Nachforderung von Sozialbeiträgen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Aufhebung des angefochtenen Betriebsprüfungsbescheides
durch die Beklagte im Klageverfahren vor dem SG
Beschwerde der Rentenversicherung gegen den Beschluss des SG über die Festsetzung des Streitwerts (hier Festsetzung durch das SG in Höhe der mit Betriebsprüfungsbescheid festgesetzten Pflichtbeiträge)
Wirtschaftliche Interesse des Klägers gerichtet auf Verhinderung einer Vollstreckung nach Restschuldbefreiung
Änderung des Streitwertfestsetzungsbeschlusses des SG durch den Senat
Reduzierung des Nennwertes um 75% vor dem Hintergrund geringer Vollstreckungsaussichten
Gründe
I.
Die Beklagte erhob mit an den Kläger adressiertem Bescheid vom 2.12.2008 als Ergebnis einer Betriebsprüfung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch
Viertes Buch (
SGB IV) eine Beitragsnachforderung von 128.401,49 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 29.374,00 Euro. Zuvor hatte
das Amtsgericht (AG) L mit Beschluss vom 14.10.2008 (Az.: 73 IN 00/08) über das Vermögen des Klägers wegen dessen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet, in dessen Verlauf die Beigeladene
am 17.3.2009 die in dem Bescheid der Beklagten vom 2.12.2008 geregelte Beitragsnachforderung nebst Säumniszuschlägen in voller
Höhe als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gemäß §
266a Strafgesetzbuch i.V.m. §
823 Bürgerliches Gesetzbuch anmeldete.
In dem nach erfolglosem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid vom 30.4.2009) angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht
(SG) Köln hob die Beklagte mit Anerkenntnis vom 12.6.2013 den angefochtenen Bescheid auf.
Das SG hat mit Beschluss vom 14.11.2013 den Streitwert zunächst in Höhe der mit dem Bescheid vom 2.12.2008 festgesetzten Pflichtbeiträge
festgesetzt und auf die am 18.11.2013 eingelegte Beschwerde des Klägers den Streitwert sodann unter Berücksichtigung der erhobenen
Säumniszuschläge mit Beschluss vom 29.11.2013 mit 128.401,98 Euro beziffert.
Gegen den ihr am 26.11.2013 zugestellten Beschluss vom 14.11.2013 hat die Beklagte am 5.12.2014 bei dem SG Köln Beschwerde
eingelegt und beantragt,
den Streitwert in Höhe der Insolvenzquote gemäß §
102 Insolvenzordnung (
InsO) festzusetzen. Die Insolvenzquote werde mit 5 % bemessen.
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beklagte verkenne, dass sich der Verfahrenswert nach dem Streitgegenstand,
mithin der mit dem angefochtenen Bescheid geregelten Beitragsnachforderung, bemesse. Es sei nicht um eine insolvenzrechtliche
Klage gegangen, sondern um eine Klage vor dem Sozialgericht aufgrund eines Betriebsprüfungsverfahrens, die die Beklagte gegenüber
dem Kläger zu Unrecht geltend gemacht habe. Es gehe auch nicht um einen Insolvenzverwalter, der etwas bestritten haben könne,
sondern allein um die Beklagte und den Kläger.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der von dem Senat beigezogenen Gerichtsakten
betreffend das bei dem AG L unter dem Az.:73 IN 00/08 geführte Insolvenzverfahren Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung von drei Berufsrichtern (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 31.8.2009,
L 8 R 11/09 R, [...]).
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Der Streitwert für das Klageverfahren ist auf den in dem Tenor des Beschlusses
bezifferten Betrag festzusetzen.
1. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der
sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz [GKG]). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend
(§ 52 Abs. 3 GKG). Nach Auffassung des Senats ist der Streitwert weder in Anwendung der §§
182,
185 Satz 3
InsO in Höhe des Betrages festzusetzen, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist (zur Bemessung
des Streitwertes der Klage eines Insolvenzverwalters vgl. Senat, Beschluss v. 14.3.2014, L 8 R 636/13 B), noch kann bei der Bemessung des Streitwertes ohne Weiteres auf den in dem angefochtenen Bescheid bezifferten Nachforderungsbetrag
zurückgegriffen werden. Vielmehr ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers darauf gerichtet, eine Vollstreckung nach Restschuldbefreiung
(§
301 InsO) zu verhindern. Eine Vollstreckung trotz gleichwohl erfolgter Restschuldbefreiung käme im vorliegenden Verfahren nach näherer
Maßgabe des §
302 Nr. 1
InsO in Betracht, wonach von der Erteilung einer Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung nicht berührt werden, sofern der Gläubiger - im vorliegenden Fall die für den Beitragseinzug zuständige
Beigeladene als Einzugsstelle, die auch nach einer Arbeitgeberprüfung durch die Rentenversicherung Gläubiger des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
bleibt (vgl. Jochim, in: jurisPK-
SGB IV, 2. Aufl., § 28p Rdnr. 148 unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/1205, S. 6) - die entsprechende Forderung unter Angabe dieses
Rechtsgrundes nach §
174 Abs.
2 InsO zur Tabelle angemeldet hatte (zur Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage des Schuldners bezüglich des Rechtsgrundes
der vorsätzlich begangenen Handlung vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil v. 10.10.2013, IX ZR 30/13).
Bei einer Klage, mit der im Wege des §
184 InsO die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung, bemisst sich
der Streitwert nicht nach dem Nennwert der Forderung; vielmehr sind die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers
nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung maßgeblich. Sind diese als nur gering anzusehen, kann ein deutlicher
Abschlag von 75 Prozent des Nennwertes der Forderung angemessen sein (BGH, Beschluss v. 22.1.2009, IX ZR 235/08, [...], Rdnr. 5 ff.). Vor dem Hintergrund der im vorliegenden Sachverhalt gleichfalls geringen Vollstreckungsvoraussetzungen
erscheint auch dem Senat eine Reduzierung des Nennwertes um 75% sachgerecht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
3. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).