in der Weise festzulegen, dass durch die Multiplikation arztgruppeneinheitlicher FPZen mit individuellen Behandlungsfallzahlen
im Ergebnis praxisindividuelle Punktwerte als RLV entstehen. In der Anl 1 des Beschlusses sind die Arztgruppen genannt, für die ein RLV festzulegen ist; in der Anl 2 des Beschlusses wird darüber hinaus ausgeführt, nach welchen Maßgaben die FPZen zur Bestimmung
der RLV zu berechnen sind. Diese Vorgaben des BewA sind kraft Gesetzes Bestandteil der HVVe (§
85 Abs
4 S 10
SGB V) und von den KÄVen bei der Verteilung der Gesamtvergütungen einzuhalten. Sie gehen denjenigen des HVV vor, sodass der HVV
zurücktreten muss, soweit ein Widerspruch zwischen ihm und den Vorgaben des BewA vorliegt (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53).
3. Die im HVV der Beklagten vorgesehene Unterteilung homogener Arztgruppen (Untergruppen 1 bis 3) entspricht aber weder den
gesetzlichen Vorgaben in §
85 Abs
4 S 7 und 8
SGB V noch ist sie mit den Bestimmungen im Beschluss des BewA vom 29. Oktober 2004 zu vereinbaren.
Der HVV der Beklagten sieht zwar dem Grunde nach die Bildung praxisindividueller RLV sowie die Vergütung der innerhalb des RLV liegenden ärztlichen Leistungen mit einem festen Punktwert vor (§ 2 Anl 2 HVV). Allerdings wird diese (Teil-)Umsetzung der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben durch gesonderte Berechnungsvorgaben
für die FPZ unterlaufen. So erfolgt nach § 3 Abs 2 Nr 2 der Anl 2 HVV bei größeren Arztgruppen ("sofern die Arztzahl (...)
mindestens 20 beträgt") eine fallwertbezogene Berechnung der FPZ. Im Anschluss werden die Mitglieder einer Arztgruppe in eine
von insgesamt drei Untergruppen mit unterschiedlich großen FPZen zur Bestimmung der RLV eingestuft. Im Ergebnis führt dies zu einer Binnendifferenzierung der von dieser Regelung betroffenen Arztgruppen, weil die
Größe des jeweiligen RLV neben der Behandlungsfallzahl im Abrechnungsquartal zusätzlich von einer vergangenheitsbezogenen Fallwertbetrachtung abhängt.
Der Umfang des einer Arztpraxis zustehenden RLV (und damit faktisch auch die Höhe des Honorars) bestimmt sich damit nicht anhand arztgruppeneinheitlicher Grenzwerte, sondern
vielmehr maßgeblich nach dem Umfang der Abweichung vom durchschnittlichen Fallwert der jeweiligen Arztgruppe in zurückliegenden
Referenzquartalen. Demgegenüber sieht der Beschluss des BewA vom 29. Oktober 2004 in Teil III Ziffer 3.2 vor, dass sich die
FPZ einer Arztpraxis oder eines medizinischen Versorgungszentrums (ausschließlich) aus der Zugehörigkeit zu einer Arztgruppe
gemäß der Anl 1 und der zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen Berechnungsvorgabe in der Anl 2 bestimmt. Hiervon weicht der HVV
der Beklagten ab.
4. Eine Berechtigung der Beklagten, von den dargelegten Vorgaben für die Honorarverteilung in §
85 Abs
4 S 7 und 8
SGB V abzuweichen, besteht nicht. Die Bestimmungen im HVV der Beklagten für eine fallwertbezogene Berechnung der FPZ innerhalb
derselben Arztgruppen verstoßen daher gegen höherrangiges Recht und sind rechtswidrig.
a) Hinsichtlich des den Vertragspartnern der HVV verbleibenden Gestaltungsspielraums für die Festlegung eigenständiger Honorarverteilungsregelungen
hat das BSG ausgeführt, dass mit den Vorgaben des BewA im Beschluss vom 29. Oktober 2004 nicht vereinbare HVV-Bestimmungen nach den allgemeinen
Grundsätzen der Normengeltung und -hierarchie regelmäßig unwirksam sind (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53). Die Vertragspartner sind lediglich berechtigt, neben den RLV weitere Steuerungsinstrumente vorzusehen; diese dürfen allerdings das im Gesetz angelegte Konzept aus RLV und abgestaffelten Punktwerten nicht schwächen, sondern nur ergänzen (vgl hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54). Die Einführung von Untergruppen mit unterschiedlich großen FPZen zur Bestimmung der RLV kann aus Sicht des Senats aber nicht als eine derartige Ergänzung der in §
85 Abs
4 S 7 und 8
SGB V vorgegebenen Steuerungskonzeption angesehen werden.
Dies folgt bereits aus der strukturellen Ausrichtung, die nach den Angaben der Beklagten mit der Binnendifferenzierung innerhalb
der Arztgruppen verbunden ist. Danach soll durch die Einführung von Unterarztgruppen nach Abschaffung der Praxis- und Zusatzbudgets
im EBM eine individualisierte Leistungsbewertung anhand des spezifischen Leistungsspektrums einer Arztpraxis weiterhin gewährleistet
und so deren Status quo erhalten werden. Die im HVV der Beklagten vorgesehenen RLV bauen demnach maßgeblich auf den praxisindividuellen Abrechnungsergebnissen vergangener Zeiträume auf. Nach den Vorstellungen
des Gesetzgebers sollen die RLV aber nicht ein arztspezifisches, sondern das umfassende Leistungsprofil der an der Honorarverteilung beteiligten Arztgruppen
abbilden und knüpfen daher bewusst an fachgruppenbezogene Durchschnittswerte an, die regelmäßig alle typischen Leistungen
einer Arztgruppe umfassen und bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert zu vergüten
sind (vgl hierzu BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 20/10 R). Der damit einhergehende Vorteil für die Vertragsärzte - eine ausschließlich an Durchschnittswerten orientierte Kalkulationssicherheit
- wird durch die Untergruppenbildung im HVV der Beklagten konterkariert und damit abgewandelt, um anstelle des Fachgruppendurchschnitts
die zurückliegende praxisindividuelle Ausrichtung berücksichtigen zu können.
Auch die konkreten Auswirkungen der im HVV der Beklagten vorgesehenen Binnendifferenzierung verdeutlichen, dass diese nicht
als eine Ergänzung, sondern vielmehr als eine Abwandlung der im Gesetz angelegten Konzeption aus RLV und abgestaffelten Punktwerten anzusehen ist. Im Ergebnis führen die hier beanstandeten Honorarverteilungsbestimmungen dazu,
dass die Größe des RLV (und damit die Höhe des kalkulationssicher einzuschätzenden Honorars eines Vertragsarztes) im aktuellen Abrechnungsquartal
maßgeblich von dessen Fallwerten in den zurückliegenden Referenzquartalen abhängt. Je stärker der Fallwert einer Arztpraxis
in der Vergangenheit von dem durchschnittlichen Fallwert der jeweiligen Arztgruppe abgewichen ist, umso kleiner bzw größer
ist die der Arztpraxis zuzuweisende FPZ. Die Auswirkungen dieser Binnendifferenzierung sind erheblich: Unterstellt man beispielsweise,
dass die Untergruppe 2 mit ihren FPZen in etwa den Durchschnitt der jeweiligen Arztgruppe abbildet, dann ergeben sich FPZen
im Verhältnis von bis zu 1:3. Dh, die in die Untergruppe 1 eingestuften Arztpraxen erhalten eine FPZ, die annähernd 2/3 kleiner
ist als diejenige der Arztpraxen, die in die Untergruppe 3 eingestuft worden sind.
Beispiel: Fachärzte für Nuklearmedizin
U1
|
868,2
|
868,2
|
977,0
|
U2
|
1227,2
|
1227,2
|
1684,6
|
U3
|
2521,3
|
2521,3
|
2960,2
|
Beispiel: Fachärzte für Neurochirurgie
U1
|
1176,0
|
1176,0
|
1335,2
|
U2
|
1584,2
|
1584,2
|
1930,5
|
U3
|
3322,7
|
3322,7
|
4238,0
|
Beispiel: Fachärzte für Diagnostische Radiologie mit Vorhaltung von CT und MRT
U1
|
537,1
|
1882,4
|
1853,4
|
U2
|
1351,3
|
2441,5
|
2330,3
|
U3
|
834,8
|
3461,2
|
3205,01
|
Unter Berücksichtigung der Abstaffelungsregelung in § 3 Abs 3 Anl 2 HVV, wonach die FPZ für jeden der über 150% der durchschnittlichen
Fallzahl der Arztgruppe hinausgehende Behandlungsfall um 25% gemindert wird, bedeutet dies, dass die Arztpraxen der Untergruppe
1 auch durch eine Steigerung ihrer Fallzahlen um den Faktor 3 kein RLV erhalten, das dem einer in die Untergruppe 3 eingestuften Arztpraxis mit einer nur durchschnittlichen Fallzahl entspricht.
Vor diesem Hintergrund ist nicht (mehr) erkennbar, dass die Honorarverteilung der Beklagten im hier streitbefangenen Quartal
auf arztgruppeneinheitlichen FPZen bzw arztgruppeneinheitlichen Grenzwerten aufbaut.
b) Eine Berechtigung der Beklagten zur Einführung von Untergruppen bei der Verteilung der Gesamtvergütungen kann auch nicht
aus S 2 der Anl 1 (zu Teil III des Beschlusses des BewA vom 29. Oktober 2004) hergeleitet werden.
Der Beklagten ist zuzugestehen, dass es nach dem Wortlaut der Regelung ("Im Honorarverteilungsvertrag können weitere Differenzierungen
und Zusammenfassungen der nachfolgenden Arztgruppen vereinbart werden.") nicht ausgeschlossen erscheint, eine weitreichende
Differenzierungsberechtigung bei der Einteilung der Arztgruppen zur Festlegung der RLV anzunehmen. Gegen eine solche Annahme spricht allerdings die Regelungssystematik im Beschluss vom 29. Oktober 2004. Die dort
vom BewA erlassenen Vorgaben sind zumindest teilweise mit einer Aufteilung der Arztgruppen in weitere Untergruppen nicht in
Übereinstimmung zu bringen. So sind nach der Regelung in Teil III.1. des Beschlusses für jede Arztgruppe im HVV Honorarkontingente
zu bilden und diese im Folgequartal anzupassen, soweit sie von einem nach den Vorgaben des Ausschusses zu ermittelnden rechnerischen
Durchschnittspunktwert mehr als zehn Prozent abweichen. Diese arztgruppenspezifische Anpassungsregelung bezieht sich ausdrücklich
auf die in der Anl 1 zum Beschluss aufgeführten Arztgruppen; eine auf einzelne Untergruppen beschränkte Teilanpassung der
arztgruppenbezogenen Honorarkontingente ist dort nicht vorgesehen. Auch die Berechnungsvorgaben des BewA in der Anl 3 zum
Beschluss geben für eine Unterteilung der arztgruppenspezifischen Leistungsmengen und der arztgruppenspezifischen kurativ-ambulanten
Behandlungsfälle als maßgebliche Faktoren für die Berechnung der FPZ nichts her. Der Gesamtkontext im Beschluss des BewA lässt
daher nur den Schluss zu, dass die dort angesprochene Berechtigung der Vertragspartner des HVV, die im Beschluss aufgeführten
Arztgruppen weiter zu differenzieren, sich nicht auf eine Modifizierung der arztgruppeneinheitlichen FPZ für die Bestimmung
der RLV bezieht.
Auch aus dem Sinn und Zweck der den Vertragspartnern des HVV in S 2 der Anl 1 des Beschlusses eingeräumten Berechtigung lässt
sich für eine weitere Unterteilung der Arztgruppen in Untergruppen nichts herleiten. Die Möglichkeit zur Differenzierung der
Arztgruppen erlaubt lediglich, im Rahmen der Honorarverteilung regionale Besonderheiten bei der Zusammensetzung der Facharztgruppen
zu berücksichtigen. Hierin kann aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt innerhalb der Weiterbildungsordnung eine Öffnungsklausel
für die Anknüpfung an praxisindividuelle Abrechnungsergebnisse zurückliegender Referenzquartale bei der Bestimmung der RLV erblickt werden. Zwar besteht für den BewA bei der ihm übertragenen Aufgabe, den Inhalt der nach §
85 Abs
4 S 6 bis 8
SGB V zu treffenden Regelungen zu bestimmen, auch ein Gestaltungsspielraum in der Form, eine nur allmähliche Anpassung an die Steuerungskonzeption
der RLV genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen hinzunehmen, solange diese von den gesetzlichen Vorgaben für die Honorarverteilung
über RLV nicht wegführen (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54). Nach der Öffnungsklausel in Teil III.2.2 des Beschlusses hat der BewA eine in diesem Sinne sukzessive Anpassung aber
zutreffend auf Steuerungsinstrumente beschränkt, die bereits zum 31. März 2005 im HVV vorgesehen waren und in ihren Auswirkungen
zudem mit den gesetzlichen Vorgaben zur Verteilung der Gesamtvergütungen durch RLV vergleichbar sind. Beides aber trifft auf die im HVV der Beklagten vorgesehene Einführung von Untergruppen zur Bestimmung
der RLV nicht zu. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Auswirkungen praxisindividueller und vergangenheitsbezogener Mengenbegrenzungsvorgaben
nicht mit denen vergleichbar sind, die sich anhand arztgruppenspezifischer Durchschnittswerte bestimmen. Letztere spiegeln
den Versorgungsbedarf der Versicherten zuverlässiger wider und dienen nicht dazu, vorhandene Besitzstände innerhalb der Vertragsärzteschaft
zu schützen bzw fortzuschreiben (vgl hierzu BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 6/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
c) Schließlich ergibt sich eine Rechtfertigung für die Einführung von Untergruppen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer
Anfangs- und Erprobungsregelung. Eine den rechtlichen Vorgaben zur Honorarverteilung nach RLV strukturell zuwiderlaufende Regelung kann auch nicht für eine Übergangszeit toleriert werden (vgl hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54). Im Übrigen sind die entsprechenden Vorgaben im HVV der Beklagten als Dauerregelungen konzipiert
worden, um eine an der vormaligen praxisindividuellen Ausrichtung (gegenüber einer am Durchschnitt der jeweiligen Arztgruppe)
orientierte Leistungsbewertung gewährleisten zu können.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, ähnlich wie der BewA zu einer Modifizierung der in §
85 Abs
4 S 7 und 8
SGB V normierten Vorgaben (arztgruppeneinheitlicher Grenzwert, fester Punktwert) berechtigt zu sein. Während dem Ausschuss - wie
dargelegt - das Recht zuzugestehen ist, auch eine allmähliche Anpassung an die gesetzlichen Vorgaben genügen zu lassen und
übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren, gilt dies nicht in gleichem Umfang für die Vertragspartner des HVV, da anderenfalls
nicht sichergestellt wäre, dass bundeseinheitlich geltende Vorgaben auch regional umgesetzt würden (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 mwN).
5. Zusammengefasst handelt es sich bei der Einführung von Untergruppen im HVV der Beklagten um eine strukturelle Fehlfestlegung
bei der Verteilung der Gesamtvergütungen, weil die Vertragspartner des HVV nicht berechtigt sind, die mit der Einführung arztgruppenbezogener
Grenzwerte im
SGB V verbundene und auf den Fachgruppendurchschnitt bezogene Kalkulationssicherheit durch ergänzende Honorarbestimmungen zu konterkarieren.
Die Regelungen zu den Untergruppen im HVV der Beklagten und die auf sie beruhende Honorarverteilung im Quartal II/2005 können
daher keinen Bestand haben. Ferner ist die Beklagte verpflichtet, nach einer Anpassung des HVV an die Rechtsauffassung des
Senats den Kläger hinsichtlich seines Honoraranspruchs im Quartal II/2005 neu zu bescheiden.
Die Revision wird gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG zugelassen, da der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG).