KreisG Leipzig-Stadt, Urteil vom 25.06.1992 - I K 4/92
Gewährung von Ausbildungsförderung gem. § 7 Abs. 3 BAföG nach einem Wechsel des Studienfachs - hier: Wechsel vom Fach »Maschinenwesen« zu den Fächern »Betriebswirtschaftslehre« und »Theaterwissenschaften«:
a) Neigungswandel als »wichtiger Grund« für den Fachrichtungswechsel;
b) Erfordernis unverzüglicher Aufnahme des Wunsch-Studiums;
c) keine förderungsrechtliche Relevanz der Tatsache, daß bereits vor der Aufnahme des Studiums im Fachbereich »Maschinenwesen« Interesse für das Studium der Theaterwissenschaften bestand, dieser Studienwunsch jedoch aufgrund der besonderen Gegebenheiten in der DDR nicht verwirklicht werden konnte.
Fundstellen: RAnB 1993, 116
Normenkette:
BAföG § 7 Abs. 3
Sachverhalt:
Der Kl. begehrt, für das Studium der Betriebswirtschaftlehre Ausbildungsförderung nach dem BAföG zu erhalten, nachdem er das Studium Maschinenwesen im 4. Semester abgebrochen hatte.
Der Kl. besuchte 10 Jahre lang die polytechnische Oberschule. Wie in der ehemaligen DDR üblich, mußte er sich in der 9. Klasse für seinen weiteren beruflichen Werdegang entscheiden. Seiner Entscheidung, seine schulische Bildung an einer erweiterten Oberschule (EOS) fortzusetzen, wurde nicht entsprochen. Man wies ihn darauf hin, daß dies für ihn nur im Zusammenhang mit einer beruflichen Ausbildung möglich sei. Hierfür müsse er entweder den Beruf des Maschinen- und Anlagenmonteurs oder den des Textilfacharbeiters ergreifen. Daraufhin besuchte der Kl. eine Betriebsberufsschule, an der er auch sein Abitur ablegte.
Anschließend bewarb er sich um ein Studium der Theaterwissenschaften. Dies wurde abgelehnt unter Hinweis darauf, daß selbst bei einer SED-Mitgliedschaft oder einer 3jährigen Verpflichtung zur Armee für ihn nur eine technische Ausbildung in Betracht komme. Nachdem er seinen Wehrdienst abgeleistet hatte, wurde er vom VEB Waggonbau zum Studium delegiert.
Der Kl. nahm am 1.9.1989 an der Technischen Universität Dresden das Studium Maschinenwesen auf. Im Sommer 1990 suchte er die Handelshochschule Leipzig auf, weil er sich für den Bereich Wirtschaftswissenschaften interessierte und einen Fachrichtungswechsel in Erwägung zog. Hiervon nahm er aber zu diesem Zeitpunkt Abstand, weil trotz der politischen Veränderungen in der ehemaligen DDR in dieser Sektion noch überholte (planwirtschaftliche) Bildungsinhalte vermittelt wurden und weil wegen drohender Abwicklung Unsicherheit über den künftigen Lehrstoff und die Anerkennung der Berufsabschlüsse herrschte. Der Kl. setzte deshalb sein Studium des Maschinenwesens fort, um einen berufsqualifizierenden Abschluß zu erzielen.
Im 3. Semester durchlief der Kl. eine »Schwachphase«, da er zu diesem Zeitpunkt - auch aufgrund der politischen Umstände - Selbstzweifel empfand. Im 4. Semester ließen dann seine Studienleistungen wegen zunehmender Spezialisierung in seinem Studienfach nach. In der Mitte des Semesters stellte der Kl. fest, daß seine Leistungsgrenze erreicht war. Da er davon überzeugt war, die erstmalig eingeführte Vordiplomprüfung nach dem 4. Semester nicht zu bestehen, exmatrikulierte er sich zum Ende des Sommersemesters 1991/92. Mitarbeiter der von ihm aufgesuchten Berufsberatung bescheinigten ihm, daß er sich ernsthaft und zielstrebig um das Studium der Theaterwissenschaften in Verbindung mit Betriebswirtschaftslehre bemüht.
Zu diesem Zweck beantragte er beim Bekl. mit Schreiben vom 28.6.1991 einen Vorbescheid, um für diese neue angestrebte Ausbildung weitere Förderung nach dem BAföG zu erlangen. Der Bekl. lehnte den Antrag ab. Hiergegen wandte sich der Kl. mit seinem Widerspruch vom 28.8.1991.
Seit Oktober 1991 studiert der Kl. Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule Leipzig und im 2. Hauptfach Theaterwissenschaften an der Theaterhochschule »Hans-Otto« in Leipzig.
Mit Schreiben vom 22.11.1991 wies der Bekl. den Widerspruch zurück. Die Klage hatte Erfolg.