OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.04.2011 - 12 A 1526/09
Anspruch eines nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gegen vorrangig verpflichteten Leistungsträger (hier: Träger der Jugendhilfe) auf Erstattung von erbrachten Sozialleistungen; Vorrangigkeit der Leistungen der Jugendhilfe gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe
1.
Für die Notwendigkeit der von einem jungen Volljährigen beantragten Hilfe nach § 41 SGB VIII genügt es, wenn die Hilfe eine erkennbare Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensführung erwarten lässt.
Ist die Betreuung des jungen Volljährigen nicht mehr geeignet, muss die Überleitung von der jugendtherapeutischen Betreuung zu einer anderen geeigneten Maßnahme - hier einer angemessenen medizinischen Versorgung - für eine Übergangszeit noch unter dem Regime des § 41 SGB VIII stattfinden, wenn weiterhin ein Betreuungsbedarf besteht.
2.
Im Rahmen des § 41 SGB VIII darf der Jugendhilfeträger allein aus einem einmaligen Nichterscheinen des Hilfeempfängers - noch dazu hier ohne Rückversicherung, ob nicht ein entschuldigender Grund vorlag, und ohne erkennbaren weiteren Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Leistungsempfänger oder wenigstens der betreuenden Einrichtung - auf die grundsätzliche und nicht nur behinderungsbedingt situative Verweigerung der Mitarbeit schließen, ohne sich mit dem materiellen Anliegen des Betroffenen auseinanderzusetzen. Das muss jedenfalls gelten, wenn sich näherliegend schlussfolgern lässt, dass dessen seelisch-psychische Behinderung so massiv gewesen ist, dass sie ihm eine eigeninitiative Mitarbeit kaum möglich machte.
Im Übrigen darf die Mitwirkung des Hilfeempfängers an therapeutischen Maßnahmen nicht mit der Mitwirkung verwechselt werden, die dem Ziel von Maßnahmen der Integrationshilfe darstellt, nämlich die aktive Eingliederung in gesellschaftliche Abläufe. Die Motivation zur Mitwirkungsbereitschaft hinsichtlich letztgenannter Maßnahmen ist gerade eine Aufgabe der Jugendhilfe.
Normenkette:
SGB VIII § 35a
,
SGB VIII § 41
,
BSHG § 72
,
SGB X § 103 Abs. 1
,
SGB X § 104
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die von ihm für die Zeit vom 13. Februar 2002 bis zum 7. August 2002 im Hilfefall T. E. aufgewandten Kosten in Höhe von 8.736,64 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basissatz seit dem 25. November 2006 zu erstatten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.736,64 Euro festgesetzt.

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