Zuständigkeit der Kartellgerichte bei Unterlassungsklage wegen Preisbindungslausel in Pflegsatzvereinbarung
Tatbestand:
Der Kläger ist ein Zusammenschluß privater Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Behinderteneinrichtungen und sonstiger
sozialer Dienste, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung der beruflichen Interessen seiner Mitglieder als Unternehmer
sozialer Dienste gegenüber der Öffentlichkeit gehört.
Der Beklagte, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Zu seinen - Aufgaben
gehört es, anspruchsberechtigten pflegebedürftigen Personen Sozialhilfe als Hilfe zur Pflege gemäß §§ 68 ff. BSHG zu gewähren. Zu diesem Zweck schließt er mit den Trägern der eingangs genannten Einrichtungen oder mit deren Verbänden sogenannte
Pflegesatzvereinbarungen nach § 93 Abs. 2
BSHG ab. Dabei verwendet er ein vorformuliertes Vertragsmuster, das Bestimmungen enthält, die nach Auffassung des Klägers gegen
Vorschriften des Kartellrechts, gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes und gegen Vorschriften des öffentlichen Preisrechts verstoßen.
Gestützt auf § 35 Abs. 3
GWB und auf § 13 Abs. 2 Nr. 2
AGBG erstrebt der Kläger im Wege der Verbandsklage, den Beklagten zu verurteilen, die Verwendung einzelner Bestimmungen dieses
Formularvertrages zu unterlassen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, im Rahmen von Kostenübernahmevereinbarungen nach § 93 Abs. 2
BSHG die Verwendung folgender Bestimmungen in dem Vertragsmuster über die Pflegesätze und Nebenleistungen, die vom Landschaftsverband
W. (richtig: Landschaftsverband R.), Abteilung Sozialhilfe und Sonderschulen, an den Träger von privatgewerblichen Einrichtungen
zu zahlen sind, zu unterlassen:
§ 3
Selbstkostennachweis
(1) Die Pflegesätze und Nebenleistungen werden entsprechend der Höhe der nachgewiesenen Kosten vereinbart. Grundlage sind
die im Rechnungswesen erfaßten effektiven Kosten,
(2) Kosten im Sinne dieser Vereinbarung sind alle bei einer sparsamen Wirtschaftsführung unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung
entstehenden Personal- und Sachkosten. Der Eigenverbrauch und die anteiligen Kosten der privaten Nutzung von Anlagegütern
sind als Berichtigungen im Selbstkostenblatt abzusetzen.
(3) Das Nähere über Form, Inhalt und Umfang des Selbstkostennachweises, Personalschlüssel, Personalkosten- und Sachkostennachweise
wird in Anlagen zu dieser Vereinbarung geregelt. Folgende Anlagen sind Bestandteil dieser Vereinbarung:
1. Selbstkostennachweis
2. Personalschlüssel
3. Unternehmerlohnregelung
4. Mietregelung
5. Abschreibungs- und Instandhaltungsregelung
6. Umrechnungsfaktoren
§ 8
Pflegesätze
(1) Die Höhe der Pflegesätze wird unter Berücksichtigung der nach § 3 nachgewiesenen Kosten ermittelt.
(2) Anträge auf Pflegesätze sind mit dem Selbstkostennachweis beim Landschaftsverband W. (richtig: Landschaftsverband R.),
Geschäftsstelle der Pflegesatzkommission, einzureichen.
Der Selbstkostennachweis muß mit folgendem Bestätigungsvermerk eines Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers versehen sein: Die
im Selbstkostennachweis nachgewiesenen Daten wurden ordnungsgemäß aus dem Rechnungswesen und den Leistungsstatistiken entnommen.
Notwendige Abgrenzungen im Sinne dieser Vereinbarung wurden vorgenommen. Die Richtigkeit wird durch nachstehende Unterschrift
bestätigt.
(3) Ergeben sich bei der Überprüfung der eingereichten Unterlagen Unklarheiten, so sind in erforderlichem Umfang zusätzliche
Erläuterungen und Nachweise zu geben.
(4) Bei begründetem Verdacht, daß das Selbstkostenblatt nebst Anlagen unrichtige Buchhaltungszahlen oder unrichtige Leistungsdaten
enthält, können im notwendigen Umfange Einblicke in das Rechnungswesen vom Landschaftsverband W. (richtig: Landschaftsverband
R.) verlangt werden.
(5) Über die Höhe der als gerechtfertigt anerkannten Pflegesätze erhält der Heimträger eine schriftliche Mitteilung.
(6) Ist der Heimträger mit den mitgeteilten Pflegesätzen nicht einverstanden, so kann er innerhalb eines Monats nach Eingang
der Pflegesatzmitteilung mit Begründung Einwendungen erheben.
(7) Der Landschaftsverband W. (richtig: Landschaftsverband R.), Geschäftsstelle der Pflegesatzkommission, ist verpflichtet,
diese Einwendungen durch eine neue Pflegesatzmitteilung zu berücksichtigen oder mit Begründung schriftlich zurückzuweisen.
(8) Den Selbstzahlern sind bei gleicher Leistung Pflegesätze zu berechnen, die in ihrer Höhe den von den Trägern der Sozialhilfe
und der Jugendhilfe zu zahlenden Pflegesätzen entsprechen; Pflegesatzermäßigungen, die Selbstzahlern gewährt werden, dürfen
sich nicht zu Lasten der öffentlichen Kostenträger auswirken.
Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt, da für die Klageansprüche gemäß §
40 Abs.
1
VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nicht eröffnet.
Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Gericht des
ersten Rechtszuges zurückverwiesen. Es hat den Zivilrechtsweg für gegeben erachtet, weil Pflegesatzvereinbarungen im Sinne
von § 93 Abs. 2
BSHG bürgerlich-rechtliche Verträge seien.
Dieses Urteil greift der Beklagte mit der Revision an, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision, hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abänderung des Urteils des Landgerichts. Mit Ausnahme
des Klageantrags zu § 8 Nr. 8 Halbsatz 1 wird der Rechtsstreit auf den im Revisionsrechtszug gestellten und auch dort noch
zulässigen Hilfsantrag des Klägers (BGH, Urt. v. 03. 05. 1984 - III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781, 783) gemäß §
17 Abs.
3
GVG a.F. an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Hinsichtlich des Klageantrags zu § 8 Nr. 8 Halbsatz 1 ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet, Die Klage ist insoweit auch begründet, weil die angegriffene
Klausel gegen § 15
GWB verstößt.
I. 1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung
des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. GmS-OGB BGHZ
97, 312, 313, 314 - Orthopädische Hilfsmittel m.w.N.; GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286, 287; BGH, Urt. v. 12. 03. 1991 - KZR 26/89, WuW/E BGH 2707, 2709 - Einzelkostenerstattung). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an einer Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem
hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm
zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient, oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen
unterstellt. Aus einem Gleichordnungsverhältnis kann allerdings nicht ohne weiteres auf eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit
geschlossen werden, weil auch dem öffentlichen Recht eine gleichgeordnete Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem
nicht fremd ist. So liegt es im Wesen - auch des öffentlich-rechtlichen - Vertrages, daß sich die Vertragspartner grundsätzlich
gleichgeordnet gegenüberstehen. Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag kommt es daher
auf dessen Gegenstand und Zweck an (vgl. GmS-OGB BGHZ 97, 312, 314 - Orthopädische Hilfsmittel).
2. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, sind Pflegesatzvereinbarungen im Sinne des § 93 Abs. 2
BSHG öffentlich-rechtliche Verträge, wenn sie sich im Rahmen dieser Vorschrift halten (vgl, Urteile v. 12. 11. 1991 - KZR 12/90, WuW/E BGH 2749, 2751 ff. und KZR 22/90, NJW 1992, 1237, 1238). Der Träger der Sozialhilfe schließt die Vereinbarung mit einem Heimträger in Erfüllung einer Pflicht ab, die ihm
gegenüber dem Sozialhilfeberechtigten obliegt; diese Pflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur. Dies allein würde zwar noch
nicht dazu führen, auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Heimträger (und damit die Pflegesatzvereinbarung
zwischen diesen) dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Ein Hoheitsträger, der gegenüber einer Person zur Gewährung bestimmter
Leistungen verpflichtet ist, kann sich den Gegenstand der Leistung auch durch einen mit einem Dritten geschlossenen sogenannten
Beschaffungsvertrag verschaffen, um ihn jener Person zur Verfügung zu stellen. Solche Beschaffungsverträge können bürgerlich-rechtlicher
Natur sein (vgl. BGHZ 97, 312, 313, 314 - Orthopädische Hilfsmittel). Die Einordnung von Pflegesatzvereinbarungen im Sinne des § 93 Abs. 2
BSHG unter die privatrechtlichen Beschaffungsverträge würde aber dem Wesen der Rechtsbeziehungen zwischen Sozialhilfeträger und
Heimträger nicht gerecht. Pflegesatzvereinbarungen sind nicht auf die Beschaffung von Heimplätzen auf einem freien Markt durch
den Träger der Sozialhilfe gerichtet, die dieser sodann den Sozialhilfeberechtigten in eigener Verantwortung zur Verfügung
stellt. Die Rechtsbeziehungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Trägern der Sozialhilfe und den privaten Trägern von Sozialhilfeeinrichtungen
waren vielmehr stets auf eine Zusammenarbeit bei der Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe angelegt, Hilfsbedürftige unterzubringen
und zu versorgen. Das tritt besonders deutlich hervor, wenn der Heimträger ein Verband der freien Wohlfahrtspflege (§ 10 Abs. 2
BSHG) ist, denn das Bundessozialhilfegesetz verpflichtet die Sozialhilfeträger, diese Verbände bei ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe zu unterstützen und
mit ihnen zum Wohle des Hilfesuchenden zusammenzuarbeiten, wobei sie deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung
ihrer Aufgaben zu achten haben, Die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes wirken dabei als öffentlich-rechtliche Vorgaben
auf die vertragliche Ausgestaltung von Pflegesatzvereinbarungen ein und geben ihnen das entscheidende öffentlich-rechtliche
Gepräge. Für Streitigkeiten über Pflegesatzvereinbarungen sind deshalb, da eine Zuweisung an einen anderen Rechtsweg nicht
gegeben ist, gemäß §
40 Abs.
1 Satz 1
VwGO die Verwaltungsgerichte zuständig.
3. Obwohl der Klageantrag des Streitfalls äußerlich eine Einheit bildet, ist das Klagebegehren auf die Anfechtung der im Klageantrag
lediglich zusammengefaßt aufgeführten einzelnen Klauseln gerichtet, wie die Auslegung des Antrags unter Heranziehung der Klagebegründung
ergibt. Mit dem äußerlich einheitlichen Klageantrag sollen die im Antrag aufgelisteten Klauseln aus § 3 und § 8 des Vertragsmusters
je für sich angefochten werden, in denen der Kläger jeweils unzulässige Nebenabreden sieht, die nach bürgerlichem Recht zu
beurteilen seien.
4. Mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs gegen die Verwendung der Klausel, daß den Selbstzahlern bei gleicher Leistung Pflegesätze
zu berechnen sind, die in ihrer Höhe den von den Trägern der Sozialhilfe und der Jugendhilfe zu zahlenden Pflegesätzen entsprechen
(§ 8 Nr. 8 Halbsatz 1 der Klageanträge), ist das Klagebegehren öffentlich-rechtlicher Natur. Die angegriffenen Klauseln §
3 Nrn. 1 bis 3 regeln die Berechnung der vom Träger der Sozialhilfe zu zahlenden Pflegesätze nach dem sogenannten Selbstkostendeckungsprinzip.
Durch diese Regelungen entspricht der Sozialhilfeträger dem ihm in § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG auferlegten Gebot, nur solche Kosten zu übernehmen, die den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit
Rechnung tragen (vgl. Gottschick/Giese, Bundessozialhilfegesetz, 9. Aufl, § 93 Rdn. 9; Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 6. Aufl. § 93 Rdn. 10; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Bundessozialhilfegesetz, 13. Aufl. § 93 Rdn. 29 bis 33; Birk/Brühl, LPK-BSHG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 13). Die angegriffenen Klauseln § 8 Nrn. 1 bis 7 regeln das Antragsverfahren und die Überprüfung der eingereichten Unterlagen zu den Pflegesatzberechnungen nach
dem Selbstkostendeckungsprinzip. Die Klauseln gemäß § 3 Nrn. 1 bis 3 und § 8 Nrn. 1 bis 7 betreffen damit den Kernbereich
des Austauschverhältnisses einer öffentlich-rechtlichen Pflegesatzvereinbarung. Dem öffentlichen Recht ist auch die Klausel
§ 8 Nr. 8 Halbsatz 2 zuzuordnen, wonach Pflegesatzermäßigungen, die Selbstzahlern gewährt werden, sich nicht zu Lasten der
öffentlichen Kostenträger auswirken dürfen. Insoweit scheidet eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und eine Anwendung
des Kartellrechts aus.
5. a) Anderes gilt für die Klausel in § 8 Nr. 8 Halbsatz 1 der Klageanträge, wonach die Heimträger den Selbstzahlern bei gleicher
Leistung nur Pflegesätze berechnen dürfen, die in ihrer Höhe den von den Trägern der Sozialhilfe und der Jugendhilfe zu zahlenden
Pflegesätzen entsprechen. Der Anspruch, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen, ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch
aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen; gemäß §
13
GVG, § 87 Abs. 1
GWB ist deshalb der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht (Kartellgericht) eröffnet, Denn durch diese Klausel wird das Marktverhalten
der privaten Heimträger gegenüber Dritten geregelt, die nicht in einer öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung zum Träger der
Sozialhilfe stehen, nämlich ihr Marktverhalten gegenüber privaten Nachfragern (»Selbstzahlern«). In der Rechtsprechung des
Senats ist anerkannt, daß das Handeln eines Hoheitsträgers dann an den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
zu messen ist, wenn er den ihm durch das öffentliche Recht zugewiesenen Aufgabenbereich eindeutig verlassen und der Sache
nach eine in den Wettbewerb eingreifende Maßnahme getroffen hat (Beschl. v. 19. 03. 1991 - KVR 4/89, GRUR 1991, 622, 625 = WuW/E BGH 2688, 2694 - Warenproben in Apotheken). So liegt der Fall auch hier. Eine öffentlich-rechtliche Grundlage, die es gestatten könnte,
in Pflegesatzvereinbarungen eine das Marktverhalten der privaten Heimträger gegenüber Dritten (»Selbstzahlern«) regelnde Vereinbarung
zu treffen, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte macht auch nicht geltend, daß eine öffentlich-rechtliche Vorschrift als Grundlage
für die zu beurteilende Preisbindungsregelung Dritter auch nur in Betracht zu ziehen sei, Er beruft sich lediglich darauf,
die Klausel diene der Verhinderung einer »Zweiklassengesellschaft« in Alten- und Pflegeheimen zu Lasten der Sozialhilfeempfänger;
denn es bestehe die Gefahr, daß diese schlechter behandelt würden als Selbstzahler, wenn der Heimträger an den Selbstzahlern
bei gleicher Leistung mehr verdienen könne. Zum anderen sei der Sozialhilfeträger daran interessiert, daß das Vermögen der
Selbstzahler nicht abgeschöpft werde, weil dies die Gefahr in sich berge, daß sie der Sozialhilfe anheimfielen. Diese vom
Beklagten als öffentlich-rechtlich qualifizierten Beweggründe begründen keine Regelungskompetenz zur Vereinbarung von Preisbindungsklauseln
gegenüber privaten Dritten, die in keiner öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung zum Träger der Sozialhilfe stehen, auch wenn
durch eine derartige Preisbindungsregelung mittelbar die Stellung der Sozialhilfeempfänger verbessert werden sollte. Die Anwendung
des Kartellrechts wäre nur ausgeschlossen, wenn der Vertragsinhalt insoweit durch besondere öffentlich-rechtliche Vorschriften
vorgegeben wäre, was der Beklagte selbst nicht geltend macht und auch nicht ersichtlich ist,
b) Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht von seinen Urteilen vom 12. November 1991 (KZR 12/90, WuW/E BGH 2749 ff. - Pflegesatzvereinbarung und KZR 22/90, NJW 1992, 1237 ff.) ab, in denen er entschieden hat, daß Pflegesatzvereinbarungen im Sinne des § 93 Abs. 2
BSHG öffentlichrechtliche Verträge sind, deren Überprüfung nach §
40 Abs.
1
VwGO den Verwaltungsgerichten zugewiesen ist. In dem Verfahren KZR 12/90 ging es um eine Zahlungsklage, mit der der dortige Kläger aus einer vom Sozialhilfeträger gekündigten, vom Kläger aber weiterhin
für wirksam gehaltenen Pflegesatzvereinbarung Pflegekosten einklagte. Im Verfahren KZR 22/90 ging es darum, dem beklagten Sozialhilfeträger die Verwendung des Vertragsmusters »Sonderpflegesatz« zu verbieten, Das Klagebegehren
war darauf gerichtet, den Sozialhilfeträger zu verurteilen, es zu unterlassen, eine vollständige Pflegesatzvereinbarung auf
der Grundlage des von ihm vorformulierten Vertragsmusters abzuschließen; einzelne Klauseln dieses Vertragsmusters waren nicht
angegriffen. Soweit aus dem Nichtannahmebeschluß des Senats vom 18. Februar 1992 in der zum vorliegenden Verfahren parallelen
Sache KZR 23/90 eine abweichende Rechtsansicht entnommen werden kann, wird daran nicht festgehalten.
II. Der Kläger ist als Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gemäß § 35 Abs. 3
GWB befugt, den in Rede stehenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen.
Daß der Kläger in seinen satzungsgemäßen Interessen berührt wird, hat das Berufungsgericht festgestellt. Die Revision erhebt
insoweit keine Rügen, ein Rechtsfehler ist auch nicht ersichtlich. Die als verletzt gerügte Norm, nämlich § 15
GWB, ist Schutzgesetz zugunsten der Verbandsmitglieder des Klägers. Es ist anerkannt, daß § 15
GWB nicht nur dem Schutz des Wettbewerbs als Institution, sondern auch dem Individualschutz des gebundenen Wettbewerbers dient
(BGHZ 28, 208, 222 - »4711«; BGH, Urt. v. 21. 02. 1978 - KZR 7/76, WuW/E BGH 1519, 1520 - 4 zum Preis von 3; BGH, Urt. v. 04. 02. 1986 - KZR 33/84, WRP 1986, 375, 377 - Herstellerpreiswerbung; vgl. auch v. Gamm, Kartellrecht, 2. Aufl. § 15 Rdn. 8, 9 und § 35 Rdn. 10; Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. § 15 Rdn. 80 und § 35 Rdn. 39 und 40). Ob die Prozeßführungsbefugnis auch aus § 13 Abs. 2 Nr. 2
AGBG hergeleitet werden kann, bedarf keiner Entscheidung.
III. Der auf die §§ 15, 35 Abs, 1
GWB gestützte Unterlassungsanspruch ist auch begründet. Durch die angegriffene Klausel wird dem Heimträger die Verpflichtung
auferlegt, Selbstzahlern bei gleicher Leistung Pflegesätze zu berechnen, die in ihrer Höhe den Pflegesätzen entsprechen, die
von den Trägern der Sozialhilfe und der Jugendhilfe zu zahlen sind. Damit liegt eine Bindung in einem Erstvertrag vor, Zweitverträge
in bestimmter Weise zu gestalten. Daß der Beklagte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, hindert nicht, ihn als Unternehmen
im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzusehen. Im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes, die Freiheit des
Wettbewerbs sicherzustellen, erfüllt grundsätzlich jede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr den Unternehmensbegriff des Gesetzes
(BGHZ 36, 91, 103 - Gummistrümpfe; BGHZ 67, 81, 84 - Auto-Analyzer; BGH, Urt. v. 23. 10. 1979 - KZR 22/78, WuW/E BGH 1661, 1662 - Berliner Musikschule). Für den Geltungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist in der Rechtsprechung seit
langem anerkannt, daß es auf Wettbewerbsbeziehungen der öffentlichen Hand zu privaten Wettbewerbern selbst dann anzuwenden
ist, wenn dadurch auch ihr öffentlich-rechtlicher Tätigkeitsbereich berührt wird (BGHZ 82, 375, 384 - Brillen-Selbstabgabestellen); für die Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf die Wettbewerbsbeziehungen
der öffentlichen Hand zu privaten Wettbewerbern gilt nichts anderes (BGHZ 110, 371, 381 - Sportübertragungen).
IV. Über die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wird das Verwaltungsgericht zu befinden haben. Über die bereits feststehenden
Kosten der Berufung und der Revision kann der Senat entscheiden (vgl. BGHZ 11, 44, 57 ff.; BGHZ 12, 52, 70 ff.; BGHZ 22, 65, 71; BGH, Urt. v. 03. 05. 1984 - III ZR 174/82, FamRZ 1984, 781, 784). Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsrechtszuges sind dem Kläger insoweit zu überbürden, als er mit seinen Rechtsmitteln
eine Sachentscheidung begehrt und nicht erreicht hat. Soweit seine Klage Erfolg hatte, waren die Rechtsmittelkosten dem Beklagten
aufzuerlegen.